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Der folgende Text von Peter Kratz erschien im Oktober 1988
unter seinem Pseudonym in der "Tageszeitung" (taz).
 

Der rechtsextreme Sektenprediger Hubertus Mynarek:
 

Vom Antisemitismus
zur "Ökologischen Religion"
 
Von Alois Pfreimdt

Den neuen sozialen Bewegungen wird des öfteren Antijudaismus vor geworfen, wenn Radikalfeministinnen die letzte Begründung des Patriarchats in der Gottesvorstellung des Alten Testaments suchen oder wenn Öko-Ideologen das "Macht Euch die Erde untertan" zum Beginn der Umweltzerstörung stilisieren. Im breiten Feld des New Age, so zeigt das kürzlich erschienene Buch "Mutter Erde, Magie und Politik - Zwischen Faschismus und neuer Gesellschaft" (Verlag für Gesellschaftskritik Wien) auf, ist ein breiter Rückgriff auf antisemitische und faschistische Ariosophen, Theosophen und Esoteriker im Gange.

Die beiden österreichischen Autoren Eduard Gugenberger und Roman Schweidlenka präsentieren mit zahlreichen Details ideologische und personelle Verbingungen zwischen Spiritualismus und historischen Faschismus und Neofaschismus. Auf die "Thule-Gesellschaft" der 20er Jahre mit Rudolf Heß, Gottfried Feder und Karl Haushofer späteren NSDAP-Größen wird ebenso hingewiesen wie auf den Germanen- und Matriarchatsforscher Hermann Wirth, der später mit Himmler und der SS das "Deutsche Ahnenerbe" gründete. Die Autoren berichten vom Antisemitismus der Blavatsky, die als New Age-Klassikerin des letzten Jahrhunderts heute in keinem Esoterik-Buchladen fehlt. Zwei aktuelle Beispiele aus dem zahlreich zusammengetragenen Material: In den "Worpsweder Kreis", der die Creme der New Age-Verleger umfaßt, wurde auch ein Anhänger Wirths aufgenommen, da der NS-Germanenforscher in der europäischen "Indianer- Szene" als "Schamane" ureuropäischer Naturreligion gilt. Der renomierte New Age-Verlag Bauer (Freiburg) verlegt auch Runen- und Naturreligion-Bücher bekannter Rechtsextremisten wie des Chefs der verboteten "Volkssozialistischen Bewegung", Werner Kosbab.

Die Diskussion um den Antisemitismus in den neuen sozialen Bewegungen hat die Grünen zu einem Kongreß vom 4. bis 6. November 1988 in Frankfurt veranlaßt.

Bereits im September beschäftigte sich die "9. Landesweite Konferenz der antifaschistischen Initiativen und Organisationen Nordrhein-Westfalen" schwerpunktmäßig mit New Age und Neofaschismus. Die Konferenz wird u.a. getragen vom Landesvorstand NRW der Grünen, den Landesverbänden der Jungdemokraten und der VVN/BdA, der Landesschülervertretung NRW, dem Landesverband Ruhr Westfalen der SDAJ, dem Bezirk Ruhr-Westfalen der DKP, örtlichen Juso- Und Falken-Gruppen sowie zahlreichen lokalen Antifa-Initiativen.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand der Schöpfer der "Ökologischen Religion", Hubertus Mynarek, der in einschlägigen Esoterik-Lexika dem New Age zugerechnet wird. Einstmals Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft "Christen in den Grünen", untersagte ihm inzwischen die nordrhein-westfälische Landes-AG der grünen Christen jegliche Verwendung ihres Namens. Mynarek tritt heute vor allem als Referent an Volkshochschulen auf, wo er zu ökologischen und naturreligiösen Themen spricht. Die "Landesweite Konferenz" schloß sich der Kritik seiner Thesen an und verurteilte auch die Solidarität, die dem als "rechtsextremer Sektenprediger" bezeichneten inzwischen von Prominenten zuteil wird.

Dem Religionswissenschaftler wird vorgeworfen, die Natur als göttliche Macht auszugeben, die bis in die Politik hinein wirke und dort mit Hilfe der Anhänger Mynareks als einer neuen Herrenrasse einen organisch-hierarchisch gegliederten ökologischen Gottesstaat errichten wolle. Tatsächlich schreibt er in seinem Hauptwerk "Ökologische Religion" (1986), der "ökoreligiöse Mensch" stehe auf der Evolutionsleiter bereits eine Stufe über den anderen Menschen und verwirkliche dort den göttlichen Evolutionsplan, der in der Schaffung einer der Natur angemessenen Staatsform auch politisch angelegt sei; insbesondere der "technisch-utilitaristische Mensch" erreiche dagegen nicht "seinen eigentlichen Wert" als Mensch und sei als "Irrläufer der Evolution" im Kampf ums Dasein dem Untergang geweiht.

Bei näherem Hinsehen, so Mynareks Kritiker, erweise sich der "technisch-utilitaristische" Mensch als der "judaisierte" Mensch der völkisch-germanischen Ideologie: der im jüdisch-christlichen Weltbild wurzelnde "westliche Mensch", den heute der öko-bewegte Bannstrahl treffe, sich "die Erde untertan" machen zu wollen.

Und tatsächlich: Mynarek bekennt sich ausdrücklich zur Denktradition völkischer und nationalsozialistischer Sekten, die bereits vor Jahrzehnten dem "Judaochristentum" die Mißachtung der Natur vorwarfen: es habe in seinem Gottesbegriff Gott und Welt, Geist und Natur voneinander getrennt und lediglich das Geistige verehrt; durch die christliche Missionierung seien die Mittel- und Nordeuropäer ihrer ursprünglichen religiösen Verbundenheit mit der Natur entfremdet worden; die geistige Weltherrschaft des Judentums zeige sich in der gleichmacherischen und zerstörerischen zivilisierten Gesellschaft.

So beruft sich Mynarek z. B. auf den antisemitischen NS-Agitator Wilhelm Hauer, der 1934 in seinem Buch "Deutscher Gottschau" dem Christentum wie dem Judentum wegen ihrer gemeinsamen "vorderasiatisch-semitischen" Herkunft als "Fremdreligionen" einen "unerbittlichen Kampf bis zum Sieg" ankündigte. Dagegen predigte er einen angeblich vererbten "artgemäßen, aus dem schaffenden Grunde westindogermanischen Blutes" entstandenen Glauben, der wie bei den alten Germanen die Natur als göttlich achte und die "eigene" Religion der "germanischen Rasse" sei. Hauer vertrat seine völkisch-rassistische Einschätzung der jüdischen und christlichen Religionen bis weit in die 60er Jahre hinein. Für Mynarek ist sie heute "die Grundlage einer andersartigen, eben nichtchristlichen Lebensgestaltung" in Mitteleuropa; wegen ihr rühmt er Hauer als "eine der bedeutendsten Größen der Religionswissenschaft des 20. Jahrhunderts". Hauer war Führer der NS-Sekte "Deutsche Glaubensbewegung", die zeitweise als die inoffizielle Religionsgemeinschaft der SA- und HJ-Kader galt. Die Sekte ging nach 1945 in die "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft" (DUR) auf, eine von dem ehemaligen SA-Dichter Herbert Böhme gegründete völkisch-rassistische Sekte. Böhme stand mit dem von ihm ebenfalls begründeten "Deutschen Kulturwerkes Europäischen Geistes" (DKEG) bis zu seinem Lebensende als Rechtsextremist im Verfassungsschutzbericht. Neben Hauer beruft sich die DUR-Sekte u.a. auch auf den Nazi-Biologen Hans F. K. Günther, dessen Bücher nach 1945 immer wieder im Sektenorgan "Glaube und Tat" (heutetarische blätter") angepriesen wurden. Langjähriger Redakteur dieses Organs war bis vor wenigen Jahren der Mitbegründer der "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung", Fritz Castagne. Die "unitarischen blätter" verbreiteten dann auch in den 80ern religiös begründete "Ausländer Raus!"-Parolen.

Mynarek, der mehrfach in den "unitarischen blättern" publizierte, bei der Sekte Vorträge hält und sogar in ihrem Auftrag ein "Ethik-Buch" für ihre Jugendarbeit schrieb, bekennt sich auch offen zur antisemitischen religiösen Tradition der Unitarier-Ehrenpräsidentin Sigrid Hunke. Die rechtsextreme Religionswissenschaftlerin, die sich inzwischen der "Neuen Rechten" um Alain de Benoist ("Nouvelle Ecole") und Pierre Krebs ("Thule-Seminar") angeschlossen hat, ist mit Hauer und anderen Ideologen "Deutscher Religion" der Ansicht, der "jüdische Dualismus" als Trennung von Gott und Welt sei die eigentliche Ursache alles Schlechten, von der "Spaltung der Volksgemeinschaft in Arbeit und Kapital" bis zur ökologischen Krise. Wie Hauer vertritt sie eine pantheistische, biologisch-rassistisch begründete "eigene" Religion Mittel-und Nordeuropas, die den Nordeuropäer als "gottförmig" und seine Taten als "Handeln an Gottes Statt" ansieht. Wie die gesamte "Neue Rechte" sieht sie die Demokratie als biblisch-jüdisch, die Menschenrechte als mosaisch, dagegen als original indogermanisch den Führerstaat an. Hunke ist Trägerin des "Schiller-Preises" des DKEG.

Mynarek wird vorgeworfen, die ideologischen Schuldzuweisungen an Juden- und Christentum als Grundlage seiner "Ökologischen Religion" übernommen zu haben; seine Hauptpositionen unterschieden sich über weite Strecken in nichts von der Hunkeschen "eigenen europäischen Religion", mit der sich selbst Auschwitz als "Handeln an Gottes Statt" rechtfertigen lasse. Und er bekennt auch selbst: "Sigrid Hunke ist eine anerkannte Religionswissenschaftlerin, bei der kein Grund besteht, sie nicht zu zitieren"; sie habe den Weg aus der religiösen Krise aufgezeigt. Für ihn spielt es keine Rolle, daß Hunke neben ihrem Engagement als herausragende Ideologin der "Neuen Rechten" auch alte Wurzeln im Faschismus hat: ihre Promotion betreute 1940 der SS-Rassepsychologe L.F. Clauss; sie selbst bezieht sich darin häufig positiv auf das SS-Organ "Das Schwarze Korps". Heute publiziert sie mit Vorliebe in der neurechten Zeitschrift "elemente", die vom Bundesinnenminister als "völkisch-elitär" eingestuft wird.

Nach solchen Bekenntnissen Mynareks ist für dessen Kritiker klar: mit dem "technisch-utilitaristischen Menschen" als "Irrläufer der Evolution" ohne "eigentlichen Wert" sei in Wirklichkeit der minderwertige Ewige Jude als Sündenbock für alles Übel der Welt gemeint; der "ökoreligiöse Mensch", nach Mynarek "Sinn der Erde, Sinn der Evolution", sei dagegen niemand anderes als der arische Herrenmensch.

Nach Meinung der nordrhein-westfälischen Antifaschistischen Konferenz wäre es ein Fehler, solche Ideologen als einflußlose Spinner abzutun. Mynarek steht keineswegs isoliert da. Angriffe auf ihn kontert er heute mit Solidaritätsadressen Prominenter: vom Vorsitzenden des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Hubert Weinzierl, über den Präsidenten der Internationalen Vereinigung für religiöse Freiheit (IARF), Dieter Gehrmann, bis zum früheren Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Christen in den Grünen, Hermann Benz, stellen sich Personen des öffentlichen Lebens vor den "Ökologischen Theologen". In der "Koordinationrländer gegen Atomraketen" dauert eine heftige Kontroverse um einen Solidaritätsartikel für Mynarek in der diesjährigen Ostermarsch-Zeitung an. Der dortige Pfarrer Karl Lambert steht an der Spitze einer Handvoll evangelischer Pastoren im Südwesten, die allerdings z.T. sogar die indogermanische Blut-und-Boden-Ideologie Hauers als seriöse "Indologie" verteidigen. Ossip K. Flechtheim, selbst Jude, weist den Antisemitismusvorwurf gegen "meinen Freund Hubertus" und sein Umfeld ebenso zurück wie die Freireligiösen Landesgemeinden Baden (Körperschaft des öffentlichen Rechts), die in ihrem amtlichen Organ "Freie Religion" einen mehrteiligen Rechtfertigungsartikel Mynareks druckten. Darin bekennt sich dieser noch einmal zur Denktradition Hauers und Hunkes und hält die Kritik an ihm für "primitive Argumentationsweise linkssektiererischer Grüppchen". Bereits andernorts hatte er seine Kritiker als "Psychopathen" und "Kranke" bezeichnet und den "Christen in den Grünen" unterstellt, von der "Z-Fraktion" beherrscht zu sein.

Dagegen kann Mynarek an der Volkshochschule der Bundeshauptstadt Bonn aufgrund wiederholter Proteste der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" bis auf weiteres nicht mehr auftreten.

Angesichts eines manifesten Antisemitismus in der bundesdeutschen Bevölkerung, die nach jüngsten Meinungsumfragen zu einem Drittel einen jüdischen Mitbürger als Bundeskanzler "generell" ablehnen würde, ist der gedankenlose Umgang mit ideologischem Antijudaismus in den neuen sozialen Bewegungen in der Tat eine größere Diskussion wert. Die genannten Prominenten sind von der Antifaschismus-Konferenz NRW inzwischen zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Die Diskussion um die "Ökologische Religion" und ihr Umfeld wird auch auf dem Antisemitismus-Kongreß der Grünen fortgesetzt werden.

(Oktober 1988)
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