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(Zu einer Veranstaltung der Redaktion Bahamas in der Berliner Traditionsgaststätte "Max und Moritz" im November 2004 und zu dem Bahamas-Text "In memoriam Theo van Gogh", der Topoi des Antisemitismus in den Antiislamismus überführt: Die Bedrohung kommt wieder aus dem Ghetto, sie wird wieder mit Sexualängsten unterlegt, im Ghetto wohnt allerdings diesmal die Chiffre "Marokkaner", und wieder ist es ein Mord, der ihr Fanal sein soll. Die fremdelnde Bahamas-Sekte, der zum Pogrom die Macht fehlt, tagte im "Max und Moritz" als geschlossene Gesellschaft hinter Milchglasscheiben; Kritikern wurde der Zutritt verwehrt.)
 

Bürgerliche Aufklärung, kleinbürgerliche Radikalität:
 

"Bahamas? Nächste Ausfahrt rechts!"
 

MAX und MORITZ, lärmend in den Hinterhof rennend:
Mutta, Mutta! Onkel Theo hat uns uffjeklärt!
MUTTER, aus dem Fenster des Seitenflügels
- Zwee Treppm! -
kreischend:
Um Jottes Willen, Kiiiiinda! Doch wohl hoffentlick nüch im Wiiiiesenjrund!
NACHBAR vom Gartenhaus (immer hilfsbereit, gibt der türkischen Familie unter ihm Tipps für den Hartz-VI-Fragebogen, lebt selbst von Stütze, hat aber seltsame Antikmöbel in der Einraumwohnung --- HAUSMEISTERSFRAU wirft, zum Publikum gewandt, maulend ein: Wo der det allet her hat, wa! In sei'm een'n Berlina Zimma! Na, is ja ooch schon dritte Jeneration im Kiez. Weeß icke?! Bestimmt, staccato: Nee - ick - weeß - nüscht. Abgang.),
also NACHBAR zur MUTTER:
Keene Sorje, Frau Krause, nur de Semiten jrapschen de Kinda hinta de Büsche an!
- das wissen die Zuschauer bereits von Maxens und Moritzens GROSSVATER (stumme Rolle), der sich schweigend aus Julius Streichers "Der Stürmer" selbst aufklärte -
un der Theo ist durch 'n' durch 'n Deitscha, wa, grölt: der alte Rocka!, die Faust aus dem Fenster reckend, weiter grölend: Rock'n'Roooool'n'durch'n'duuuurch, haha.
MUTTER, übern Hof zum NACHBARN:
Ja wenn Siiiie det saren, Herr Jebbels, Siiiie vertrau ick ja!
Nachbar, rechte Hand am Kinn, Zeigerfinger winkend, langsam, wichtig, wissend sprechend:
Der Theo hat sojar rausjefund'n, dat der Prophet von de Semiten, wa, een jewissa Mecka, oder heeßt der hochdeitsch Mecker, wie Berlina-Berliner, dat der Prophet de Jören heimlick "befleckt" hat. Selbstsicher zuratend: Nee, Frau Krause, vom Theo uffjeklärt, wa, da wer'n de Kinda stramme Neurechte. Schön'n Tach noch!
MAX und MORITZ, an der Schürze zupfend:
Mutta, sind wa denn jetze erwachsen?

Ein weiterer Erfolg der Querfront-Strategie zeigt sich am Flugblatt "In memoriam Theo van Gogh": Waren die
Herausgeber, Bahamas, früher einmal die Kinder von Marx und Coca Cola, so haben sie sich mit Hilfe der "Aufklärung" ganz undialektisch zu Kindern von Goebbels und Coca Cola umerzogen. "Weder rechts noch links" sein zu wollen, hieß schon zu Weimarer Zeiten der "Konservativen Revolution" (KR), in Wahrheit am rechten Rand zu sein.
Ja, jibbs denn sowat übbahaupt? Der Mäcknamarra von de Coca Cola-Firma in Berlin, der mit de Kuckucksuhr, der war doch total jejen de Totaltotitato-tilismus!
Coca Cola gibt es seit 1925 in Berlin, Goebels gab es von 1926 bis 1945 in Berlin.
Un Jeschäfte hamse mitenanda jemacht, Amerika un de Nazis, un wir Deitschen ham dafür teia bezahlt, wa, ers für de Coca aufm Kudamm un im Sportpalast vorm Kriech, lecka und belebend - na ja, Sportpalast is ja nüch mehr da.
Jetzt halten Sie doch einfach mal den Rand.
Ick meen ja bloß ma, wa.

Sex ist Provo

"Provokation" war Goebbels' erster Weg zum Ziel, als Journalist und als Redner, allein über "Provokation" und seinen Riecher für Provo-Themen wurde er groß, bis er groß genug war für den tätigen Terror gegen die vorher nur Provozierten. "Provokation" war oft die einzige Botschaft auch der Intellektuellen der KR, den Vorläufern der intellektuellen "Neuen Rechten" (NR); Inhalte sollten erst nachgereicht werden, wenn der geistige Schlag vor den Kopf die Kontrollfunktionen abgeschaltet hatte. So funktioniert Querfront: Geist abschalten, Kritik abschalten. Bloße "Provokation" ist seit Bakunins Zeiten ein Feind der Linken, das wußte schon Marx, deshalb konnten Bahamas nicht länger seine Kinder sein, nachdem sie bei ihm mal was gelesen hatten. Als "Provokateure" feiern Bahamas den Kleinbürger Theo van Gogh und den neoliberal sich gebenden Faschisten Pim Fortuyn.

Sex ist immer für Provo gut, das wußte schon Goebbels, als er den "Kirchenkampf" gegen die Katholiken eröffnete - mit dem Vorwurf gegen Priester, "Sittlichkeitsverbrechen" begangen zu haben. Schauprozesse gegen angebliche Sex-Priester und Bordell-Klöster in der Mitte der 30er Jahre sollten die moralische Verruchtheit der einzig noch funktionierenden nicht völlig gleichgeschalteten Organisation erweisen. So wenig wie Goebbels kritisierte van Gogh Religion als solche - wie hätte er auch können in den calvinistisch-katholischen Niederlanden, dem Vorbild für die Reevangelisierung Nordamerikas. Er wandte nur den alten Goebbels-Mechanismus wieder an: der Gottesmann des Islam sei ein "Ziegenficker" und "Mädchenbeflecker". Und so gierig, wie sich die verklemmten Deutschen millionenfach im "Stürmer" an den "Lämmerfickern" und "Mädchenschändern" (damals waren noch Juden und ein paar Katholiken gemeint, denn Moslems gab es nicht in nennenswerter Zahl) aus Streichers Phantasie aufgeilten, um mit rotem Kopf zum Pogrom zu eilen, läßt van Goghs Antiislamismus, der die neue vermeintliche semitische Bedrohung wegtreten soll, Bahamas die Kämme schwellen.

Bahamas nennen die Fortsetzung des alten Nazi-"Kirchenkampfs", weil's intellektueller klingt, den "Kulturkampf" van Goghs. Es ist der alte Kampf der deutschen Unkultur, die sich als Licht ausgibt, gegen die Zivilisation, die als Dunkelheit erscheint, wenn nur ihre Fehler angestrahlt werden. "Gegen die Dunkelmänner unserer Zeit" trat schon NSDAP-Chefideologe Alfred Rosenberg mit seinem neuheidnisch-biologistischen "Blut-Mythus" an, der als Gipfel der Ratio die Ungleichheit der Menschen wissenschaftlich beweisen sollte. Aufklärung nannte er seinen Kampf gegen die, die das Gleichheitsgebot nur mythisch bewahrten, nur als romantische Sehnsucht.
Watt'n "Rosenberg"? Nüscht jelesen davon. Rosenstolz kenn ick, die sing'n in Deitsch, üba Liebe un so. Det is dette, wat de Relijon'n zu de Leite saren soll'n, wa. Laß ma bloß in Ruhe mit de janzen Terrorhaß und Kindaficka,Alta! Liebe, det is dette! Denn jibt et ooch keen Kriech.

Der Provokateur hat kein politisches Ziel, er meint immer nur sich selbst. Er therapiert, und zwar nur sich selbst. Seine Radikalität zielt auf Verblüffung, nicht auf Veränderung. Er diskutiert nicht, er will sprachlos machen. Er stimmt nicht ab, er will befehlen. Er ist in seinem ganzen Dasein kleinbürgerlich.
Kuck ma an, wa, hier! Dette, det bin icke, wa. Da kiekste, wa, icke, Theo mit 'm Pim! Jetze bin ick wer, wenn alle kieken. Det has Du nüch, det Fieling. Zieh ick mir jlat für aus.

Pim Fortuyn, der sich den niederländischen Spitznamen seines Hauptorgans zum Vornamen wählte, um schon bei seiner Vorstellung auf die Reduktion des bloß "aufgeklärten" Menschen zur bloßen Biomasse verweisen zu können, die nur noch neoliberal zu verrechnen ist, war eine Witz-figur, die im Herrendress, mit Hackenschlag und Militärgruß, "At your service!", Sado-Maso-Versatzstücke präsentierte, ober besser: das, was der Kleinbürger dafür hält. Wartet nur ab: bald werden auch Bahamas ihrem Volke dienen, "At your service!" - Aufklärung führt zur Dienerschaft, zur Herrschaft? Die gesellschaftliche Bedeutung der Anschauung der Welt durch Donatien Alphonse Francois Marquis de Sade mit ihrer schließlichen Praxis der "zu sich selbst gekommenen Herrschaft" im Faschismus darf in
Gegenwart von Polit-Schickis nicht mehr angesprochen werden, seit Foucault halb tot aus einem schwulen Folterkeller gezogen wurde, und das auch noch in "Amerika"! Max Horkheimer und Theodor W. Adorno hatten es da noch besser, als sie an Sades "Histoire de Juliette" den Weg von der Entmythologisierung der Werte und der Ethik in der bürgerlichen Aufklärung zu den Deportationszügen der Reichsbahn entwickelten.
Moment ma, jetze darf icke aba no'ma, ja:
Juli Jette? Watt'n dette? Fuhko, Dorno, wie, wo, Porno?
Die "Argumente" von Bahamas haben Horkheimer/Adorno 1944 schon kritisiert: die Rolle von sexueller Provokation, Pornographie, Sakrileg und
Blasphemie in "entmythologisierten Epochen" wie der "aufgeklärten"; den "geschäftigen Betrieb", den man heute in Chat- und Darkrooms beobachtet, bei altersbegrenzten Diskos, die den Eintritt nach der Anzahl der Krähenfüße bemessen, bei den inflationär anwachsenden Fetisch-Veranstaltungen mit Sex-Gelegenheiten, wo "das Schema der Aktivität schwerer als ihr Inhalt" wiegt (Horkheimer/Adorno). Die Szene, die Bahamas von islamischen Mythen bedroht sieht, wie Juliette damals von christlichen, ist nur "Kalkulation" der "unentrinnbaren Zweckmäßigkeit", von Sexualität bleibt ihr Kaufpreis übrig. Was kostet das passende Outfit, wie hoch ist der Eintritt? Und noch dies: Nach wie vielen Poppers-Fläschchen vergißt das durchschnittliche menschliche
Gehirn den vereinbarten Stopp-Code?

Der Provokateur braucht die Unterdrückung, sonst stellt sich die Verblüffung nicht ein. Er ist deshalb auch untauglich als Revolutionär. Van Gogh brauchte den Propheten, um ihn beleidigen zu können, so, wie für Juliette das Sakrileg ohne das Sakrament keinen Reiz hatte. Als
"Kritiker des islamischen Mordprogramms und damit (!) als Antifaschisten" propagieren Bahamas den Faschisten Fortuyn. Diese Art des Antifaschisten braucht erst ein Mordprogramm, um einer zu werden - das ist die Logik deutscher Helden, siehe 20. Juli 1944.

Provo ist arme Sau

"Als Einspruch gegen die Zivilisation vertrat die Herrenmoral verkehrt die Unterdrückten: der Haß gegen die verkümmerten Instinkte denunziert objektiv die wahre Natur der Zuchtmeister, die an ihren Opfern nur zum Vorschein kommt." Zielt dieses Horkheimer/Adorno-Zitat mehr gegen Fortuyn als gegen Mullahs - Fortuyn, der auch noch damit spielte, in einer Person mal Herr, mal Diener zu sein, solange die Einkünfte aus seiner Vertretung der Herreninteressen in Parlamenten ihm zuflossen, während die Objekte seines Hasses aus den Armenvierteln ihn nicht mal wählen  d u r f t e n -, so zielt die Fortsetzung des Zitats gegen Bahamas: "Als Großmacht aber und Staatsreligion verschreibt sich die Herrenmoral vollends den zivilisatorischen powers that be, der kompakten Majorität, dem Ressentiment und allem, wogegen sie einmal stand."
Nee, Du, det is ma jetz zu hoch, wa. Chef, jibbse noch ne Molle un'n Korn!

Neurechts bleibt altrechts
und Blautkreid breit Krautblaut

Wie KR (inklusive Rosenberg) und NR (inklusive Rosenbergs Erben Hunke und Benoist) die Bibel als Buch voll finsterer Verbote, Judentum und Christentum als Religionen des Lohns erst im Jenseits und der drakonischen Strafen in der Wirklichkeit denunzier(t)en, immer mit Blick auf die Lust des bloß "aufgeklärten" Menschen, endlich ohne Verantwortung rauben, morden oder auch ficken zu können, so dienen Bahamas die selben Attributionen zur bloßen Denunziation des Islam. Böse ist immer der Prophet der Konkurrenz, niemals seine Grundlage obsolet. Wohl verstanden haben Bahamas den Schwenk der NR weg vom offenen Rassismus hin zum verdeckten, dem Kulturalismus:  Fortuyn sei kein Rassist, schreiben sie, er habe ja nur die  K u l t u r  der Nicht-Weißen abgewertet."Weiße" setzen sie zwar noch in Anführungszeichen, aber die Hautfarbe bestimmt für Bahamas dennoch: "Weiße" = "Aufklärung" (und das stimmt "verkehrt" sogar), dann bleibt für "finster und dumpf" noch Nicht-Weiß. Um ihren Standort zu bestimmen, führen sie den Nationalrevolutionär Dutschke an, dem nichts so sehr am weh gespat'nen Herzen lag wie Deutschlands Einheit, und der kurz vor den Schüssen, die ihn angeblich so trafen wie Fortuyn die seinen (so vergleichen Bahamas), dem Nationalrevolutionär Wolfgang Venohr für "stern TV" ein nie gesendetes, aber vom vormaligen SA-Mann und damaligen Wiedervereiniger Deutschlands und des deutschen Rechtsextremismus, Wolf Schenke, einem Freund und Wegbegleiter Venohrs und Otto Strassers, in seinem Blättchen "Neue Politik" abgedrucktes Interview über Deutschland gab. Dieser "Sozialismus" also, und es überrascht nicht, erscheint hinter Bahamas' Zitat des van Gogh-Sozialismus. Mit CSU-"Aufklärer" Beckstein und der Glaubwürdigkeit in Person, Trittin, beklagen sie Buntheiten auf dem guten weißen deutschen Boden. "In jenen Vierteln", so Bahamas, "in denen nachts viele 'Weiße' den Fuß nicht mehr setzen" (sic!), fühle sich der Nicht-Weiße schon frech "zu Hause"!

Wir verfechten keinen Mythos, ob religiösen oder biologistischen, auch nicht den einer "Aufklärung". Wir sagen nur: Bahamas halten folgerichtig der Querfronstrategie nicht stand und plazieren sich selbst bei der "Neuen Rechten", weil ihnen das Bewußtsein von der  D i a l e k t i k  der Aufklärung fehlt.
Wie jetz "Dialekt"? Ick?
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