Hinter den Kroko-Tränchen
ein freundliches Augenzwinkern:
 
 Bundestagspräsident Thierse empfing langjährigen Nazi-Sekten-Funktionär
zum Plausch
 
Allgemein bekannte Briefbombendrohung eines Sektenfunktionärs
gegen Antifaschisten hinderte Thierse nicht ---
Vorher schon durften Nachfolger der Alfred-Rosenberg-Fraktion der NSDAP im Willy-Brandt-Haus tagen ---
SPD-Oberbürgermeister von Darmstadt sagte nach Protesten Veranstaltung mit Nazi-Sekten-Ideologin ab

Vor ausländischen Fernsehteams legen Repräsentanten der BR Deutschland Kränze für die Opfer von Neonazi-Gewalt nieder, doch in rechten Publikationen kann man anderes lesen. Wer ein bißchen im Internet surft, findet "neuheidnische" Sekten, die in der Nachfolge des Nazi-"Kirchenkampfes" stehen, sich dessen rühm(t)en und heute stolz erzählen, wie sie von der SPD-Prominenz hofiert werden. Jetzt wurde bekannt, daß Bundestagspräsident Wolfgang Thierse schon im April 2000 zwei Funktionäre des einschlägig rechts außen bekannten "Dachverbandes freier Weltanschauungsgemeinschaften" (DFW) freundlich empfangen hatte. Der DFW sammelte (noch unter seinem alten Namen "Deutscher Volksbund für Geistesfreiheit") nach 1945 die geistig heimatlos gewordenen Anhänger der "religiösen" Fraktion der NSDAP um den Nazi-Chefideologen Alfred Rosenberg und der militant antisemitischen und antichristlichen "Deutschen Glaubensbewegung" des SS-Mitglieds Wilhelm Hauer auf. Diese Nazi-Tradition ist offenbar ungebrochen. Die beiden Herren, mit denen Thierse parlierte, sind DFW-Präsident Volker Mueller, auch Vize-Präsident der von Hauer 1956 gegründeten "Freien Akademie" (FA), und DFW-Vize Horst Prem, langjähriger Präsident der Nazi-Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e.V." (DUR), die mit der FA eng zusammenarbeitet und sich selbst auf Hauers "Deutsche Glaubensbewegung" der 30er Jahre zurückführt.

Es sei in dem Gespräch mit Thierse um die "Gewissens- und Geistesfreiheit" gegangen, meldet der DFW im Internet und behauptet, "ca. 70 000 Mitglieder" zu haben und "Interessenvertreter eines Drittels der bundesdeutschen Bevölkerung" zu sein. Doch zu den bundesweiten Treffen der größten Mitgliedsverbände des DFW - DUR und die Freireligiösen, die 1933 Alfred Rosenberg zu einem der ihren zählten - kommen jeweils nur ein paar Hundert Ewiggestrige; die übrigen neun "Mitgliedsorganisationen" bestehen jeweils aus nur wenigen Personen, die z. T. zugleich bei DUR oder Freireligiösen mitwirken. "Herr Thierse ermutigte den DFW", meldet der DFW, "Fragen der Gewissens- und Geistesfreiheit ... zu thematisieren".

Adolf Eichmanns Vorgesetzter als "Wegweiser"

Um wessen "Geistesfreiheit" es sich dreht, zeigt das Beispiel des Thierse-Gesprächspartners Horst Prem, dem heutigen DUR-Vertreter im DFW. Er war von 1977 bis 1990 Präsident der DUR, einer Organisation, für die der Mitbegründer der SS-nahen "Deutschen Glaubensbewegung" und Stammvater der DUR Rudolf Walbaum nach 1945 Gleichgesinnte warb, und zwar in den Internierungslagern für hohe Nazi-Funkionäre. Zu den späteren DUR-Führern zählen der vormalige Chefredakteur der "Nationalistischen Monatshefte" (Herausgeber: Rosenberg) und Chef der Abteilung für "Juden- und Freimaurerfragen" im NSDAP-"Amt Rosenberg" Eberhard Achterberg, der unter Prems DUR-Präsidentschaft als "Leiter des Geistigen Rates" zum religiösen Führer der Sekte wurde; oder der von Himmler und Heydrich persönlich für die SS angeworbene Albert Hartl, der im Reichssicherheitshauptamt Vorgesetzter von Adolf Eichmann war, am Nazi-Euthanasieprogramm maßgeblich beteiligt war, innerhalb der DUR weiter die Euthanasie propagierte und von Prem 1982 im Nachruf zum "Wegweiser" der DUR erklärte wurde; oder die Ideologin der "Neuen Rechten" Sigrid Hunke, die 1941 bei dem SS-"Rassepsychologen" Ludwig Ferdinand Clauß promovierte und später die Ideen Rosenbergs ins Nachkriegsdeutsch übersetzte, die als international bekannte Rechtsextremistin vom Kopf des europäischen Neofaschismus Alain de Benoist in dem Buch "Heide sein" breit rezipiert wird und von Prem 1985 zur "Ehrenpräsidentin" der DUR ernannt wurde: "Liebe Frau Dr. Hunke, Sie haben diese geistigen Strömungen, die für uns so wichtig sind, in systematischer Arbeit aufbereitet"; Hunkes Nazismus-Revision sei die "Richtschnur" der DUR, so Prem.

Ausländer machen aggressiv

Prem trug als DUR-Präsident die politische Verantwortung für die ausländerfeindliche Hetze der DUR-Monatszeitschrift "unitarische blätter", in der z.B. 1982 die "Erbanlagengemeinschaft" der Deutschen beschworen und beklagt wurde: "Im städtischen Park hört man schon kein deutsches Wort mehr", "eine fremdvölkische soziale Unterschicht" mache sich breit. Daß Nazis im städtischen Park von Dessau einen Schwarzen erschlugen, erscheint konsequent, nachdem der Bundestagspräsident den Repräsentanten einer solchen ideologischen Vorfeldorganisation nazistischer Gewalttaten kurz vorher empfangen hatte. Denn gerade unter Prems Regie wurden in der DUR Grundlagen für die militante Verfolgung von Ausländern gepflegt: "Die Orientalisierung und Afrikanisierung unseres Landes macht mich zusehends trauriger und aggressiver", stand 1982 in den "unitarischen blättern". Man wolle sich doch als "Teil meines Glaubens ... in meiner Enkelgeneration sowohl im Aussehen als auch im Wesen, im Charakter wie im Empfingen noch wiedererkennen" können; deshalb müßten die meisten Ausländer raus, nur solche "nord- bzw. mitteleuropäischer Herkunft" dürften im Ausnahmefall bleiben, schrieb ein Autor in der Zeitschrift der Sekte; "ich gebe daher - ohne Ressentiment - zu, daß ich die Ausländer in ihrer Masse hier nicht will". Ein anderer DUR-Autor unter Prems Präsidentschaft: "Die parlamentarische Demokratie dürfte vor ihre Existenzfrage gestellt sein, wenn sie ihr letztes Fundament, das der nationalen Homogenität im Sinne der volklichen Homogenität, aufgibt." Klare Worte für Parlamentspräsident Thierse, der im Nazi-Terror-Jahr 2000 dem für diese Hetzpropaganda politisch Verantwortlichen freundlich die Hand reichte.

Briefbombendrohung gegen Antifaschisten

In den 60er, 70er und 80er Jahren kandidierten führende DUR-Funktionäre für NPD, REPs und die lokale "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung", die sie z.T. mitbegründet hatten. In den 80er und 90er Jahren beherbergte die DUR in ihrem "Haus der Deutschen Unitarier" in Hamburg den nazistischen "Freundeskreis Filmkunst e. V." aus dem Umfeld Jürgen Riegers und die rechtsextremistische "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Zur Aggressionspropaganda der DUR gegen vermeintliche Volksfeinde zählt auch die Aufforderung des langjährigen DUR-Jugendfunktionärs Henning Hraban Ramm, die er 1999 über das Internet verbreitete: Antifaschisten doch einfach Briefbomben zu schicken! "Hraban", wie er noch im September 2000 auf den DUR-Internetseiten liebevoll genannt wird, ist Sproß einer DUR-Funktionärsfamilie (Vater Micha Ramm leitete bis vor kurzem den Verlag der Sekte, Mutter Irmgard schreibt in den "unitarischen blättern") und sollte 1999 auf dem "Unitariertag" als Nachwuchskraft der Sekte groß rauskommen. Lange Zeit führte er den "Bund Deutsch-Unitarischer Jugendlicher" (BDUJ). Das Ermittlungsverfahren gegen Ramm stellte die Staatsanwaltschaft ein, denn es seien ja wohl "nur" Internet-Briefbomben gemeint gewesen. Gewalttäter können sich sicher fühlen in Deutschland, solange der Bundestagspräsident ihre Paten empfängt.

Prems "Wettstreit": Nazi-Religion gegen Grundgesetz

In einem wirren Artikel, den man erst vor dem Nazi-Hintergrund der DUR richtig verstehen kann, forderte Thierses heutiger Gesprächspartner Horst Prem 1989 in den "unitarischen blättern" einen "Wettstreit" der Grundwerte der DUR mit denen des Grundgesetzes. Dieser "Wettstreit" sei in den KZs der Nazis "vergessen" worden und deshalb hätte die SS z.B. im KZ Dachau "den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht", so Prem.

Nachdem wir den Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages informiert hatten, daß Prem beruflich als Diplom-Ingenieur die hoch geheime Forschungs- und Entwicklungsabteilung des (auch für die Bundeswehr und die NATO tätigen) Rüstungsunternehmens MBB (später DASA, EADS) leitete und durch seine gleichzeitige Tätigkeit für eine nazistische Sekte möglicherweise Verteidigungsinteressen betroffen seien, mußte Prem auf Druck seines Arbeitgebers die DUR-Präsidentschaft aufgeben und ins Zweite Glied der Sekte treten. Mehrere Klagen vor Gericht gegen Antifaschisten, bei denen Prem z.T. selbst vor Gericht auftrat, verloren die DUR und ihr Präsident. Zum Thema "Geistesfreiheit" erklärten DUR-Vertreter, die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes werde von Antifaschisten doch nur "mißbraucht". Doch das Obelandesgericht Köln befand 1991 unsere Kritik an Prems Dachau-Äußerung durchaus akzeptabel. Das Landgericht Berlin urteilte 1990, daß in der DUR "bis in die jüngste Vergangenheit in maßgeblichen Positionen solche Personen tätig waren, die eben nationalsozialistisches Gedankengut vertreten haben"; das Urteil wurde vom Kammergericht bestätigt. Nach mehreren rechtskräftigen Gerichtsurteilen darf die DUR als "Nazi-Sekte", als "nazistische Tarnorganisation" und als "völkisch-rassistische Sekte" bezeichnet werden, die "aus dem Nazi-Kirchenkampf entstanden" sei - offenbar die richtigen Gesprächspartner über "Geistesfreiheit" für Thierse, der auch SPD-Vize ist. In dieser Funktion hatte er schon im Oktober 1999 ein Grußwort abgegeben, als der DFW - man mag es gar nicht glauben, aber der Dachverband dieser Alfred-Rosenberg-Nachfolger wirbt damit - sein 50-jähriges Bestehen ausgerechnet im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD, feiern durfte.

Volk immer noch ohne Raum

DFW-Präsident Mueller, den Thierse im April 2000 gemeinsam mit Prem empfing, ist auch Vize-Präsident der "Freie Akademie" (FA), einer Nazi-Denkfabrik, die der Gründer der "Deutschen Glaubensbewegung" und SS-Mann Wilhelm Hauer 1956 mit etlichen Freunden aus der vormaligen Rosenberg-Fraktion der NSDAP gegründet hatte. Die führenden FA-Leute waren oft auch in der DUR aktiv und umgekehrt. Zu den "Ehrenmitgliedern" der FA gehört bis heute der Mitbegründer der "Glaubensbewegung" Lothar Stengel-von Rutkowski, als SS-Hauptsturmführer im Rasse- und Siedlungsamt der SS Thüringen ein enger Mitarbeiter des in Nürnberg als Kriegsverbrecher hingerichteten Fritz Sauckel und ein Freund und Biograph des obersten Nazi-Rassisten Hans F.K. Günther (für "Rasse-Günthers" Bücher warb die DUR noch in den 60ern), bevor er viel später im SPD-regierten Hessen Leiter eines staatlichen Gesundheitsamtes wurde.

Auf ihrer web-site wirbt die FA im September 2000 für die Schriften bekannter rechtsextremer Ideologen, wie Werner-Georg Haverbeck (rassistisches "Heidelberger Manifest" gegen Ausländer von 1981), Hubertus Mynarek (er hält politische Gegner für "Irrläufer der Evolution") und immer wieder die Alt- und Neofaschistin, langjährige FA-Geschäftsführerin und Hauer-Biographin Margarete Dierks, die in ihrer Dissertation 1937 forderte, Deutschland von den Juden zu säubern.

Der SPD-Oberbürgermeister von Darmstadt, Peter Benz, wollte im August 2000 mit seiner langjährigen Bekannten Dierks eine öffentliche Veranstaltung abhalten. Als Antifaschisten gegen den Auftritt der "Nazi-Autorin" protestierten, die in den 50er Jahren sogar vom Verfassungsschutz beobachtet worden war, erklärte Dierks - verwöhnt von der SPD und deshalb ungeniert ehrlich - gegenüber der Presse, selbstverständlich habe sie sich immer für "Charakter, Leben und Werk" der "nach 1945 verfemten" Nazi-Dichter eingesetzt und nannte Hans Grimm ("Volk ohne Raum") und Hans Baumann (Dichter des Hitler-Jugend-Liedes "Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt") namentlich, "warum sollte ich nicht?". Nach dem krokodilstränenreichen Sommertheater der SPD-Prominenz um die Opfer des Neonazismus konnte der SPD-OB von Darmstadt nun nicht mehr anders, als die Veranstaltung mit Dierks zähneknirschend abzusagen.                                                   (September 2000)
 

Im heute aktuellen Logo der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft e.V. überschneiden sich Lebens- und Todesrune der Nazis. Das DUR-Zeichen entspricht auch der Rune vom Totenkopfring der SS und vom Jul-Leuchter der SS:

 

Lebens- und Todesrunen werden von Nazis als Zeichen für Geburt und Tod auf Grabsteinen und in Todesanzeigen verwendet (beide Beispiele aus der Zeitschrift "glaube und tat" der DUR):

 
 
 
 

Die Neonazi-Gruppe "Skinheads Sächsische Schweiz" posiert mit den Runen für das Nachrichtenmagazin "Focus" (Nr. 41/2000, S. 116):

 
 

Die Runen werden international von Neonazis benutzt. Die englische antifachistische Zeitschrift "Searchlight" brachte im Juli 2000 dieses Foto des "leading US nazi William Pierce, who has inspired a generation of nazi terrorists" vor einem Versammlungshaus der Neonazis, an dessen Fassade die Lebensrune prangt:

 
 

Die DUR-Jugendorganisation BDUJ hat die Runen auf ihrem Wimpel  nachempfunden:

 

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