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Der folgende Text von Peter Kratz erschien erstmalig 1989 als Broschüre der Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus und 1991 wesentlich erweitert in dem Buch "In bester Gesellschaft".
 

Siemens zum Beispiel ...
 

Die Siemens AG hat in den letzten 30 Jahren mitgeholfen, die neofaschistische Ideologie aufzupäppeln. Die Theoretiker der Neuen Rechten entwickelten Konzepte, die auf die kommenden Weltmarktinteressen des EG-Kapitals zugeschnitten sind. Die Siemens AG unterhält enge Kontakte zu Verfassungsschutzbehörden; der langjährige Geschäftsführer der Siemens-Stiftung ist ein enger Berater von Franz Schönhuber, den der Verfassungsschutz partout nicht beobachten will.

1. Siemens-Stiftung

Am 30.10.1958 wurde in München, am Stammsitz der Siemens AG, die Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung gegründet - eine Denkfabrik. Sinnigerweise trägt die Stiftung den Namen desjenigen Familienmitgliedes, das während der Nazizeit das "Haus Siemens" leitete. In wissenschaftlichen Vortragsreihen und Gesprächskreisen der Stiftung wird seit 1961 die erneute Möglichkeit eines Weltbildes rechts von der Demokratie diskutiert, die Grundlage einer politischen Praxis rechts von der Demokratie also.

Leibliche Nachkommen des Firmengründers Werner von Siemens nehmen in der Stiftung die obersten Ehrenämter ein, Unternehmensmanager der Siemens AG oder mit ihr kooperierender anderer Hightech-Unternehmen sowie Vertreter des technisch-wissenschaftlichen Know-How aus Universität/Technischer Hochschule bilden den 8-köpfigen Stiftungsrat und den 6-köpfigen Stiftungsvorstand. Karlheinz Kaske, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, ist hier ebenso mit Sitz und Stimme vertreten wie Heribert Närger, Heinz Gumin, bis zu seiner Ermordung Karl-Heinz Beckurts oder Hermann Franz, allesamt Mitglieder des Vorstandes der Siemens AG, Topmanager des Unternehmens also, oder der Aufsichtsratsvorsitzende der AG, Bernhard Plettner. In früheren Jahren waren hier die Manager Friedrich Bauer (Siemens-Schuckert-Werke AG), Hans Kerschbaum (Siemens & Halske AG), Gerd Tacke (Kaskes Vorgänger als Vorstandsvorsitzender der Siemens AG), Joachim von Oertzen (Siemens AG), Hans Ferdinand Mayer (Siemens & Halske AG), Heinz Soeschel (Siemens-Schuckert-Werke AG), Werner Kleen (Siemens AG), Siegfried Jansen (Siemens AG), Karl Siertz (Siemens AG), Wolfram Sutholt (Siemens AG), Anton Peisl (Siemens AG), Henrich Welker (Siemens AG), Hans Kaufmann (Siemens AG), Wolfgang Seelig (Siemens AG) Mitglied, neuerdings auch Reimar Lüst als Generaldirektor der European Space Agency. Den Vorsitz des Stiftungsrates führte immer ein Mitglied der Familie von Siemens, den Vorsitz des Stiftungsvorstandes führte immer ein Siemens-Manager.

2. Armin Mohler

Inhaltlich geprägt wurde die Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung durch Armin Mohler, von Beginn bis 1964 stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung, von 1964 bis vor kurzem ihr Geschäftsführer.

Mohler gilt heute als eine Graue Eminenz des bundesdeutschen Neofaschismus. In den ersten Jahren nach dem Sieg über den Nationalsozialismus ging Mohler nach dem Motto "Retten, was zu retten ist" daran, die geistigen Grundlagen des Faschismus zu sammeln, die ideologischen Wegbereiter des Nationalsozialismus von der Mitschuld an den Nazi-Verbrechen freizusprechen und die in den Fraktionsauseinandersetzungen schließlich siegreiche Hitler-Linie des deutschen Faschismus als eigentliches Abweichlertum von der Reinen Lehre einer breiteren "Deutschen Bewegung" zu brandmarken. Diese Reine Lehre sieht er von den faschistischen Intellektuellen vertreten, die unter dem Begriff "Konservative Revolution" zusammengefaßt werden. In Mohlers 1950 als Buch erschienenen Dissertation "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen" geht er wie selbstverständlich von den "Verzahnungen der 'Konservativen Revolution' mit dem politischen Geschehen nach 1933" aus und sieht die Praxis des Nationalsozialismus als einen der "politischen Verwirklichungsversuche" der "Konservativen Revolution" an (S. 11). Die Vertreter der "Konservativen Revolution", zu denen Mohler fast alle geistigen Wegbereiter des Hitler-Regimes zählt und namentlich aufführt (auch z.B. den Nazi-Chefideologen Houston Stewart Chamberlain, den obersten NS-Rassisten Hans F.K. Günther oder den Hitler-Putschisten von der Feldherrnhalle Erich Ludendorff), sind für Mohler die "'Trotzkisten' des Nationalsozialismus" (S. 12). Zur Frage des Zusammenhanges der "Konservativen Revolution" mit dem "Dritten Reich" und der "Verantwortung für den Nationalsozialismus" erklärt er kategorisch: "Es kann nicht unsere Aufgabe sein, diesen Knäuel zu entwirren und die Hauptstränge von den Nebensträngen zu sondern" (S. 17). Ein "Knäuel" also bildeten nach der Selbsteinschätzung des "konservativen Revolutionärs" Armin Mohler die völkische Bewegung, die elitären Jungkonservativen, die antikapitalistischen Nationalrevolutionäre, die Bündischen oder die Landvolkbewegung (von ihm so aufgezählt) mit der plebejisch-populistischen Massenbewegung des Nationalsozialismus. Weiter: "Die Frage, die sich hier stellen würde, wäre die, wie weit eine Theorie für eine ihr nicht entsprechende Verwirklichung verantwortlich gemacht werden kann" (S. 17 f).

Dieses ideologische Knäuel trotz des politischen und militärischen Zusammenbruchs des europäischen Faschismus am 8. Mai 1945, seiner moralischen Selbstdiskreditierung durch Auschwitz oder der Sozialpolitik des Todes (Euthanasie), seines sozialpolitischen Glaubwürdigkeitsverlustes (mit Kriegswirtschaft gegen Arbeitslosigkeit, mit Betriebs-Führern gegen die demokratische Betriebsverfassung) für die Interessen des Kapitals wieder nutzbar zu machen, stellt sich Mohler 1950 als Lebensaufgabe. Die antidemokratischen, elitären hehren Ziele der "Konservativen Revolution" sollen trotz des Skandals ihrer politischen Praxis als Herrschaftsideologie des europäischen Kapitals wiederverwendbar werden.

Nachdem er einige Zeit Privatsekretär des "konservativen Revolutionärs" Ernst Jünger war, bestimmt Mohler von Beginn der 60er Jahre an die inhaltliche Arbeit der Siemens-Stiftung im wesentlichen mit. Die Top-Manager der Siemens AG begleiten dies als Verantwortungsträger der Stiftungsorgane.

Ende der 70er Jahre ist Mohler der eifrigste Förderer der in Frankreich unter dem Namen "Nouvelle Droite" reformierten und dort bereits im konservativen Spektrum populären neofaschistischen Ideologie. In zahlreichen Büchern und Artikeln, unter anderem in dem konservativ-rechtsextremen Elite-Blatt "Criticon", macht Mohler die Ideen Alain de Benoists bekannt, des Kopfes der europäischen Neuen Rechten, dessen Diskussionszirkel in Frankreich bis weit in die Partei der Gaullisten hineinreicht. Mohler engagiert sich im "Thule Seminar", dem deutschen Ableger der "Nouvelle Droite" unter Pierre Krebs (Kassel), schreibt auch ein Vorwort zum endlich ins Deutsche übersetzten Benoist-Buch "Kulturrevolution von rechts". Krebs läßt sich später mit einem T-Shirt der militant-nationalistischen "NF" Bielefeld ablichten.

1982 erscheint im rechtsextremen Sinus-Verlag ein Reader zur "Deutschen Identität", dem Schlüsselbegriff der Neuen Rechten, der nach außen hin an die Stelle des Rassebegriffs getreten ist. Herausgegeben ist das Buch von Caspar von Schrenck-Notzing und Armin Mohler; mit den Autoren Hans-Joachim Arndt, Helmut Diwald oder Robert Hepp trifft Mohler hier alte Bekannte (Referenten nämlich) aus der Siemens-Stiftung wieder, mit Uwe Sauermann sogar einen Bundesvorsitzenden des nationalrevolutionären NPD-Studentenbundes NHB, mit dem Rechtskonservativen Klaus Motschmann den Vater des heutigen REP-Bezirksverordneten von Schöneberg (Berlin) Markus Motschmann, Sohn der Propagandistin der rassistischen "Evangelikalen", Elisabeth Motschmann, mit Robert Hepp einen der führenden Vertreter rassistischer "Ausländer-raus!"-Forderungen der Bundesrepublik. Diwald schrieb 1989 am neuen Parteiprogramm der REPs mit - "Knäuel" eben.

Auch die Dynastie der Schrenck-Notzings - man hält ja rechts so viel von "Sippe" - knäuelt mit. Das derzeitige Oberhaupt der sich bis zum Jahre 1214 zurückverfolgenden, selbsterannten Elite-Familie, Caspar von Schrenck-Notzing, ist Herausgeber der von ihm 1970 gegründeten Zeitschrift "Criticon". In ihr schreiben sowohl konservative CDU/CSU-Rechtsaußen als auch neofaschistische Vertreter der Neuen Rechten. Seit Mitte der 70er Jahre beteiligt sich Criticon an der Verbreitung der faschismusreformerischen Ideen Alain de Benoists und seiner Mitstreiter. Der Sohn des WMF- und BASF-Großaktionärs Caspar, Alexander von Schrenck-Notzing, ist Mitbegründer des noch jungen Hochschulverbandes der REPs. Caspars Großvater, Alexanders Urgroßvater, Albert von Schrenck-Notzing, war zu Beginn dieses Jahrhunderts ein herausragender Okkultist und "Parapsychologe", der in dem damaligen "Knäuel" aus Esoterik, Okkultismus, Geheimbündelei und völkischer Bewegung zu Hause war. Er hatte Verbindungen zu der späteren Ehefrau des Hitler-Putschisten Erich von Ludendorff, Mathilde Ludendorff, Gründerin der antisemitisch-rassistischen Sekte "Bund für Gotterkenntnis-Ludendorffer". Der von Albert gegründeten "Münchner psychologischen Gesellschaft" gehörten die zum Umfeld der "Konservativen Revolution" gezählten Mitbegründer der "Lebensphilosophie" Ludwig Klages und Max Scheler an. Zu Alberts engen Freunden zählte der Elektroindustrielle Geheimrat Prof. L. Graetz; Schrenck-Notzing wollte ihn dafür gewinnen, die von ihm "parapsychologisch" untersuchten Infrarot-Strahlen "zu Kontroll- und Registrierzwecken" (A. von Schrenck-Notzing, S. 24) wissenschaftlich zu erforschen und kommerziell auszubeuten - ein gar nicht mehr weltabgewandtes, sehr handfestes Vorhaben eines "Okkultisten". Das damalige okkult-esoterisch-völkische "Knäuel" entwickelte und vertrat eine ganzheitlich-kosmische Weltanschauung, die als Alternative gegen jegliche materialistische Weltanschauung gesetzt wurde, insbesondere gegen den Sozialismus. Aus einem Teil dieses "Knäuels", der okkulten, völkisch-rassistischen "Thule-Gesellschaft" heraus wurde die NSDAP gegründet - ein ebenfalls sehr handfestes Vorhaben.

Enkel Caspar brachte 1965 im rechten Seewald-Verlag das Buch "Charakterwäsche. Die amerikanische Beatzung in Deutschland und ihre Folgen" heraus, in dem er antiaufklärerisch gegen die westliche Demokratie und die Prinzipien Freiheit-Gleichheit-Solidarität zu Felde zieht, die deutscher Mystik, deutscher Innerlichkeit und deutscher Weltanschauung fremd seien und nach 1945 durch die "amerikanische Umerziehung" den eigentlichen deutschen Nationalcharakter, die "nationale Identität" der Deutschen zerstört habe. Caspar von Schrenck-Notzing und der Geschäftsführer der Siemens-Stiftung Armin Mohler sind seit langem enge politisch-weltanschauliche Weggefährten, wie ihre langjährige Zusammenarbeit bei "Criticon" oder das erwähnte Buch "Deutsche Identität" zeigen.

3. Neue Rechte

Die von ihnen geförderte neofaschistische Weltanschauung der Neuen Rechten knüpft an alle Teile des Mohlerschen "Knäuels" der "Konservativen Revolution" an. Die maßgeblichen geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus aus den 20er Jahren sind die Quellen, auf die man sich in den Büchern und Zeitschriften der Neuen Rechten um Alain de Benoist oder um das heutige deutsche "Thule-Seminar" seit den 70er Jahren beruft. Die vom "Thule-Seminar" herausgebrachten beiden Übersichtsbände "Das unvergängliche Erbe" (mit einem Beitrag von Mohler und der Creme der französischen "Nouvelle Droite", 1981 im rechtsextremen Grabert-Verlag erschienen) und "Mut zur Identität. Alternativen zum Prinzip der Gleichheit" (1988 im Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur erschienen, der der Ludendorff-Sekte nahesteht) stellen die umfassendste in deutscher Sprache verfügbare Wiedergabe der aktualisierten und europäisierten faschistischen Ideologie dar.

Auf den Kern gebracht, stellt sich die Ideologie der Neuen Rechten so dar:
Von einer antijüdischen und antichristlichen Weltanschauungskritik ausgehend werden die Ideen von Freiheit-Gleichheit-Solidarität als letztlich vorderasiatisch-semitisch und deshalb uneuropäisch abgelehnt, das Christentum als Erbe des Judentums (Gleichheit aller Menschen vor Gott), der Liberalismus als Erbe des Christentums (Gleichheit aller Menschen vor dem bürgerlichen Gesetz), der Sozialismus als Erbe des Liberalismus (zusätzlich soziale Gleichheit aller Menschen) abgelehnt. Das Prinzip der Gleichheit der Menschen mit seiner Konsequenz der Demokratie werde Europa als Fremd-Weltanschauung vor allem von den USA aufgedrängt, die seit dem Sieg über den Faschismus gemeinsam mit der UdSSR Europa kolonialisierten; die Gleichheitsidee diene heute dem US-Kapital dazu, seine Produkte in gleicher Weise überall auf einem egalitären Weltmarkt zu verkaufen. Das "System von Jalta" sei ebenso wie das damalige "Joch von Versailles" (nach dem Ersten Weltkrieg) sowohl ein Mittel kultureller Überfremdung als auch wirtschaftlicher Unterdrückung. Europa müsse sich von dieser Kolonialisierung durch "raumfremde Mächte" mit einer "Kulturrevolution von rechts", mit einem Bekenntnis zu seinen angeblich "eigenen" Werten und Anschauungen befreien. Ideologisches Instrument hierfür sei der "Befreiungsnationalismus", der eine neue wirtschaftliche (und kulturell gestützte) "Großraumordnung" Europas schaffe. Der Identität Europas entspreche eine Ideologie des Neuheidentums, aus der das Prinzip der Ungleichheit der Menschen mit seiner Konsequenz der Eliteherrschaft weniger selbsternannter Führer abgeleitet wird. Allgemein gültige Menschenrechte gebe es ebensowenig wie "die Menschheit"; vielmehr bestimmten sich Weltanschauung, Moral, Recht, soziale Position, Staatsverfassung völkisch, nach angeblichen Volksbesonderheiten ("Identitäten") je verschieden. Wenn für Israel Demokratie und Gleichheit der Menschen gut sei, dann noch lange nicht für Europa. Getrennte Entwicklung kulturell-biologischer Einheiten (Apartheid) sei zum Erhalt der jeweiligen "Identitäten" nötig, ein Zerfall der "Identitäten" führe zur Dekadenz. Angeblich ureuropäische Naturmythen begründen in der neurechten Ideologie einen radikalen Biologismus, in dem "Natur" und nicht etwa gesellschaftliche Vereinbarungen der Menschen die Geschichte bestimmen soll. Der als altgermanisch ausgegebene Glaube an das "Schicksal", das alles vorbestimme und kaum eine Entscheidungsfreiheit, sicher keine Durchlässigkeit der Gesellschaft zuläßt, prägt die Vorstellung von Gesellschaft und Staat: eine "Gemeinschaft", ein ganzheitliches Gefüge, in dem jedes Individuum seinen vorgegebenen Platz hat, an dem es sich bewähren muß (Mohler, Schrenck-Notzing oder Kaske "natürlich" oben, die Siemens-ArbeiterInnen "natürlich" unten). Dieser Staat ist antidemokratisch, eine Diktatur der angeblich wissenden Elite. Der Glaube an "Schicksal", an "kosmische Vorbestimmtheit" und das Sicheinfügen in seine "Identität" verschaffe Zugang zum "Heil", nicht etwa der Glaube an ein besseres Jenseits oder die Bemühungen um ein besseres Diesseits. Die Bedingungen der Verteilung der individuellen und völkischen "Schicksale" bleiben okkult, allenfalls über "deutsche Mystik" und eine Annäherung an "kosmisches Bewußtsein" würden sie zugänglich. Aus einem nur mystisch erfahrbaren Pantheismus, der das kosmische Göttliche in gleicher Weise in den Phänomenen der Natur und der Geschichte erkennen will, also auch in jedem menschlichen Handeln, wird die Göttlichkeit des Europäers gefolgert: "Wir handeln an Gottes Statt", so Sigrid Hunke, die herausragende deutschsprachige Ideologin der europäischen Neuen Rechten, mit ihren historischen Verbindungen zur SS. Der so konstruierte "faustische Mensch": einerseits schicksalsergeben, andererseits seine ihm je verschieden vorgegebenen Möglichkeiten mystisch wie wissenschaftlich erkundend und qua eigener Göttlichkeit in jedem Falle für die Mehrung seines Nutzens ausprobierend, fordert schließlich selbst die Evolution heraus. Die Identität des Europäers teile sich in gleicher Weise in die weltanschauliche Verankerung im Naturmystisch-Okkulten wie in die doch gerade von ihm entwickelte Technik, beides erst mache den "faustischen Menschen" aus. Seiner Identität werde der Europäer nur gerecht, wenn er die Technik auf ihrem jeweiligen Stand der Entwicklung nutze und ausschöpfe, heute also insbesondere die Hochtechnologie, die Astronomie/Weltraumforschung und die Gentechnik.

Im Prinzip ist diese weltanschauliche Basis des Faschismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Ideologen wie Paul de Lagarde (nur scheinbar romantisch-zivilisationskritisch) oder Houston Stewart Chamberlain (der von den Fortschritten der europäischen Zivilisation ebenso begeistert war wie von Goethes "Faust") bereits vollständig ausgearbeitet. Die Neue Rechte der 70er/80er Jahre bringt im Vergleich z.B. zu Chamberlains Hauptwert "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (1899) lediglich Aktualisierungen, die die alte Ideologie den neuen Problemen und den Elite-Zielen am Ende des 20. Jahrhunderts anpassen. So leistet sie dieselbe Aufgabe für die 90er Jahre, die die Vertreter der "Konservativen Revolution" für die 20er Jahre leisteten.

Vier Zitate aus dem "Thule-Seminar"-Buch "Mut zur Identität" :
"Es ist...wichtig, zumal sich unsere Götter nun im Kosmos befinden, diese europäische techno-wissenschaftliche Kultur mit der Eroberung des Weltraums fortzusetzen, die für die Europäer ferner den Schlüssel zu ihrer strategischen und militärischen Unabhängigkeit bildet" (S. 250). "Der faustisch gewordene europäische Mensch überschreitet durch die Wissenschaft und die Technik, was alle Zivilisationen - das Judao-Christentum inbegriffen - nicht zu verletzen wagten, nämlich die offenbare Ordnung der Natur" (S. 245). "Da virtuell nicht die 'Geschichte', sondern die Techno-Wissenschaft die Verlängerung der natürlichen Evolution ist, wäre es dann denkbar, daß die Europäer, sich hierbei von den anderen Völkern unterscheidend, die göttliche Kühnheit zeigen, die Technik - ihre Technik - zu benutzen, um eine steigende Selbstmodifizierung zu vollziehen, was Nietzsche metaphorisch als den Marsch zum Übermenschen bezeichnete?"(S. 256). "Worum handelt es sich? Um die Tatsache, daß die Völker, die die künftige Techno-Wissenschaft fest in die Hand nehmen, sich vor allem durch die Beherrschung der Genetik und der zugehörigen Wissenschaften die Möglichkeit zu einer Selbstmutation geben werden mit allen Gefahren, aber auch mit allen Möglichkeiten, die diese Wette bzw. Wagnis beinhaltet. Anstatt vereinheitlichend und einebnend zu sein, wird die Techno-Wissenschaft den Völkern, die sich ihr hinzugeben wagen, als das wichtigste Mittel erscheinen, ihre Verschiedenheit gegenüber den anderen zu behaupten und zu gestalten - wird gewissermaßen die differenzierende Logik der natürlichen Evolution ablösen" (S. 257).

So schreibt es Guillaume Faye, die Nummer Zwei der französischen "Nouvelle Droite" hinter Alain de Benoist. Erscheint diese Vision, die Europäer mit Hilfe der Gentechnologie zu einer neuen Herrenrasse aufzublasen, auch vorerst als phantastische Übertreibung, so macht der Bezug der Neuen Rechten auf Hightech und Gentechnik für das EG-Kapital Sinn.

Die "Nouvelle Droite" konnte in Frankreich einen großen Einfluß auf die rechtskonservative Intelligenz gewinnen und schließlich sogar Personen ihres Umfelds als Minister in das Kabinett Chirac schicken. Populistische Vereinfachungen hievten Le Pen und seine neofaschistische Partei Front National, mit der Schönhuber und seine REPs gern zusammenarbeiten, auf eine stabile politische Position. Der französische Antifaschismus hat es durch intensive Arbeit geschafft, das faschistische Wesen der "Nouvelle Droite" herauszustellen und Le Pen, dessen zweites "e" in Sprühparolen oft als Hakenkreuz erscheint, als das zu branntmarken, was er tatsächlich ist: eine modernisierte Nazi-Option des Kapitals.

4. Aus dem Stiftungs-Programm

1985 erschien eine von Armin Mohler zusammengestellte Dokumentation "Fünfundzwanzig Jahre Carl Friedrich von Siemens Stiftung", die eine Auflistung der Veranstaltungen der Stiftung seit ihrer Gründung enthält. Hieraus wird ersichtlich, daß die Siemens-Stiftung seit dem Beginn der 60er Jahre alle Komponenten des "faustischen Menschen" darstellen und behandeln ließ, daß immer die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse und Anschauungen auf ihre Brauchbarkeit für eine Reform der altrechten Ideologie abgeklopft wurden. Von den jeweils konkreten Anknüpfungspunkten abstrahiert und auf die Ebene des Wesentlichen gebracht, erscheint Mohlers Auflistung wie ein moderner Querschnitt durch die Themen von Chamberlains "Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Es finden sich Darstellungen "konservativer Revolutionäre" wie Oswald Spengler, es findet sich die Diskussion von Elite-Konzeptionen, die Darstellung neuheidnischer "Heils"-Wege (Okkultismus, "Parapsychologie", die historische "Thule-Gesellschaft", europäische Urmythen), biologistische Ausführungen, Betrachtungen zu einer ganzheitlichen Ethik, zum "Schicksal", für einen Elektrokonzern interessante neueste naturwissenschaftliche Ergebnisse, Astronomie und Hightech-Weltraumforschung, die naturwissenschaftlichen Grundlagen "kosmischen Bewußtseins", Gentechnik, völkische Betrachtungen und Stammesgeschichte, die Konzeption des "Europa der Vaterländer" (ein ursprünglich von der Waffen-SS herkommendes, von De Gaulle lediglich adaptiertes Konzept des nationalistischen, ethnopluralistischen Europa), der europäisch-amerikanische Konfikt, "abendländische" Kunst im Sinne Chamberlains oder Überlegungen zum "Ernstfall", dem diktatorischen Ausnahmezustand im Sinne des Nazi-Kronjuristen Carl Schmitt. Auch populistische Übersetzungen faschistisch-intellektueller Theorie wie das Thema des angeblichen Aussterbens der Deutschen fehlen nicht. Die Referentenliste seit 1961 ist, wo sie keine Technik-Wissenschaftler aufweist, ein kleines "Who is Who" der Neuen Rechten in den 80er/90er Jahren: Karl Steinbuch, Otto Habsburg, Konrad Lorenz, Eibl-Eibesfeld, Helmut Diwald, Peter Berglar (Humboldt-Gesellschaft, Opus Dei), Bodo Scheurig (ein Publizist aus dem nationalrevolutionären rechtsneutralistischen Umfeld), Hermann Lübbe, Günter Bartsch (aus der nationalrevolutionären Szene), der Carl-Schmitt-Apologet Julien Freund (über den faschistischen Vordenker Georges Sorel), Hans-Jürgen Eysenck (der ein Vorwort in dem Thule/Grabert-Buch "Das unvergängliche Erbe" schrieb), Bernhard Willms, Robert Hepp, Christa Meves, Peter Hofstätter (der 1941 die Judenselektion mit damals neuen psychologisch-statistischen Methoden rationalisieren wollte), Ernst Nolte (der hier bereits 1980 den Historikerstreit beginnt), der Carl-Schmitt-Apologet Helmut Quaritsch, Hans-Joachim Arndt.

Helmut Diwald ist 1989 am Entwurf des Parteiprogramms der REPs beteiligt. Konrad Lorenz und sein Schüler Eibl-Eibesfeld sind die modernen, scheinbar unverdächtigen Quellen für den Biologismus Alain de Benoists und der gesamten "rassistischen Internationale" (Billig), weil man ja den Nazi-Rassisten Hans F.K. Günther nicht mehr offen zitieren kann. Günter Bartsch ist der herausragende Insider-Kenner der nationalrevolutionären Szene der 70er/80er Jahre in der Bundesrepublik. Julien Freund ist Vordenker der Neuen Rechten, schreibt z.B. in der Thule-Seminar-Zeitschrift "Elemente" mit Pierre Krebs, Benoist, Hunke, Faye (über Carl Schmitt; Benois über den 20er-Jahre-"Jungkonservativen" Moeller van den Bruck, Hunke über Neuheidentum usw.). In der von Quaritsch mit herausgegebenen Zeitschrift "Der Staat" läßt sich Freund über die Möglichkeiten einer Amnestie für NS-Verbrecher aus - als "ein politischer und kein ethischer Akt, genauso wie Soldaten ins Gefecht ziehen", als "Preis für den Normalzustand" (S. 187/189) und als "Ausnahmezustand" im Sinne Schmitts. Quaritsch selbst lobhudelte z.B. in seiner Zeitschrift anläßlich einer Buchbesprechung der "Festgabe für Carl Schmitt zum 80. Geburtstag" Julien Freund; bei der Gelegenheit ließ er sich über Schmitts Vortrag "Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfreie Mächte" aus, Begriffe der Zeit des Nazi-Weltkrieges, die z.B. das Europa-Programm der NPD heute wieder aufgreift. Der "Normalzustand" ist für diese Ideologen der, den Ernst Nolte mit der Entsorgung deutscher Geschichte im Historikerstreit herbeiführen wollte.

Inhalte dieser unter Beteiligung der Siemens-Top-Manager abgelaufenen "Fünfundzwanzig Jahre Carl Friedrich von Siemens Stiftung" finden sich in den genannten Thule-Seminar-Büchern als Grundlage des Neofaschismus wieder.

So wie Le Pen der Populist der "Nouvelle Droite", ist der REP-Chef Franz Schönhuber der Populist ihres deutschen Ablegers, der Neuen Rechten. Armin Mohler zählt zu den engsten Beratern Schönhubers, er ist seit Anfang an "dabei". Am 26./27. November 1983 gründete sich in München die Partei "Die Republikaner". Am 7. Dezember 1983 gründete sich ein Gremium namens "Deutschlandrat", in dem extremistische Intellektuelle die Ideologie der Neuen Rechten auf ein massenpolitisch brauchbares und wählbares Niveau herunterkonkretisierten. Teilnehmer: Franz Schönhuber, Armin Mohler, Hellmut Diwald, Hans-Joachim Arndt, Robert Hepp, Bernhard Willms und Wolfgang Seiffert, fast alle Referenten der Siemens-Stiftung. Ihr in "Criticon" veröffentlichter Aufruf meint: "Wir wollen wieder eine normale Nation sein". Den Namen "Deutschlandrat" übernahm man von einer Einrichtung der nationalrevolutionären rechtsneutralistischen Gruppen der 50er Jahre um den Publizisten Wolf Schenke, wie die meisten seiner damaligen Mitstreiter ein ehemaliger HJ-/SA-Funktionär, also dem "konservativ-revolutionären" Flügel innerhalb der NSDAP angehörig.

In Schrenck-Notzings "Criticon" schrieb Mohler (November/Dezember 1981, S. 284) eine Rezension des Schönhuber-Waffen-SS-Buches "Ich war dabei". Mohler: "Dieses Buch ist ein Markstein in der wechselvollen Geschichte der deutschen Vergangenheitsbewältigung", weil Schönhuber "sein Leben im Dritten Reich nicht als geheimen Widerstand oder als ohnmächtiges Erleben des Bösen, sondern als summa summarum freudiges Mitmachen schildert...Es handelt sich wohlverstanden nicht um eine Apologie des Dritten Reiches, sondern um das Geständnis, daß diese Zeit wie jede andere Gutes und Schlechtes unmittelbar nebeneinander enthielt, und zwar nicht nur am Rande, sondern auch mitten in den NS-Organisationen. ... Ein Buch, aus dem man mehr über die Wirklichkeit des Dritten Reiches erfährt als aus ganzen Stapeln von Bewältigungsliteratur...In 'republikanischem' Elan erlebt er (Schönhuber, P.K.) das Dritte Reich als die erste deutsche Gesellschaftsform, in der man aus der Schicht der kleinen Leute aufsteigen konnte, wenn man nur begabt und leistungsbewußt war...Kennzeichnend auch, daß die spezifische NS-Utopie, die einer nach dem Sieg durchzuführenden 'zweiten Revolution', durch Schönhubers Erinnerung geistert".

Mit dem letzten Satz spielt Mohler auf die Utopie der "Konservativen Revolutionäre" an.

Niemand wundert sich mehr, daß der Leiter der Landeskommission für Wirtschaft der REPs in Berlin, W. Bogen, auch stellvertretender Vorsitzender der Berliner Elektroindustrie war - Siemens ist der größte Elektrobetrieb in Berlin.

Warum läßt eines der größten elektrotechnischen Unternehmen der EG (nach Umsatz das zweitgrößte Metallunternehmen Westeuropas, nach Beschäftigtenzahl das größte; nach Umsatz das fünftgrößte Industrieunternehmen des EG-Binnenmarktes; nach Umsatz der zweitgrößte Computer-Anbieter in Europa, hinter IBM) die von ihm finanziell und personell unterstützte und kontrollierte Denkfabrik nach Inhalten neofaschistischer Ideologie ausrichten, ja sogar: diese Ideologie mitentwickeln?

5. Wirtschaftliche Interessen

In den nächsten Jahrzehnten werden etliche industrielle Schwellenländer die Fertigprodukte selbst herstellen und billiger auf den Weltmarkt werfen, von denen das EG-Kapital vor zwanzig Jahren noch lebte. Eine Umstellung Europas ist nötig. Als Ziel ist das Hochtechnologie-Monopol angepeilt, weil das EG-Kapital hier einen uneinholbaren Vorsprung vor den regionalen Kapitalien der Trikont-Länder sieht. Gegen die Produktionspreise der Billiglohnländer kommt das EG-Kapital nicht an. Eine seiner Zeitschriften, das "Industriemagazin", brachte im April 1989 einen "High-Tech Report" als Sonderheft heraus, der eine Lösung des Problems in der EDV-Durchstrukturierung der Produktionsprozesse sieht: "Höchste Automation contra Billiglöhne", computergesteuerte Fertigungsprozesse, in die in den nächsten Jahren Milliarden DM investiert werden. Als mögliche High-Tech-Konkurrenten sind lediglich das japanische und das US-Kapital zu fürchten. Der Wettlauf um den 64-Megabit-Chip, den Computer-Superchip, ist in vollem Gange. Nach Meinung des Wissenschaftlers Ingolf Ruge, seit 20 Jahren (und über die Regierungen hinweg) Berater des Bonner Forschungsministeriums, wird der Superchip als industrieller Rohstoff in zehn Jahren die Stellung einnehmen, die das Erdöl vor zehn Jahren hatte: Ziel des EG-Kapitals muß es also sein, ihn konkurrenzlos zu verkaufen. Im Wettlauf um dieses Weltmonopol sind nach Ruge (SPIEGEL-Interview, Nr. 17/1989) nur noch die EG und Japan auf aussichtsreichen Positionen. "Die Chips werden künftig, anstelle des Rohöls, der alles entscheidende Rohstoff sein...Wenn die Japaner allein die Hand auf der Mikroelektronik haben, können sie natürlich letztlich auch einer Weltfirma wie BMW die Technik diktieren. Wollen Sie das?" Die Japaner (von Ruge im Stil des Nazi-Antisemitismus als hinterlistige asiatische Dämonen beschrieben: "Das Ziel der Japaner - die haben ja ein Ziel, die haben ja für alles Ziele - ist das Weltmonopol für Chips...Ich halte die Japaner für noch schlauer, als wir ohnehin schon glauben") hätten einen entscheidenden Vorteil: "Es stört den Stolz und das Selbstverständnis der Japaner, irgendwo abhängig zu sein...Der Erfolg der Japaner liegt einmal in ihrem Fleiß, in ihrer Sorgfalt, in ihrem Nationalbewußtsein, zum anderen aber in ihrem System der engen Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft. Davon können wir nur lernen." Preußische Sekundärtugenden, nationale Identität und faschistische Planwirtschaft - Faktoren, die die Zeitschrift "Criticon" bereits Mitte der 70er Jahre in einem Bericht über die französische "Nouvelle Droite" als die zentralen Punkte von deren Diskussionspapier "Frankreich in Europa" herausstellte.

Neben der Computertechnologie und - schon wieder weniger historisch als noch vor Jahren - der "faustischen" Atomindustrie (Siemens als Hersteller von Atomkraftwerken und Atombrennstoffen !) ist es vor allem die Biotechnologie, von der sich das EG-Kapital den Aufstieg zur Nummer 1 in der Welt erhofft. Nach einem Bericht der IG Metall-Zeitung "metall" vom 25.8.89 ist man in der Brüsseler EG-Bürokratie davon überzeugt, die Biotechnologie werde zur "Schlüsselindustrie, von der angeblich Europas Wohlstand abhängt". Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Carl Hahn, vertrat bei einem Vortrag des Gesprächskreises "Wirtschaft und Politik" der Friedrich-Ebert-Stiftung am 13.10.1988 die Meinung, die Biotechnologie sei "die neue Zukunftsindustrie, die revolutionär ist und die Welt bereits verändert".

Als den Hauptgrund für die DaimlerBenz-MBB-Fusion nannte der Vorstandsvorsitzende der DaimlerBenz AG Edzard Reuter immer wieder den Aufbau einer europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie.

Wie praktisch, daß für die Absicherung der Weltmarkt-Pläne des EG-Kapitals in den Köpfen der Menschen bereits der ideologische Überbau, das Mohlersche "Knäuel", bereitsteht: Die "eigene" europäische Identität gegen die japanische und die US-amerikanische; der biologistische Kampf ums Dasein mit dem Recht des Stärkeren, ethisch als Handeln an Gottes Statt abgesichert; die Notwendigkeit der Befreiung von "Amerikanismus" und asiatischer Überfremdung, diesen "raumfremden Mächten", die man schon in der Unterhaltungselektronik als populistische Variante der Hightech erkennt; der "faustische Mensch", der nicht vor der Atomkraft und schließlich auch nicht vor der Gentechnik erschaudert, sondern die Wette des Dr. Faustus mit dem Satan willig einzugehen bereit ist. Auch für den "Ernstfall" als dem diktatorischen "Ausnahmezustand" ist vorgesorgt. Damit die Massen nicht ihre dem EG-Kapital-Weltherrschafts-Wahn entgegenstehenden Interessen einfordern können, wird der Staat elitär, ganzheitlich-organisch verfaßt. Kämpfe um Interessen sind nicht mehr legitim, nur noch okkultes "Schicksal".

Sigrid Hunke, bundesdeutsche Chefideologin der "Neuen Rechten" vom "Thule-Seminar" und auch in dem zitierten Buch "Mut zur Identität" mit einem Grundsatzartikel vertreten (vgl. 3.), war bis Herbst 1988 fast 20 Jahre lang Vize- und Ehrenpräsidentin der neuheidnischen Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft", in der sich nach 1945 Anhänger und enge Mitarbeiter des NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg zusammenfanden. Der heutige Präsident der Sekte, Horst Prem, ist als Ingenieur in der geheimen Entwicklungsabteilung des Waffen- und Weltrumkonzerns Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) in Ottobrunn tätig. Alles nur Zufall? Der Onkel des DaimlerBenz-MBB-Fusionörs Edzard Reuter, Otto Sigfrid Reuter, war trotz seiner jüdischen Abstammung vor 1933 Chef einer völkisch-rassistischen, "deutschgläubig"-neuheidnischen Bewegung - es ist ja nicht die Linke, die so viel Wert auf Sippe legt!

Die neofaschistische Ideologie der Neuen Rechten paßt exakt zu den Interessen des EG-Kapitals am Ende dieses Jahrhunderts. Gibt es eine bessere Erklärung für das Aufpäppeln des Neofaschismus durch die Siemens-Stiftung?

Die Hochtechnologie-Entwicklungen kosten Milliarden DM an Investitionen. Milliarden für den Airbus, für die Europäische Weltraumagentur, Milliarden für Jessi und den Superchip. Sie kommen überwiegend als staatliche Subventionen aus den Steuergeldern der EG-Bürger oder aus den Gewinnen der Konzerne. Das Geld muß erst mal beschafft werden. Zum Beispiel durch Senkung der Unternehmenssteuern, zum Beispiel durch Senkung der öffentlichen Ausgaben für Soziales. Die soziale Einsparungspolitk der Konservativen heißt z.B.: Die Industrie hat an der Facharbeiterausbildung gespart, viele Arbeitsplätze für Facharbeiter sind nicht besetzbar. Trotzdem werden die Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeit für Umschulungsmaßnahmen bei Langzeitarbeitslosen gekürzt. Die Langzeitarbeitslosen können also die freien Arbeitsplätze mangels Qualifikation nicht besetzen. Aber es stehen ja schon Massen von DDR-Übersiedlern bereit, die als qualifizierte Facharbeiter nach kurzer Eingewöhung das Problem viel billiger lösen. Die auf der Strecke Gebliebenen folgen mangels linker Perspektive den Ausländer-raus-Parolen der REPs. Die Gewerkschaften schließlich, so will es Schönhuber laut REP-Parteiprogramm durchsetzen, wenn er erst mal stark genug ist und der soziale Flügel der Konservativen nicht mehr auf ihn verzichten kann, die letzten Linken fallen dann der Repression anheim, wie die Gegner der Atomkraft und der Gentechnologie heute schon. Die Faschismus-Spirale schlägt alle Fliegen mit einer Klappe.

Die Siemens AG profitiert von dieser Spirale. Um als Teil des EG-Kapitals auf dem Weltmarkt mithalten zu können, schmiedet ihr Vorstandsvorsitzender Karlheinz Kaske zur Zeit einen schlagkräftigen Konzern. Sein Kollege Hermann Franz im April 1989 zum "Industriemagazin": "In fünf Jahren wird Siemens ein anderes Unternehmen sein und in Europa eines der aggressivsten". Dann geht es los gegen die "raumfremden Mächte", mit einem neu erstrakten "Wir-Gefühl": Was der Nationalismus für die schon historischen nationalen Kapitalien leistete, bringt heute der Euro-Chauvinismus für das mit dem Binnenmarkt ab 1993 zum Platzen starke EG-Kapital.

Auf dem Weltmarkt herrscht der Kampf ums Dasein, der Schwächere wird weggeputzt, notfalls mit Gewalt.

6. Verfassungsschutz

Die Spitzen der Verfassungsschutzbehörden weigern sich beharrlich, die REPs als rechtsextremistisch einzustufen und zu beobachten. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Gerhard Boeden (früher Leiter der Abteilung Terrorismus beim Bundeskriminalamt) sagte am 23.7.89 in dem inzwischen Kapital-eigenen Boulevardblatt BILD AM SONNTAG: "Die Republikaner sind für mich derzeit noch Radikale. Doch: Wenn der Zulauf von NPD und DVU zunimmt, dann werden sie in zwei Jahren rechtsextrem sein. Dann werden sie Herrn Schönhuber aus seinem Amt als Vorsitzenden verdrängen". Solange aber Mohler-Spezi "Herr Schönhuber" im REP-Boot sitzt, läßt der Verfassungsschutzpräsident es nicht untergehen.

Wie die IG Metall bekannt machte, überwachen die Verfassungsschutzbehörden im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium die ArbeitnehmerInnen etlicher Großunternehmen. Dies geschieht ohne gesetzliche Grundlage, teilweise den Bestimmungen des Grundgesetzes widersprechend. Bei der Siemens AG in München wurden, nach einem Urteil des Münchner Arbeitsgerichtes gesetzwidrig, Neueinstellungen nur nach einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz vorgenommen. Der Hamburger Verfassungsschutzpräsident Christian Lochte bekannte am 19.1.1988 in der Süddeutschen Zeitung offen, daß derartige Massenüberprüfungen "der politischen Selektion" dienten, weil es Sabotageaktionen (die offizielle Begründung für die Schnüffelpraxis gegen Linke) so gut wie gar nicht gebe. Der bayrische Verfassungsschutzpräsident Hubert Mehler machte in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 21.1.1988 deutlich, um welchen "Sabotage"-Begriff es eigentlich geht: "Sabotage von innen kommt häufiger vor als öffentlich bekannt wird". Dabei brauche nicht grundsätzlich von "extremistischer Gesinnung" ausgegangen zu werden. Der subtilere Weg sei vielmehr der, "durch Kampfparolen Unzufriedenheit in der Belegschaft zu schüren". Die Gewerkschafter erscheinen als die Saboteure. Die Einschüchterung der Gewerkschafter wäre ein Ziel dieses Verfassungsschützers, der von ihm partout nicht beobachteten REPs und der Siemes AG, die durch eine rege Zusammenarbeit über Regelanfragen als Auftraggeber des Verfassungsschützers auftritt.

Wer könnte ernsthaft vom Verfassungsschutz verlangen, die politischen und ideologischen Interessenvertreter seiner Auftraggeber zu überwachen, wo doch diese Auftraggeber gerade erst jahrelang, mühevoll und mit erst anfänglichem Erfolg diese Interessenvertreter durch den Einsatz von Geld und Personal in ihren Denkfabriken aufgebaut haben?

Mitgearbeitet am neuen "Parteiprogramm 1990" der REPs hat auch Klaus Hartel, Amtmann im Kölner Bundesmt für Verfassungsschutz (DER SPIEGEL, Nr. 48/1989). Der Bundesnachrichtendienst BND wurde sogar schon von der Großindustrie finanziell gesponsert: zur RAF-Terroristen-Jagd; allerdings wurde die Geldspende Ende der 70er Jahre von Flick organisiert (DER SPIEGEL, 11.11.1985).

7. Tradition

Die gute Zusammenarbeit des Siemens-Konzerns mit aktuellen faschistischen Regimes wie Pinochets Chile, das Brasilien der Militärs (in Sachen Atom) oder Salazars und Caetanos Portugal (Cabora-Bassa-Staudamm-Kraftwerk in der damaligen Kolonie Mosambik) stehen nicht allein als Praxis neben der Theorie in der Siemens-Stiftung. Die amerikanischen Sieger über den Faschismus schrieben in "OMGUS: Ermittlungen gegen die DEUTSCHE BANK" (Nördlingen 1985, S. 124): "Die Firma Siemens war (im Hitler-Deutschland, P.K.) nach den IG Farben und den Vereinigten Stahlwerken der drittgrößte Industriekonzern in Deutschland. Sie war das größte elektrotechnische Unternehmen Europas und das zweitgrößte auf der Welt" - zur Zeit der "Neuordnung Europas" durch die Faschisten. "1937 waren 85% der Produktionskapazität für die Herstellung von Erzeugnissen eingesetzt, die direkt oder indirekt mit der Wiederaufrüstung zusammenhingen, und während des Krieges ging ein noch größerer Teil der Produktion von Siemens in die Rüstung" (ebd.).

Georg Siemens, ein Neffe des Firmengründers Werner Siemens, beteiligte sich im Jahre 1870 an der Gründung der Deutschen Bank und wurde ihr oberster Leiter. Ab 1893 war die Deutsche Bank Hauptbank der Firma Siemens. Carl Friedrich von Siemens, Namensgeber der von Mohler geleiteten Stiftung, Konzernchef von 1919 bis 1941, war Anfang 1938 Mitglied im Aufsichtsrat und dem wichtigen "Arbeitsausschuß" der Deutschen Bank, sein Nachfolger Hermann von Siemens ebenfalls. Die damalige "Siemens-Studiengesellschaft für parapsychologische Wissenschaften e.V." veranstaltete 1933 den "Siemens-Lehrgang suggestive Redekunst" (Bad Homburg 1933) - reich bebildert mit dem als Vorbild ausgegebenen italienischen Faschisten-Führer Mussolini: "Mussolini in einer großen Rede für den Weltfrieden". Peter Ferdinand Koch (1988) dokumentiert eine Rechnung der SS-eigenen "Deutschen Ausrüstungs-Werke", Filiale Auschwitz, an die Siemens-Werke (S. 216). Er nennt unter den Industrieunternehmen, die KZ-Häftlingslöhne abzuführen hatten, auch Siemens (S. 88): "Das jeweilige KZ berechnete die Tagessätze der KZ-Arbeiter den jeweiligen Firmen, die direkt auf das Konto des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes bei der Reichsbank überwiesen" - Teil der faschistischen Planwirtschaft, "Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft", vgl. 5. Zum "Freundeskreis Reichführer SS" zählt Koch auch Siemens (S. 30): "Jährlich wurde ab 1936 eine Million Reichsmark als 'Spende' deklariert an Heinrich Himmler abgeführt", neben Deutscher Bank oder Flick zahlte auch Siemens.

F.C. Delius schreibt in seinem bekannten, zensierten Buch "Unsere Siemens-Welt" (Berlin 1982; Erstauflage 1972): "Dem 'Freundeskreis der NSDAP' und späteren Keppler-Kreisgehörte der führende Siemens-Mann Rudolf Bingel an; außerdem der mit Carl F. (d.i. Carl Friedrich von Siemens, Namensgeber der von Mohler geleiteten Stiftung, P.K.) eng befreundete Albert Vögler. Erst im Oktober 1931 und weit weg von der deutschen Öffentlichkeit, in New York, vor amerikanischen Industriellen, gab Carl F. von Siemens seine Ansicht 'vertraulich und rückhaltlos' bekannt. Er sprach sich gegen den relativ gewerkschaftsfreundlichen Kurs Brünings aus, gegen Tarifrecht und Sozialpolitik. Er erkannte die Bekämpfung des Sozialismus als das Hauptziel der NSDAP und gab zu erkennen, was ihn, den liberalen Unternehmer, mit Hitler verband: 'Hitler hat seine wirklichen Anhänger zu starker Disziplin erzogen, um revolutionäre Bewegungen des Kommunismus zu verhindern'. Siemens lobte die NSDAP als ein ideelles Bollwerk gegen die materialistischen Bestrebungen und setzte Vertrauen in Hitlers Legalitätspolitik, der er die kommunistische Revolutionsdrohung entgegenstellte, obwohl er als Realpolitiker von der Zerstrittenheit der Arbeiterbewegung wußte...Nach dem Stimmenrückgang der NSDAP bei den Wahlen vom November 1932 schrieben die führenden Unternehmer einen Brief an den Reichspräsidenten Hindenburg. Sie begrüßten, 'durchdrungen von heißer Liebe zum deutschen Volk und Vaterland', die nationale Bewegung und empfahlen, das Parlament aufzulösen und die Leitung der Regierung 'an den Führer der größten nationalen Gruppe' zu übertragen. Zu den vorgesehenen Unterzeichnern gehörte, als einer der wenigen Vertreter der (damals noch, P.K.) liberalen Elektro- und Chemieindustrie, auch Siemens. Die Weichen für die Machtergreifung waren gestellt" (S. 24f). Zur faschistischen Planwirtschaft, die die "Neue Rechte" in Schrenck-Notzings "Criticon" wieder vorschlug (vgl. 5.), gehört auch dies: "So berief Hitler 17 führende Industrie- und Parteivertreter in einen 'Generalrat der deutschen Wirtschaft', in dem neben Siemens auch Krupp, Thyssen, Vögler und Bosch saßen" (S. 25). "Zur direkten Unterstützung der Parteiaufgaben richtete man die 'Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft' ein, an die auch das Haus Siemens jährlich etliche Millionen abführte" (S. 26). Delius berichtet, daß mindestens neun Siemens-Vorstände den Titel eines "Wehrwirtschaftsführers" trugen. Weiter: "Wie andere große Konzerne hatte auch Siemens mehrere Firmen-Lager, die oft mit KZs verwechselt urden. So beherbergte das Lager Berlin-Haselhorst etwa 2.500 Menschen, darunter Kinder von 10 bis 14 Jahren, meist Ausländer. Den Häftlingen ging es nicht wesentlich schlechter als bei andern Firmen, sie verrichteten schwerste Arbeiten und konnten oft nur mit verfaulten Nahrungsmitteln durchgebracht werden. Jeden Monat wurden die jeweils 100 Schwächsten zwecks anderweitiger Verwendung ins KZ Sachsenhausen überführt" (S. 29).

Ende 1989 erscheint in großen deutschen Illustrierten und Zeitungen die Anzeige der Siemens AG: "Siemens. Problemloser Anschluß hat manche Karriere begründet. Wer wachsen will, muß sich an Größere halten. Denn von Größeren bekommt man oft Dinge, die für die eigene Entwicklung von größtem Vorteil sind". Die Anzeige bezieht sich auf PCs.

Literatur

Alleau, René: Hitler et les sociétés secrètes, Paris 1969
Benoist, Alain de: Kulturrevolution von rechts, Krefeld 1984
Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, 18. Auflage 1934 (1899)
Delius, F.C.: Unsere Siemens-Welt, Berlin 1982
Gerson, Werner: Le Nazisme, société secrète, Paris 1969
Koch, P.F. (Hg.): Himmlers Graue Eminenz - Oswald Pohl und das Wirtschaftverwaltungshauptmt der SS,
Hamburg 1988
Krebs, Pierre (Hrsg.): Das unvergängliche Erbe, Tübingen 1981
ders. (Hrsg.): Mut zur Identität, Struckum 1988
Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland, Stuttgart 1950
Mohler, Armin und Caspar von Schrenck-Notzing: Deutsche Identität, Krefeld 1981
Mohler, Armin: Fünfundzwanzig Jahre Carl Friedrich von Siemes Stiftung, München 1985
OMGUS: Ermittlungen gegen die Deutsche Bank, Nördlingen 1985
Schrenck-Notzing, Freiherr Albert von: Grundfragen der Parapsychologie, zweite Aufl. Stuttgart 1962 (1929)
Siemens-Lehrgang Suggestive Redekunst, Bad Homburg 1933
Zeitschrift Der Staat, 10. Band, Berlin 1971

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