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"Namensprofessor" Jürgen Udolph
 hält an Nazi-Ideologen fest:

Ostern auf der Ordensburg
 
"Sippen-" und "Ahnenforschung" täglich bei "radio eins" des RBB --
Prominenter Namens-Erklärer Udolph stützt sich auf NS-"Forschungen" und erklärt Ostern mit Hilfe eines Buches aus der NS-Ordensburg Sonthofen zum Germanenfest

Ein braunes Ei hat der Leipziger Professor Jürgen Udolph für seine Hörerinnen und Hörer zu Ostern versteckt. Am 7. April 2006 erklärte er im Programm "radio eins" des ARD-Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in seiner allmittäglichen Sendung "Numen Nomen Namen" (in der Menschen, die nicht gerade Meier heißen, mit ihren Vorfahren zu Helden für einen Tag werden) nicht nur die angebliche Bedeutung eines seltenen Familiennamens, sondern empfahl saisongerecht auch den Kauf seines Buches "Ostern - Geschichte eines Wortes", in dem er mit NS-Literatur den Fest-Namen erklärt. Der "Namensprofessor", der seit 1998 in "radio eins" von Blut und Boden erzählt und damit so berühmt wurde, daß er am 9. März 2006 mit Johannes B. Kerner zur besten Abendzeit im ZDF die Sendung "Deutschland deine Namen" machen durfte, sagt nicht nur seinen Gästen Sätze wie: "Gut, daß Sie Ahnenforschung betrieben haben!", oder: "Es gibt 'ne richtige Sippe von Ihnen!" -- er meint es auch so.

Zu Frau Passora sagte Udolph in dieser Radiosendung einmal: "Das klingt ja seltsam, das sieht ja doch ein bißchen undeutsch aus, wenn ich das mal sagen darf" (am 16. 11. 01 in "radio eins"). Herrn Curth konnte er hingegen beruhigen: "Nein, nein, Sie sind von Ihrem Namen her ein guter Deutscher!" (ebenda am 21. 3. 05).

Nicht immer trifft er bei der Namens-Interpretation ins Braune, äh, Schwarze, zum Beispiel bei Herrn Hartz im August 2004: "Wie der VW-Manager mit den Reformen schreiben Sie sich, ja?", und erklärte die Bedeutung des Namens des korrupten Wirtschaftsführers starkdeutsch mit "hart, streng, ein kerniger Typ", das treffe ja auch bei dem bekannten Manager zu. Doch kurz darauf ward er's gewesen!

Herr Guderian, "wie der Panzergeneral, ja?", kam besser weg: "guter Johann" sei die Bedeutung des Namens. Und das paßt ja nun wirklich zur Ostfront: des Führers guter Johann bis kurz vor Moskau!

Nur für Indogermanen

Passen mußte Professor Udolph dagegen am 4. 2. 05 bei Frau Zenesblat, deren Großeltern in Warschau geboren und nach Palästina ausgewandert waren: "Wie, Sie haben sonst keine Verwandten in Deutschland?", fragte er die Frau verwundert und beschied: "Also, doch eher ein jüdischer Name. Ich glaube nicht, daß ich Ihnen da helfen kann."

Udolph ist eigentlich "Slavist", und wer Houston Stewart Chamberlain - seines Zeichens Chefideologe der NSDAP - so gründlich studiert hat wie wir, der weiß: die Nordslawen sind auch für Nazis Indogermanen, wenngleich 'ganz unten'.

Wer Becker heißt, langweilt in einer Fernseh-Show. Für Udolph sind die interessanten Familienamen "Flurnamen", ihre inhaltliche Bedeutung soll sich auf die Siedlungsgebiete der Vorfahren beziehen, denen man heute noch seinen Namen verdankt. So weiß man gleich, wer wo hin gehört und wer wohin zurück gehört. Blut und Boden eben.

"Studien zu slavischen Gewässernamen. Ein Beitrag zur Frage der 'Urheimat der Slaven'", hieß seine Doktorarbeit, so lernt man es auf der Internet-Seite von "radio eins", wo der Professor die Slawen mit Fogelsfau schreibt, wie die vom Panzergeneral eroberten slawischen Sklaven. Udolphs Buch "Namenkundliche Studien zum Germanenproblem" umfasse Tausend Jahre, äh, Seiten, prahlte "radio eins" stolz im Internet über seinen Star. Ein Adebowale Ogungbure (*) jedenfalls hat hier nicht gesiedelt, als irgend ein Herzog Namen an seine Landsknechte verteilte, die ihm fremde Länder eroberten und fortan "Ziebold = kühner Sieg" hießen (wie Udolph Herrn Ziebold aufklären konnte). Und einen Junior Sone-Enang läßt Berlins Innensenator Ehrhart Körting, streng und hart, ein kerniger Typ, gerade nach Kamerun ausweisen, das man Deutschland 1920 so gemein weggenommen hat. Wäre die Kolonie noch unser, hieße Junior heute ganz auf Linie: Siegfried, und dürfte vielleicht bleiben als Säckeschlepper im grün-alternativen Biokolonialwarenladen.

"Slawische Flußnamen waren Ihr Erweckungserlebnis?", fragte die "taz" im August 2002 den Namensprofessor in einem naiven PR-Artikel, und der antwortete: "Mir ging auf, wie viel man mit Gewässernamen über Herkunft und Wanderung von Völkern erforschen kann." Stadt Land Fluß statt Stadt Land Arbeitsmarkt, aber die "taz" merkte nichts. "Ein klasse Bericht, ein super Bericht!", schwärmte Udolph über den "taz"-Artikel am selben Tag in "radio eins". "Spiegel online" zitierte im November 2001 einen germanenbärtigen Udolph-Studenten: "Es ist ein spannendes Fach. Wir verfolgen anhand der Veränderungen von Ortsnamen die Siedlungsgeschichte nach, sind unmittelbar daran beteiligt zu beweisen, woher die Germanen kamen." Und Udolph ergänzte: "Die Verknüpfung von Wissenschaft mit öffentlichem Interesse ist mir wichtig." Gebt uns unser Lüderitz wieder! "Landnahme" und "alte Siedlungsgebiete der Germanen" sind die Bezugsbegriffe von Udolphs "namenkundlichen Studien zum Germanenproblem", das besser nicht 'die Germanenfrage' heißt.

Ostern, arisch statt jüdisch

"Ich bin ein ganz harmloser Mensch", sagte der Namensprofessor einmal, und ein anderes Mal erklärte er sich zum Liebhaber der Paul-Lincke-Revuen. Udolph ist so harmlos wie schon Lincke, der von Joseph Goebbels einen NS-Kulturpreis entgegen nahm und sich von den Nazis hofieren ließ - alles gaaaaanz unpolitisch.

Genau so wie Udolphs "Ostern"-Erklärung: Die Taufe sei in Wahrheit ein germanisches Frühlingsfest, "das Ritual von Tod und Auferstehung" in Wahrheit "Allgemeingut der heidnischen Religionen" des Nordens, so zitiert Udolph in seinem "Ostern"-Buch zum Beweis der >wahren< Herkunft des Festes aus dem Buch "Kultspiele der Germanen", das 1936 in Berlin erschien, und aus dem "Jahrbuch für Volkskunde", ebenfalls 1936. In Udolphs Büchern wimmelt es von Zitaten aus der deutschtümelnden Kaiser- und Nazi-Zeit, die er wie selbstverständlich anführt: "Vieles von dem, was im folgenden zur Sprache kommen wird, wurde schon gesagt und darf als bekannt vorausgesetzt werden" -- aber ja doch, in Deutschland sowieso. "In weiten Bereichen meines Versuchs (dem Buch zum Wort Ostern) werden daher Zitate den Gang der Überlegungen begleiten", und wo der deutsche Gang endet -- wir setzen es als bekannt voraus. Aus dem Christbaum wurde ein Weihnachtsbaum, aus dem >total verjudeten< Ostern wird wieder ein >arisches<. Nirgends bringt Udolph eine Problematisierung seiner Nazi-Kronzeugen, nirgends eine Distanierung, nirgends eine Relativierung. So wird man "Deutschlands einziger Namensprofessor" (Berliner Zeitung). "Unser Professor" heißt er bei "radio eins", er sei "uns ans Herz gewachsen", "ein idealer Radio-Mann!", rühmt ihn die Redaktion.

Vom Namensprofessor zum Nazi-Professor

Sein Hauptargument dafür, daß der Name "Ostern" auf ein heidnisches Tauf- und Frühlingsfest der Germanen zurückgehe und dem germanischen Wort "ausa '(Wasser) schöpfen, gießen'" entstamme, nimmt Udolph aus dem Buch eines Heinz-Eberhard Giesecke über die Ostgermanen von 1939. "Entscheidend für diese Überlegungen" und "meine eigene bescheidene Leistung" bei der Interpretation des Wortes "Ostern" sei dieses Buch von Giesecke.

Was weder Udolph-Leser noch Radio-Hörer erfahren, aber im originalen Giesecke-Buch aus der Berliner Staatsbibliothek nachzulesen ist: Giesecke beendete das Vorwort seines Buches mit der Floskel "Ordensburg Sonthofen, den 1. Juli 1939". Das braune Ei muß man erst mal finden! Udolphs Kronzeuge lehrte an einer Verbrecher-Elite-Schule der Nazis, in der alles Deutsche germanisch sein mußte, sogar ein jüdisch-christliches Fest.

Giesecke brachte 1939 in dem Buch, das Führer-treue Christen zum nazistischen Neuheidentum hinlenken sollte, zahlreiche pantheistische Topoi des angeblich germanischen Frühchristentums, die sich dann später ausgearbeitet vor allem bei Sigrid Hunke ("Europas andere Religion", 1969) und Alain de Benoist ("Heide sein zu einem neuen Anfang", ein Hunke-Abklatsch) als zentrale Argumente der euro-faschistischen "Neuen Rechten" wiederfinden: hier zeige sich durch die Verkrümmungen des "Judao-Christentums" hindurch der wahre Glaube Europas. Dabei griff Giesecke voluntaristische Elemente, die sich im Nazi-Begriff vom "Triumph des Willens" wiederspiegeln, aus dem angeblich germanisch-frühchrist- lichen "Arianismus" auf (nach seinem Schöpfer Arius aus Alexandria benannt), der in der mythologischen Selbstvergöttlichung des Germanen (und dann der realen des Nazi-Verbrechers) mündet und einen historischen Angelpunkt von Hunkes faschistisch-religiöser Ideologie darstellt. Der pantheistische, den Täter selbstvergöttlichende "Arianismus" sei für Indogermanen "blutsbedingt" die angemessene Religion, so Giesecke, der - etwas unbeholfen - die zentralen Aussagen Hunkes vorwegnimmt (die diese freilich ihrerseits aus den Schriften von Chamberlain, Alfred Rosenberg und Wilhelm Hauer herausgefiltert und mit ein bißchen Kirchengeschichte des Frühchristentums ausstaffiert hatte).

Ahnen statt Bürgerrechte

Wenn sich Udolph in seinen "Studien zum Germanenproblem" geographisch-onomastisch den deutschen Zielen der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zuwendet und in Südbelgien und Nordfrankreich aufgrund von Wortsilben in Eigennamen altgermanische Siedlungsgebiete reklamiert, wo romanisch gesprochen wird, so mag dies in Zeiten von Bundeswehr-Einsätzen im Kongo und in Afghanistan anachronistisch erscheinen. Man siedelt heutzutage nicht mehr an der Verteidigungslinie für die Rohstoffe, sprich: Hindukusch. Doch Onomastik ist nicht l'art pour l'art. Udolphs Nazi-Namensforscher, die er immerzu zitiert, beschworen anhand der Namensverbreitung die Landnahme (respektive Rohstoffnahme) als Wesenszug ihrer phantasierten stärksten Rasse, der Germanen, um die deutschen ("Rück"-!) Eroberungs-Weltkriege ideologisch zu rechtfertigen. "... daß wieder deutsch werde, was deutsch war", hieß die Parole der Kolonialpolitiker in den 20er und 30er Jahren.
 

So weit die deutsche Zunge klingt
 
 Sein Vaterland muß größer seyn:
"Die Ortsgruppe Bremen des Deutschen Kolonialvereins
war von jeher wie der Deutsche Kolonialverein überhaupt völkisch-national und nationalsozialistisch."
(Vgl. Hinz, Patemann, Meier (Hrsg.): Weiß auf Schwarz. 100 Jahre Einmischung in Afrika, Berlin <Elefanten Press> 1984, Seite 130.)

"Unsere Enge ist eine Hauptquelle unserer Nöte. Das deutsche Volk braucht Kolonien", meinte Konrad Adenauer in den 20er Jahren, als er Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft war, die gerade ihrer Kolonien verlustig gegangen war; heute hängt sein Bild über dem Schreibtisch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Unsere Pflicht ist es, vor allen Dingen in unseren Kindern die Erinnerung an unsere Kolonialepoche lebendig zu erhalten, damit sie später, wenn unsere Stunde wieder geschlagen hat, dasselbe oder wohlmöglich noch Besseres leisten als wir in den Jahren 1884 bis 1914", meinte 1924 ein bremischer Kaufmann, und 1927 befand der Bremer Senat, der sich immer noch als Sachwalter des deutschen Imperialismus verstand: "Deutschland braucht für seine Entwicklung eigene Produktions- und Absatzgebiete. ... Bremen hat nicht vergessen, daß Kolonien eine nationale und wirtschaftliche Notwenigkeit sind." Was 1884 die Berliner Afrika-Konferenz war, die damals noch "Kongo-Konferenz" hieß, ist 2001 die Bonn-Petersberger Afghanistan-Konferenz. Daß die Bundeswehrsoldaten "am Hidukusch" Kopfbedeckungen tragen, die sich an die "Südwester" ihrer kaiserlichen Vorgänger in Afrika anlehnen, ist eine gelungene Demonstration.

Wo Siedler deutsche Namen trugen, soll deutscher Einfluß herrschen. Die Methoden der Landnahme haben sich leicht verändert, seitdem germanische Herzöge Eigennamen verteilten, nicht jedoch die Richtung. Wer keinen deutschen Namen hat, soll bitte schön in Afrika bleiben oder doch nach getaner Arbeit dorthin zurückkehren. Die lockere, lustige "Namenskunde" in Radio und Fernsehen bewirkt faktisch eine Biologisierung der Sicht auf Migrationsphänomene, bei der nicht Bürgerrechte, sondern Ahnen zum Argument werden, bei der das Individuum ganz selbstverständlich hinter Sippe, Stamm und Volk zurücktritt.
Die Radiosendung "Numen Nomen Namen" ist Biopolitik.

(April 2006)

(Im Jahr 2008 läuft die Sendung nur noch an einigen Wochentagen und zeitlich weiter in den Vormittag verschoben.)

 
(*) Adebowale Ogungbure, Nigerianer, Fußball-Profi beim Verein Sachsen-Leipzig, wurde im Stadion von Nazi-Hooligans beschimpft und wehrte sich mit der Geste des "Hitler-Grußes" in Richtung der Hooligans-Tribüne. Anschließend mußte sich Ogungbure (!) wegen der Verwendung von Nazi-Symbolik strafrechtlich verantworten. ...zurück zur Textstelle

 
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