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Dead Kennedys:
Nazi-Punks, verpisst Euch!
(Übersetzung aus dem Originalartikel)

Punk ist kein religiöser Kult
Punk meint, selbst denken
Du bist noch kein Hardcore Typ,
weil du einen lrokesenschnitt hast,
solange noch die alte Scheiße in deinem Kopf rumspukt.
Nazi Punks verpißt euch!
Ihr kommt, um zu kämpfen? Haut ab!
Ihr seid nicht besser als die Rausschmeißer
Wir wollen nicht Polizei spielen
Wenn ihr die Bullen nachäfft,
ist das noch lange keine Anarchie.
Zehn auf einen - tolle Leistung!
Ihr prügelt euch gegenseitig,
der Polizeistaat gewinnt.
Ihr wichst euch nur einen ab,
wenn ihr unsere Musikhallen in Stücke haut.
Schlagt die Banken kaputt,
wenn ihr wirklich gut drauf seid.
Ihr denkt noch immer,
Hakenkreuze bringen es.
Die wirklichen Nazis Sitzen in euren Schulen:
Pauker, Geschäftsleute, Bullen.
In einem wirklichen Vierten Reich
werdet Ihr als erste abgegriffen werden,
wenn ihr nicht nachdenkt.












Der Artikel in "De Schnüss",
Januar 1983:




  
 














Dead Kennedys:
"Nazi Punks Fuck Off"
Punk ain't no religious cult
Punk means thinking for yourself
You ain't hardcore cos you spike your hair
When a jock still lives inside your head
Nazi punks
Nazi punks
Nazi punks - Fuck Off!
Nazi punks
Nazi punks
Nazi punks - Fuck Off!
If you've come to fight, get outa here
You ain't no better than the bouncers
We ain't trying to be police
When you ape the cops it ain't anarchy
[Repeat chorus]
Ten guys jump one, what a man
You fight each other, the police state wins
Stab your backs when you trash our halls
Trash a bank if you've got real balls
You still think swastikas look cool
The real nazis run your schools
They're coaches, businessmen and cops
In a real fourth reich you'll be the first to go
[Repeat chorus]
You'll be the first to go
You'll be the first to go
You'll be the first to go
Unless you think
   

Fast vergessen ist heute die feministische Kritik an autoritärem Macho-Gehabe und Patriarchats-Anbetung als alltags-kulturellen Phänomenen, eine Kritik, die in den 70er und 80er Jahren den zwischenmenschlichen Umgang in der Linken mit bestimmte. Die patriarchale (gewalt-) sexuelle "Fetisch"-Szene, die Karikaturen "typisch männlichen" Verhaltens produziert und Repressionsagenten vom SS-Mann bis zum NYPD-Officer nachäfft, möchte sie endlich ganz zurückdrängen. "Ich bin nichts, ich kann nichts, gebt mir eine Uniform!", diese Erkenntnis, die früher Konsens war, gilt heute schon fast als Beleidigung -- in der Linken!
  

 
Denk an Feuer und Maschinengewehr
 
Versteckter Faschismus in der Jugendkultur?
 

(Dieser Text von Peter Kratz erschien erstmalig im Januar 1983 in der Bonner Stattzeitung "De Schnüss".)

Beim ersten Mal tuts immer weh
Jetzt sei ruhig und halt den Kopf ganz still
Heut ist die Nacht, wo ich es wissen will
Denk an Torpedos und an U-Boot-Krieg
und daran, daß auf dir eine Leiche liegt
Denk an Feuer und Maschinengewehr
Und an den Sieg vom deutschen Heer
(Text der Band "Abwärts" als Prolog)

Vor 50 Jahren zogen die Nazi-Provokateure durch die Straßen und prügelten Juden und Linke tot. Wenigstens die Linke wehrte sich und prügelte zurück. Heute ziehen Jungnazis, Rocker, Skinheads durch die Straßen und prügeln Ausländer und Linke. Zumindest einige irgendwie Linke wehren sich und prügeln zurück. Rechte auf Linke auf Rechte.

Jugendgewalt, das geht mich an, weil ich sowas nicht will. Ich frage mich, ob sie Ausdruck faschistischer Tendenzen in der Jugend(kultur) ist, bei den Individuen. Wir haben lange Jahre gegen Berufsverbote, Isolationshaft, Polizeiwillkür gekämpft. Faschistische Tendenzen gingen vom Staat aus und trafen das Volk - oder vielmehr uns. Nun kommen sie aus dem Volk. Rufe ich jetzt die Polizei, damit sie mich schützt?

Mit schwirrt der Kopf: Krawall, ein Toter bei der Bundesliga. Schlägereien zwischen Skinheads und Panx in Wuppertal, im Kölner Stollwerk. Rockerangriff auf Punks im NamNam. Krawall nach dem "Abwärts"-Konzert in den Rheinterrassen durch Punks. Der Veranstalter des "Dead Kennedys"-Konzerts in Bad Honnef engagiert Rocker, die den Kursaal sichern sollen. Mit Schlagstöcken und Pistolen bewaffnet tasten sie jeden ab und nehmen den Panx Gürtel und Ketten ab. Draußen marschiert Polizei auf, in den Gängen des Kurhauses ist sie versteckt postiert, mindestens 50 Mann. Es wird ein friedliches Konzert mit viel Spaß für Publikum und Bands.

Das verschreckte Bürgertum besinnt sich seiner Soziologen: "die Gewaltbereitschaft steigt", "Lebensangst und die Vorstellung einer verschlossenen Zukunft bedrucken die Jugendlichen".

Alles geht den Bach runter. "Vielleicht sind wir ja gerade deshalb so gut drauf, weil wir frustriert sind von allem um uns herum", sagt ein arbeitsloser Skinhead der Kölner STADTREVUE. "Skins sind aus der Arbeiterjugend entstanden." - "Also dauernd werden vom Dritten Reich nur die schlechten Sachen erzählt. Adolf hat genau das gemacht, was die Leute brauchten, er hat ihnen Arbeit gegeben und wieder eine Zukunftsperspektive." - "Daß Deutsche Arbeit haben, sollte im Vordergrund stehen. Ich sehe nicht ein, daß es einem Ausländer besser geht als mir." - "Deutschland hat sich zum Abfalleimer Europas entwickelt." In dem Skinheads Interview der STADTREVUE tritt ein geschlossenes nationalsozialistisches Weltbild zu Tage, dessen Handlungskompetenz Gewalt ist: "Das ist der einzige Weg. Quatschen bringt sowieso nichts ein."

Das macht das Urteil einfach.

Aber Gewalt muß ja nicht gleich körperlich sein. Der intellektuelle Mensch hat andere Möglichkeiten, Hochmut und Überlegenheit darzustellen, wenn er den ökonomischen Zwängen des Systems als Opfer unterliegt. Neon, Strenge, Geometrie - der kalte Glanz des New Wave. Kuzer Haarschnitt, auf kantig geschminktes Gesicht, schwarzes Leder bis zum Militärstiefel. Brutalität wird stilisiert, dadurch mittelbar. Unsere Sensibilität für Faschistoides reicht bei der körperlichen Gewalt, nicht mehr beim "Kult der Kälte". In mancher Scene-Kneipe fühle ich mich in einer Gesellschaft von Flagellanten und Sadisten.

Das gefühllose Raster der Betonwohnsilos findet sich im Layout der linken Zeitungen wieder. Musik und Texte der deutschen Kult-Bands sind deprimiert, perspektivlos, brutal. Die Jugendkultur ist teilweise vom Protest gegen das Packeis zur Identifikation mit ihm übergegangen. Eine Möglichkeit, darin zu überleben? Daraus eine wärmere Gesellschaft zu machen? 

Ich sehe in den Spiegel. Nach dem Fehlfarben-Konzert in Bonn war ich zweifach unsicher. Die Gruppe gefiel mir und mein Urteil, sie sei faschistoid wurde von meinen Freunden nicht akzeptiert. Nach dem "Abwärts"-Konzert ging es mir noch schlechter, weil ich die Musik noch besser finde und noch brutaler, die Texte ausweglos, Endzeitmusik. Das schwarze Leder gefällt mir auch, kontrastierend mit dem weißen Glitzerluch. Auch die schweren Hals- und Armbänder der Punks. Hätte mir die schwarze SS-Uniform mit dem weißen Revers auch gefallen? Ich bin es (neben Bello), der immer die geometrischen Raster auf die SCHNUSS-Seiten klebt, kalte Schönheit. Meine nur reflexartige Widerspiegelung der Gefühliosigkeit einer leeren Welt?

Ich kann sehr wohl intellektuell den Unterschied analysieren zwischen bewußten, linken Panx (die bei Demos meist als erste von der Polizei ergriffen werden) und Neofaschisten. Zwischen der Stilisierung der Kälte im New Wave und der Natürlichkeit des Verhaltens der Punks untereinander, die wild und aggressiv ist. Zwischen emanzipatorischer und repressiver Gewalt. Ich weiß sehr wohl, daß die Anti-Akw-Bewegung und die Hausbesetzer-Bewegung gewaltlos keinerlei gesellschaftliche Resonanz erhalten hätten.

Mein Problem bleibt.

Ich frage mich, ob wir mit der Übernahme von Formen nicht auch Inhalte in unser Bewußtsein übernehmen, ohne es zu merken. Nach dem TUWAT-Fackelzug durchs Berliner Prominentenviertel im letzten Jahr gab es eine Diskussion in der taz, ob die Springer-Presse nicht recht habe mit ihrem Urteil, es sei gewesen wie 1933.

Viele Skins wären vorher Panx. Zufall? Der Habitus von Lederjacken und Ketten schüchtert andere ein (am wenigsten die Herrschenden), macht den Trägern Mut. Es ist nicht im Sinne wie immer auch Linker, andere Gruppen des beherrschten Volkes einzuschüchtern.

Nach dem Dead-Kennedys-Konzert konnte ich mit der Gruppe darüber reden. Die Aufmachung der Panx sei keine Identifikation mit Brutalität, meint ihr Sänger Jello Biafra. Sie sei sowohl Protest gegen eine kleinbürgerliche Ideologie als auch gegen die Hippies der 60er Jahre. Daß er selbst Stiefel trage, heiße nicht, daß er damit jemanden trete. Wie kann ich so noch gegen die Rockerkontrolle am Eingang der Halle argumentieren? Daß sie Knüppel und Pistolen tragen, heißt nicht, daß sie sie auch einsetzen? Protest als abstrakter Begriff, damit kann ich wenig anfangen.

Gestern Flower Power, heute Ketten, morgen vielleicht wieder Blumen, so meint Jello. Aber die Hippies haben eine Alternative zum brutalen System gelebt, gegen das sie rebellierten, schöpferische Negation. Der Punk-Habitus kommt mir eher wie ein passiver Reflex vor, aus dem die neue herrschaftsfreie, nicht-brutale Gesellschaft schwerlich entstehen kann.

Sie seien ja gerade gegen Gewalt, meint die Band und sie verweisen auf ihr Stück "Nazi Punks Fuck Off". Während des Konzerts ruft Jello das Publikum auf: "Lehr die Leute, die bei Konzerten Schlägereien anfangen, warum das falsch ist!" Ob die Fans denn die Texte verstehen wurden, wird gefragt. Ihr Problem sei, daß bei ihren Platten oft die Texte nicht abgedruckt seien. Wenn ich im emanzipatorischen Sinne gegen Jugendgewait sei, sagt er mir, dann solle ich in meinem Artikel ihre Texte ins Deutsch übersetzen. Das hatte ich ohnehin vor. Ich verweise auf die Folgen des Abwärts-Konzerts in Bonn und frage, ob das nicht eine Bestätigung für die Notwendigkeit des Polizeiaufmarsches und der Rocker-Kontrollen heute abend sei.

Jello argumentiert immer defensiver; die Rocker-Kontrollen seien schlimm, das hätten sie nicht gesehen, nichts davon gewußt. "Abwärts" sei ja keine Punk Band. Es gebe immer einige Fans, die nichts begriffen hätten und Zoff anfingen. Sie hätten auf ihrer Deutschland-Tournee kaum Probleme mit Gewalt gehabt. Sein wiederholter Sprung von der Bühne mitten in die Pogo tanzende Menge scheint ihn zu bestätigen. Gewalitätigkeiten würden von der Rechtspresse immer hochgespielt, um den Bürgern Angst zu machen vor linken Panx. Die Gewalttätigkeiten seien immer da am stärkten, wo vermeintliche Sicherheitsmaßnahmen, Polizei, Rausschmeißer, Barrieren vor der Bühne am stärksten seien. "Es wurde doch heute abend niemand verletzt, oder!", sagt er ärgerlich, weil ich weiter darüber reden will.

Es geht mir gar nicht so sehr um körperliche Gewalt, sondern um Bewußtseinsstrukturen. Nach dem Lied "Nazi Punks Fuck Off" geht ein Punk auf die Bühne und ruft zur Teilnahme am Treffen in Hannover auf, wo sich Deutschlands Panx am 18.12. versammeln wollen, um gegen ihre Kriminalisierung durch Polizeikarteien zu demonstrieren. Das finde ich gut, nicht nur Konzertkonsum, sonder politische Aktion. Und dann sagt er: "Wir werden viel Spaß haben, denn am langen Samstag wird die ganze Stadt voll sein mit kaufgeilen Spießern, und wir können so ziemlich machen, was wir wollen". Ich frage die Band, ob das nicht (unbewußt) die gleiche faschistische Haltung sei, die sie in ihrem Lied kritisiert hätten: Menschen, die auch nur Opfer des Systems sind, als Untermenschen zu betrachten. Das sei allenfalls dumm dahingeredet, meinen sie, und es gebe viel lustigere Möglichkeiten, gegen Konsumverhalten vorzugehen als mit Gewalt. Die Panx könnten sich ja alle in einer Reihe aufstellen, um mit dem Weihnachtsmann vor dem Kaufhaus zu reden. Sie seien nicht gegen Menschen, auch nicht gegen Skinheads als Menschen, sondern gegen Faschismus. Aber eine Idee kommt von einem materiellen Träger, denke ich, dem Menschen. Und es ist verdammt schwierig, das auseinander zu halten.

Ich habe das Gefühl, mich bei der Band mit meinem Problem nicht verständlich ma chen zu können. Jello sagt ständig, Punk heißt nicht, Regeln zu übernehmen von irgendwel chen Idolen, sondern denken, selber denken.

Das habe ich die ganze Zeit versucht.

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