"Unitariertag" Pfingsten 1999 in Weimar:
 
Weimar als Nazi-Hauptstadt Europas
 
Die Anhänger Fritz Sauckels kehren zurück -- Nazi-Sekte übertölpelte 'Ossis' -- Grußwort von OB Germer angekündigt --- Gegen einen Referenten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Briefbombendrohung ---"Deutsche Unitarier" sehen sich selbst in der Tradition des "Kirchenkampfs" der Nazis ---  Schmalkaldener Professor Ralf Abel zog Klage gegen Antifaschisten wegen Aussichtslosigkeit zurück

Alle paar Jahre wieder: Irgend eine Provinzstadt beherbergt den "Unitariertag" der winzigen Nazi-Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e.V." (DUR), die in der "religiösen" Tradition Alfred Rosenbergs steht, des "Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Schulung und Erziehung der NSDAP". Rosenbergs Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" enthält die Grundaussagen der Ideologie der DUR, die sie in den letzten Jahrzehnten lediglich zeitgemäß umformulierte. In zahlreichen Gerichtsprozessen gegen Antifaschisten, die die DUR betrieb, wurden die Nazi-Beziehungen immer wieder mit Hunderten Seiten Beweisanlagen nachgewiesen. Die DUR darf nach den rechtskräftigen Gerichtsurteilen als "Nazi-Sekte", "völkisch-rassistische Sekte", "nazistische Tarnorganisation" usw. bezeichnet werden, weil "bis in die jüngste Vergangenheit" bei der DUR "in maßgeblichen Positionen solche Personen tätig waren, die eben nationalsozialistisches Gedankengut vertreten haben", so das Landgericht Berlin. Ein langjähriger DUR-Funktionär, Ralf Bernd Abel, Professor Doktor jur. an der Fachhochschule im thüringischen Schmalkalden, erlitt die bisher letzte Niederlage dieser Szene vor Gericht: Seine Klage gegen die Zeitschrift "KONKRET", die ihn als "langjährigen Funktionär rechtsradikaler Sekten" bezeichnet hatte, zog er im April 1999 selbst zurück, nachdem die Richter am Landgericht Hamburg ihm klargemacht hatten, daß er den Prozeß auf jeden Fall verlieren werde.

Himmlers Rune über Weimar

In die Großstädte traut sich die DUR mit dem "Unitariertag" schon lange nicht mehr, zu bekannt sind ihre Nazi- und Neo-Nazi-Verwicklungen. Diesmal trifft es Weimar, Treff Hotel Weimar, Kastanienallee 1. Das paßt: einer der DUR-Vordenker war vor dem 8. Mai 1945 ein enger Mitarbeiter des NSDAP-Gauleiters von Thüringen und Kriegsverbrechers Fritz Sauckel, der Weimar zur Nazi-Modellstadt machte. Der letzte Coup der DUR: ein angebliches Grußwort des Bundespräsidenten Roman Herzog zum "Unitariertag" 1997 in Hameln, wie der Hamelner "Gemeindeleiter" der Sekte gegenüber der Presse damals erklärte. Das Bundespräsidialamt dementierte prompt: Es sei "ein Versehen einer Ferien-Aushilfskraft im Bundespräsidialamt" gewesen, daß die Nazi-Sekte 1997 überhaupt ein Antwortschreiben auf ihre dreiste Einladung an den Bundespräsidenten erhalten habe, und diese Antwort sei "kein Grußwort", hieß es damals - heute organisiert die DUR-Gemeinde Hameln den Unitariertag in Weimar, weil es in der Kulturhauptstadt Europas gar keine Gemeinde gibt.

Diesmal ließ sich Weimars Oberbürgermeister Dr. Volkhardt Germer - parteilos, ein Ex-SED-Kader - von der Nazi-Sekte leimen. Gemeinsam mit den Funktionären der DUR, die zum Teil verfassungsschutzbekannt sind, steht Germer im Programmheft des "Unitariertages": sein Grußwort zur Eröffnung ist schon abgedruckt und soll am 21. Mai noch mündlich vorgetragen werden. Auf den DUR-Fahnen, die zu Pfingsten 1999 über Weimar wehen werden, ist die Hagalsrune vom Totenkopfring der SS zu sehen - zahlreiche DUR-Funktionäre und -Prominente waren vorher hohe SS-Funktionäre, die Rune haben sie als DUR-Zeichen beibehalten. Himmlers "Jul-Leuchter", den die SS als religiöses Symbol einführen wollte, ist in der Gedenkstätte Buchenwald zu sehen - das Zeichen der "Deutschen Unitarier" ist dort eingeprägt!

Sauckels Rasse-Hüter

Da werden sich einige wieder richtig heimisch fühlen in der Stadt Fritz Sauckels. Sein Mitarbeiter Lothar Stengel-von Rutkowski, SS-Hauptsturmführer, SS-Mitgliedsnummer 3683, war jahrzehntelang einer der Hauptideologen der DUR; noch 1990 hielt er in der DUR-Gemeinde Kassel einen Vortrag über Gentechnik. Der Mann kennt sich aus: In den "Nationalsozialistischen Monatsheften" (Herausgeber: Alfred Rosenberg; Chefredakteur: der 1982 zum "theologischen" Chef der DUR gewählte Eberhard Achterberg, der auch die Abteilung "Juden- und Freimaurerfragen" im NSDAP-"Amt Rosenberg" leitete) veröffentlichte Stengel-von Rutkowski in mehreren Folgen eine Biographie über den obersten Nazi-Rassisten Hans F. K. Günther, mit dem er befreundet war; Günthers Bücher zum "Bauernglauben" wurden noch in der 60er Jahren in der DUR-Zeitschrift angepriesen. Unter Sauckels Regie arbeitete Stengel-von Rutkowski im "Rasse- und Siedlungsamt der SS Thüringen" und widmete sein Buch "Was ist ein Volk? Der biologische Volksbegriff" 1940 dem "Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel, dem Treuhänder lebensgesetzlicher Politik, Wissenschaft und Weltanschauung in Thüringen".

"Wissenschaftliche Rasseerkenntnis"

Dann wurde Stengel-von Rutkowski "Präsident" der DUR-Schwesterorganisation "Freie Akademie e.V.", eine Nazi-Organisation, die der Führer des Nazi-"Kirchenkampfes" und antisemitische Hetzer Wilhelm Hauer in den 50er Jahren als Auffangorganisation für die Rosenberg-Anhänger gegründet hatte. Hauer - eine Art Papst der Deutschen Unitarier - hatte mit Stengel-von Rutkowski, Günther und anderen SS-Größen 1933 die "Deutsche Glaubensbewegung" gegen Juden- und Christentum gegründet - eine Hauptstütze des "Kirchenkampfs" der Nazis - und 1934 sein antisemitisches Hauptwerk "Deutsche Gottschau" auf Rosenbergs "Mythus"-Buch gestützt; in Hauers Vorwort hieß es: "Mit dem Dritten Reiche stehen und fallen wir".

Diesmal steht die DUR in Weimar. Vielleicht kommen der hochbetagte Stengel und die langjährige Sekretärin der "Freien Akademie", die Hauer-Biographin Margarete Dierks, auch diesmal wieder, wie zu vorherigen "Unitariertagen"; Dierks - die nach 1945 wegen ihrer Neonazi-Kontakte der Beobachtung des Verfassungsschutzes unterlag - hatte 1938 in ihrer Dissertation von der "wissenschaftlichen Rasseerkenntnis" der Nazis geschwärmt, das "Fremdwesen" der deutschen Juden beklagt und "das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" gepriesen, das "in dem Bewußtsein der Verantwortung und Verpflichtung für die Zukunft unseres deutschen Volkes" beschlossen worden sei, wie sie damals schrieb - es waren die bekannten Nürnberger Rassegesetze. Sicher ist jedenfalls, daß gleich nach OB Germer der heutige Präsident der "Freien Akademie" ein Grußwort sprechen soll. Er weigerte sich bisher ebenso wie die DUR-Oberen, sich von den Nazi-Traditionen, vom Gründer Hauer oder von Dierks - immer noch bei der "Freien Akademie" aktiv - zu distanzieren.

Neo-Nazi-Verbindungen

Das erstaunt nicht, denn die DUR steht auch in den 90er Jahren zur Tradition. Die Hamburger Innenbehörde bestätigte 1997, daß die DUR-Landesgemeinde Hamburg ihr "Haus der Deutschen Unitarier" bis 1995 an die rechtsextremistische "Gesellschaft für freie Publizistik" und den "Freundeskreis Filmkunst" des Nazi-Anwalts Jürgen Rieger vermietete. Hamburgs Landesgemeindeleiter Helmut Kramer, der dafür verantwortlich war und mit Adelheid Reuß-zur Lippe - der früheren Chefredakteurin der rechtsextremistischen Zeitschrift "Die Bauernschaft" des Auschwitz-Leugners und früheren Auschwitz-Wachmannes Thies Christophersen und vorherigen Freundin des "Reichsbauernführers" Walter Darré - befreundet war, wird in Weimar die Gesprächsrunde "50 Jahre Menschenrechte" leiten und soll hier auch zum neuen DUR-Präsidenten gewählt werden. Um wen es sich hinter all der Tarnung in Wahrheit handelt, hätte OB Germer in den Verfassungsschutzberichten nachlesen können; aber diese Lektüre ist für einen Ex-SED-Kader wohl tabu.

Briefbomben-Drohung

Gegen den Neonazi Henning Hraban Ramm, 26 Jahre alt und "Sohn von Berufsunitariern" (DUR-Programmheft für Weimar), der eine Arbeitsgruppe beim Weimarer "Unitariertag" leiten soll, ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft: Via Internet soll er im Frühjahr dazu aufgerufen haben, Briefbomben an Antifaschisten zu senden. Mit dabei als Leiterin einer Gesprächsrunde in Weimar ist auch wieder Anneliese Müller, früher BdM-Führerin, dann mit ihrem Mann, einem früheren HJ-Führer, verantwortlich für die DUR-Jugend, die später Helmut Kramer und dann Henning Hraban Ramm leitete. So lernt die junge von der alten Generation.

Antisemitisch-antichristliche Kontinuität

Ihren Kampf gegen Juden und Christen, den der DUR-"Papst" Hauer 1934 als "Kampf zwischen der vorderasiatisch-semitischen und der indogermanischen Glaubenswelt" beschrieb, formuliert der DUR-Vordenker Wolfgang Deppert 1996 in dem Sekten-Heftchen "unitarische blätter" zeitgemäß: man lehne den "israelitisch-christlichen Orientierungsweg" ab, weil er eine "autoritäre Lebenshaltung" verlange - doch die "unitarischen blätter" nannten noch 1986 Hauers "Deutsche Glaubensbewegung" der 30er Jahre als ihre Wurzel. Der langjährige DUR-Funktionär Hans-Dietrich Kahl, der auch in Weimar wieder dabei sein wird und den die "unitarischen blätter" bis heute drucken und zitieren, hatte noch 1989 geschrieben, den Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß - bei dem Fritz Sauckel zum Tode verurteilt und schließlich hingerichtet wurde - habe man "als Siegerjustiz, veranstaltet von Feindmächten, von denen mindestens eine selbst auf die Anklagebank gehört hätte" abgelehnt, "es war Ehrensache, sich um diesen Prozeß nicht zu kümmern!" Minutiös beschrieb Kahl auch 1989, wie die Rosenberg-Anhänger - alles NSDAP-Kader - nach 1945 die DUR als Auffangorganisation nutzten.

Wegen der offensichtlichen Nazi-Kontinuität, von der sich die DUR trotz vieler Aufforderungen bis heute nicht distanzieren will, hatte die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke 1997 öffentlich gegen den "Unitariertag" in Hameln Stellung bezogen. Ob es in Thüringen, wo die Partei demnächst mitregieren möchte, wieder eine Stellungnahme der PDS gibt, diesmal gegen einen parteilosen Oberbürgermeister 'aus den eigenen Reihen', der die Sekte hofiert? Die Weimarer Tagung wird von derselben Hamelner Nazi-Gemeinde organisiert wie der "Unitariertag" 1997. Damals schrieb die Hamelner Lokalpresse spöttisch "Unit-Arier".

100 Seiten zu der Sekte "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e. V." bringt das Buch von Peter Kratz "Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von 'Neuem Denken', Faschismus und Romantik" (Elefanten Press Verlag Berlin 1994, 415 Seiten), das auch die Versuche der DUR bloßstellt, in die sogenannten neuen sozialen Bewegungen einzudringen.                                                (Mai 1999)
 


Im heute aktuellen Logo der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft e.V., das auch auf ihren Fahnen zu sehen ist,  überschneiden sich Lebens- und Todesrune der Nazis. Das DUR-Zeichen entspricht auch der Rune vom Totenkopfring der SS und vom Jul-Leuchter der SS:

 

Lebens- und Todesrunen werden von Nazis als Zeichen für Geburt und Tod auf Grabsteinen und in Todesanzeigen verwendet (beide Beispiele aus der zeitschrift "glaube und tat" der DUR):

 
 
 
 

Die Neonazi-Gruppe "Skinheads Sächsische Schweiz" posiert mit den Runen für das Nachrichtenmagazin "Focus" (Nr. 41/2000, S. 116):

 

Die Runen werden international von Neonazis benutzt. Die englische antifachistische Zeitschrift "Searchlight" brachte im Juli 2000 dieses Foto des "leading US nazi William Pierce, who has inspired a generation of nazi terrorists" vor einem Versammlungshaus der Neonazis, an dessen Fassade die Lebensrune prangt:

 

"Seit geraumer Zeit bemüht sich die National Alliance unter ihrem Chef William Pierce" (hier mit der Rune abgebildet) "um eine Vormachtstellung in dem rechtsextremen Musikbusiness in den USA, aber auch in Europa. Pierce unterhält enge Kontake zur NPD. Nach seiner Flucht aus der BRD fand der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Hendrik Möbus Unterschlpf bei William Pierce." (antifaschistisches presse-archiv und bildungszentrum berlin, 23. 07. 2001) Der als "Satansmörder" durch die Presse gegangene Möbus ermordete den Antifaschisten Sandro Beyer.

Die DUR-Jugendorganisation BDUJ hat die Runen auf ihrem Wimpel  nachempfunden:

 
 

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