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In Berlin regiert jetzt die "Neue Rechte" mit:

Anti-Antifa-Kultur
 
Vorarbeiter der Volkskultur ist der PDS-Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl
 

(Dieser Artikel von Peter Kratz erschien in KONKRET Nr. 3/2002 unter dem Titel "Im Dienst der Volkskultur".)

Die PDS hat noch viel vor mit Deutschland. Im Februar 2002 traf sich ihre Parteivorsitzende Gabi Zimmer mit Nationalrevolutionären um Tilman Fichter zu einer programmatischen Debatte in der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Die Linke habe "die Nation" bisher "als ein Stiefkind behandelt", obwohl doch bereits "die Herbstlosung von 1989 das Gegenteil bestätigte: 'Wir sind ein Volk!'" Die "Frage der Nation" sei wieder aufgeworfen, "gerade auch für die Formulierung neuer, alternativer Politikansätze, wie sie die PDS für sich in Anspruch nimmt". Die Opfer der neuen Sparpolitik werden mit Ideologie gefüttert. Für Berlins PDS-Kultursenator Thomas Flierl ist das Brandenburger Tor ein "nationales Symbol", das nicht durch Event-Kultur "entwertet" werden dürfe. Und auf dem Berliner Schloßplatz sieht er die Chance, die wirtschaftlich darbende Nation wenigstens mit einem kulturellen Burgfrieden zu versöhnen; hier solle sowohl die "Erinnerung an das verlorene Stadtschloß" der Hohenzollern-Kaiser "als auch an die kulturelle Nutzung des Palastes der Republik" bewahrt werden. Auch Wirtschaftssenator Gregor Gysi kennt fortan keine Parteien mehr: Eine neue Hauptstadt-Kultur solle gleich "das ganze Land nach oben ziehen". Die Idee ist ebenfalls von Flierl; wen sie bedroht, wurde klar, als die "Berliner Seiten" der FAZ im Januar seine Wahl zum Kultursenator feierten: "Ein Glücksfall für Berlin".

Flierl ist Kulturwissenschaftler. Die "Kulturwissenschaft" war eine DDR-Besonderheit und diente auch als Refugium derer, die sich im Westen "Neue Rechte" nannten. Hier kam allerlei Volk zusammen, das vermeintliche Arbeitertraditionen, wie etwa Trachtenvereine oder Sonnwendfeiern, pflegen und politisch nutzbar machen wollte, bei wackeren Kommunisten jedoch aufgeklärtes Mißtrauen hervorrief und deshalb ideologische Turnübungen im Geiste Vater Jahns vollführte. Dasselbe kennt man im Westen z. B. vom Nationalrevolutionär Henning Eichberg und seinem Bemühen, dem sozialistischen, ökonomischen Begriff der Entfremdung einen bürgerlichen, völkisch-kulturellen entgegenzusetzen. Aus Elementen deutscher Unkultur bastelten auch "Kulturwissenschaftler" der DDR Brücken zwischen Nation und Sozialismus und orientierten sich eher am Mief kaiserzeitlicher Gesangvereine als an der Frechheit kommunistischer Avantgarde-Kultur. Der dem völkischen Brauchtum aufgesetzte Marxismus war nach 1989 leicht abzutakeln; übrig blieben konservative Kulturkritik, Antiamerikanismus, Heimatgefühl, germanische Naturreligion, kurz: der im Westen schon bekannte "Antikapitalismus" der Kulturfaschisten, die in Herbert Marcuses Salon zu glauben gelernt hatten, nunmehr links zu sein.

(Klein-) Bürgerliche "Linke"

Genau dafür steht Thomas Flierl, dessen alte DDR-Dissertation von Kritik an der westlichen "Kulturwarenproduktion" nur so strotzt und der dem "Tagesspiegel" nun stolz verriet, jedenfalls Marcuses Sohn persönlich zu kennen. Der FAZ sagte er: "Die Linke, der ich angehöre, ist Teil der bürgerlichen Kultur"; er vertrete "östliche Bildungsschichten" mit "Anknüpfungspunkten zum Bildungsbürgertum". Das Blatt präsentierte ihn folglich und freudig als konservativen Revolutionär und politischen "Aktionskünstler", quasi als Rembrandt-Deutschen, dessen Politik im Sinne Julius Langbehns ein deutsches Kunstwerk ist, "Mittel und Ziel einer Bürger-Selbstermächtigung eigener Art", deren Vision schon die völkische Bewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts beseelte.

Die Realität dieser Ermächtigung ist seitdem immer dieselbe. Vor zehn Jahren zum Beispiel wickelte Flierl den Antifaschismus ab, "reibungslos" und "ohne Rücksicht auf die eigene Wählerklientel", wie die FAZ jetzt lobend hervorhob. Als Kulturdezernent des Stadtbezirks Prenzlauer Berg zerstörte er das erst 1986 eröffnete kommunale Museum "Traditionskabinett Antifaschistischer Widerstand in Prenzlauer Berg". Es war Teil des Thälmann-Parks gewesen (eines Stadterneuerungsprojektes mit Wohnhäusern, Kultureinrichtungen und dem Thälmann-Denkmal) und hatte neben der politischen und rassischen Verfolgung im Stadtbezirk den dortigen, überwiegend kommunistisch geführten Widerstand gegen die Nazis und den Kampf exilierter "Prenzlberger" in den Internationalen Brigaden des spanischen Bürgerkriegs dokumentiert. Die Zerstörung der ständigen Gedenkausstellung durch Flierl erfolgte schrittweise, Teile wurden gänzlich vernichtet und landeten wohl auf dem Müll, private Leihgeber konnten nur einige wenige Originalstücke rechtzeitig retten.

In dem Buch "Mythos Antifaschismus" von 1992 begründete Flierl sein Vorgehen: Das Museum sei "exemplarisch" für den "staatserhaltenden antifaschistischen Mythos" der DDR gewesen, der immer noch "im Thälmann-Denkmal inkarniert" sei. Im Keller habe das Ministerium für Staatssicherheit sogar "einen operativen Stützpunkt" unterhalten; alles zusammen habe nur dem Machterhalt der SED-Clique gedient (der Flierl freilich bis 1989 als Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur selbst angehörte). Um die Stoßrichtung seiner eifernden Tiraden zu verdeutlichen, ließ er die "Schwurhand von Buchenwald" auf den Titel des Buches drucken, das er auf Kosten des Bezirks im Stasi-Bewältigungsverlag von Christoph Links herausbrachte. "Grotesk" und "absurd" sei die Arbeit der Widerstands-Veteranen im Thälmann-Park gewesen, den Flierl insgesamt zur "kulturellen Drohung gegenüber der sich entfaltenden Szene vom Prenzlauer Berg" erklärte. Noch 1990 hätten die Widerständler frech versucht, hier eine zentrale Berliner Mahn- und Gedenkstätte gegen den Faschismus zu errichten. Doch dann kam Flierl, und der verstand die Zerstörung des Antifa-Traditionskabinetts und die Umwandlung des Hauses in ein "Heimatmuseum" als exemplarischen Umgang mit dem kommunistischen Erbe.

Faschismus nur noch Mythos

Flierls Freund und Lehrmeister Horst Groschopp, ebenfalls "Kulturwissenschaftler" und Mitarbeiter des DDR-Kulturministeriums und durch sein Buch "Zwischen Bierabend und Bildungsverein. Zur Kulturarbeit in der deutschen Arbeiterbewegung vor 1914" ein ausgewiesener Fachmann für den altdeutschen Stammtisch, bekam nun vom Kulturamt den Auftrag, im gewendeten "Heimatmuseum" eine Ausstellung über die Geschichte der Berliner Freireligiösen vorzubereiten. Groschopp war Chef des Berliner "Humanistischen Verbandes Deutschlands" (HVD), in dem sich Flierl und seine Lebensgefährtin Carola Freundl (stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus; späterer Name: Carola Bluhm) als Vorstandsmitglieder engagierten. Der HVD versteht sich als Erbe der Freireligiösen, die selbst Teil der völkischen Bewegung der Kaiserzeit waren und ihre Hochzeit zur Führerzeit hatten, als sie Adolf Hitler zum Gott ausriefen; auch manche Ideen, Riten und Feiern des HVD erinnern an die germanentümelnde Weltanschauung der "Deutschgläubigen" (vgl. die Artikel "Führer unser" in "Konkret" Nr. 1/1998 und "Deckname Humanismus" in "Konkret" Nr. 7/2001).

Die Alternative zum antifaschistischen Traditionskabinett sollte freilich noch nicht allzu deutlich werden, und so sparte die von Flierl angeregte und von Groschopp konzipierte Ausstellung die Zeit von 1933 bis 1945 aus der Geschichte der Freireligiösen und "Humanisten" kurzerhand aus. Statt dessen wurde die Nazi-Sekte als Teil der Arbeiterbewegung des Stadtbezirks präsentiert. Wer jedoch mühselig den Fußnoten im Ausstellungskatalog nachging und die zugrunde liegende Freireligiösen-Literatur aus Bibliotheken beschaffte, erkannte leicht den großen Schritt weg vom Gedenken an die Opfer des Faschismus hin zur Verherrlichung seiner Vordenker, den das Museum seit Flierls Machtergreifung gegangen war. Im Katalog des Kulturamts berief man sich sogar auf einen bekennenden Nationalsozialisten, der die Schriften Alfred Rosenbergs als Teil der eigenen "freigeistigen Kultur" vorstellte.

In der so "Szene vom Prenzlauer Berg", die nun keine Drohung mit Thälmann-Traditionen mehr zu fürchten hat, flanieren heute Nazi-Glatzen und sprühen "Zecken-Opa, wir kriegen Dich!" an Hauswände. Und Ruhe ist eingekehrt vor den großen Sozialetatkürzungen.

(2002)

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