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Dieser Artikel von Peter Kratz erschien im Februar 1984 in der Bonner "Stattzeitung De Schnüss" und wurde fürs neue Jahrtausend leicht aktualisiert.  


Mißhandelt und beschimpft zu werden
Das ist des Schönen Los auf Erden (Heine)
 
Ich weiß nicht,
was soll es bedeuten ...

Reichlich unbeachtet steht seit gut einem Jahr ein Denkmal vor dem "Alten Zoll" in Bonn. Für den in Deutschland zeitlebens verfolgten Dichter Heinrich Heine, der 1819/20 in Bonn studierte, wegen der Teilnahme an einer Studentenversammlung für Freiheit und Republik sogleich vor einen Untersuchungsausschuß zitiert wurde und dessen Epos "Deutschland, ein Wintermärchen" Mitte des vorletzten Jahrhunderts zuerst in Bonn von der preußischen Zensur beschlagnahmt wurde.

Als das Denkmal von Bonns Oberbürgermeister Hans Daniels im November 1982 mit einigem Gezerre am Tuch enthüllt wurde, wunderte sich die Lokalpresse, daß es keinen Sturm der Entrüstung auslöste. Aber offenbar kennen die Bonner Heinrich Heine nicht, und die paar, die ihn kennen, kennen das Denkmal nicht.

Früher gab es dort eine Rodelbahn vom Alten Zoll herunter. Und jetzt? "Große Felsmassen sind daraufgetürmt mit schmerzwilder Riesenhand", schrieb Heine über altdänische Heldengräber. Das Ding ist ein Klotz aus drei Granitrohblöcken mit einer polierten Innenplatte, die den Namen des Dichters trägt. Im Originalentwurf war es vorne verschlossen, so daß man den Namen nicht sehen konnte.

"Es schien, als wohne der stille Tod in diesen öden Mauern." Geschaffen vom Bildhauer Ulrich Rückriem und ihm von der Stadt Bonn für 70.000 DM abgekauft. Ein Grabeingang, besser gesichert als damals Jesus seiner, damit Heine nur ja nie wiederkehre? Ein deutscher Pranger, an den man, wenn schon nicht den exilierten Dichter, so doch wenigstens seinen Namen bringt?

Nein, es gab andere Beweggründe für den Kauf dieses Werks: "Die finanziellen Konditionen sind äußerst günstig, da eine Arbeit von dieser Größe heute etwa 120.000 bis 150.000 Mark kostet", schrieb die Stadtverwaltung damals. Viel Denkmal für wenig Geld also. Ein guter Discount-Kauf.

Der Bonner "General-Anzeiger" schrieb zur Enthüllung, daß Rückriems "karge, provokative Arbeit sich so wenig um Gefälligkeit schert wie es Heine als 'Bildhauer der Worte' tat." Man vergleiche diesen Unsinn mit einem Gedicht aus Heines Bonner Zeit:

"Morgens steh ich auf und frage:
Kommt feins Liebchen heut?
Abends sink ich hin und klage:
Ausblieb sie auch heut.

In der Nacht in meinem Kummer
Lieg ich schlaflos, wach;
Träumend, wie im halben Schlummer,
Wandle ich bei Tag."

Dieses Denkmal ist die deutsche Faust auf das feinsinnige Auge eines Dichters, den viele immer noch nur vom Hitlerfaschismus her als "unbekannten deutschen Dichter" der "Loreley" kennen. Es erinnert nicht an den fröhlichen Spötter über deutsches Spießertum, nicht an seine hingebungsvollen Liebeslieder, nicht an seine Verklärungen der rheinischen Romantik, nicht an den modernen aufgeklärten Kritiker klerikaler Muffigkeit. Gerade im heute immer noch katholisch beherrschten Rheinland wirkt es wie die späte Rache an einem, der auf seinem Totenbett schrieb:

"Ob deiner Inkonsequenz, oh Herr,
Erlaube, daß ich staune:
Du schufest den fröhlichsten Dichter und raubst
Ihm jetzt seine gute Laune.

Der Schmerz versumpft den heitern Sinn
Und macht mich melancholisch;
Nimmt nicht der traurige Spaß ein End,
So werd ich am Ende katholisch.

Ich heule dir dann die Ohren voll,
Wie andere gute Christen
0 Misere! Verloren geht
Der beste der Humoristen!"

Die Gruft, in der Heine seine letzten Lebensjahre über an Syphilis dahinsiechte, war passenderweise aus Matratzen. Rückriems Gruft ist aus Granit. "Blumen liebe ich sehr", war sein letzter zusammenhängender Satz auf dem Sterbebett. Stein hat er bekommen.

De Schnüss sprach mit dem Künstler: Herr Rückriem, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Rückriem: "Das sieht man doch alles!" Es sei wichtig, daß es ein Monolit sei und nicht zusammengesetzt, wie viele Leute glaubten. Daß fast ein Meter in der Erde verschwinde, das Werk also daraus hervorwachse. Wichtig sei ebenfalls der Standort, ebenso wichtig wie die Skulptur selbst und ihre Dimension. Es beziehe sich auf das Rosenbeet davor, der trennende Weg davor ermögliche es aber dem Betrachter, ganz nah heran zu kommen. Dann könne er sich in der polierten Platte auch selbst sehen. Der Berg dahinter und das dortige Denkmal für Ernst Moritz Arndt sei ebenso auf seine Skulptur bezogen.

Das Denkmal für den Dichter treibt jedes Wort weg

Rückriem legt vor allem Wert auf den Stein und seine Bearbeitung: "Ich meine, was soll ich mir dabei gedacht haben! Das ist im Grunde genommen ein Prototyp eines Denkmals. Nur daß es mit meinen Arbeitsprozessen gemacht ist wie Spalten, Schneiden, Schleifen und Polieren." Es sei nichts gepfuscht und von der Arbeit her ganz, ganz ehrlich. Alles andere sei eine Frage von Design, und das sei so weit zurückgenommen wie nur irgend möglich.

De Schnüss: In welchem Zusammenhang sehen Sie denn nun Heinrich Heine zu diesem Denkmal? Rückriem: "Es könnte auch jeder andere sein." De Schnüss: Jeder andere? Rückriem: "Im Grunde genommen ja. Also, Heinrich Heine ist mir sehr sympathisch. Ich würde es bestimmt nicht für Franz Josef Strauß machen."

Inhaltlich sei alles bezogen auf das, was man sehe, nicht mehr und nicht weniger. Seine Arbeit treibe normalerweise jedes Wort weg. Es sei ja heute auch unheimlich schwer, überhaupt noch Denkmäler zu machen. Er habe es eigentlich aus einer Wut heraus gemacht, wie "beschissen die anderen Denkmäler in Düsseldorf und Hamburg" seien. Was Heine über Goethe gesagt habe, daß man ihm so viele Denkmäler hinstelle, ihn aber besser lesen solle, das treffe auch auf Heine selbst zu. "Das beste Denkmal ist das, was er geschrieben hat."

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