© 2008 by BIFFF... e. V. und P. Kratz.   Jede Verwendung der Texte und der Abbildungen unterliegt dem Urheberrecht.                       


Neue Herausforderungen
Themen des BIFFF...
Bücher und Broschüren
English Texts
E-Mail an BIFFF...













... und flink wie die Windhunde!
 
Nazi-Psychologie:
Wolfgang Bergmann findet Hitlers implizite Persönlichkeitstheorie
 
Ein "Spiegel-online"-Interview gibt endlich Klarheit über die "neue" Pädagogik für "echte Jungs".

Bisher las man schon im Programm des Kölner Verlags "Papyrossa", dem Erben des von der DDR ausgehaltenen alten "Pahl-Rugenstein Verlags", merkwürdige Bücher darüber, dass heutigen männlichen Kindern ein anderes Welt- und Selbstbild vermittelt werden müsse, als es die verweichlichten Hippie-"68er" taten. Dass der Hannoveraner Privatpsychologe Wolfgang Bergmann Ähnliches vertritt,  war bereits bekannt. Bisher wurde vorsichtig argumentiert. Jetzt aber hat Bergmann in einem Interview mit "Spiegel-online", das am 5. April 2008 erschien, die Katze aus dem Sack gelassen: die heutigen "Jungs" (er braucht das Wort so schneidig, wie es heute sonst nur die rechtsextremen Jugendgruppen oder die homosexuelle Pädophilen-Szene tun) seien nicht verwendungsfähig, zu weich und renitent, statt dessen sollen sie wohl wieder hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink ... werden und sich den - das sagt Bergmann! - biologischen Rang in der Gemeinschaft im Kampf mit anderen "Jungs" und später mit Männern erringen, nein: erprügeln, denn Bergmann spricht es aus: Prügeln sei "Erlernen von sozialen Verhaltensweisen"; daran würden heutige "Jungs" von Frauen, von männlichen Sensibelchen-Erziehern und von falscher Emanzipation gehindert und gerieten deshalb auf die schiefe Bahn.

Die Deutlichkeit von Bergmanns Aussagen scheint auch "Spiegel-online" überrascht zu haben: am Ende fragt Interviewer Jochen Schönmann verwundert, Jungen im Kindergarten- und Grundschulalter wüssten doch gar nichts von den angeblich naturwüchsigen gesellschaftlichen Entwicklungen, wieso er denn darauf komme, dass sie "ausscheren", weil frau ihnen diese angeblich verwehre. Und Bergmann redet nun rassistisch-biologistischen Klartext: "Das ist in der Tat faszinierend." Die gefährdete männliche Vorherrschaft sei "kulturelles Menschheitserbe", die Menschheitsgeschichte sei in Wahrheit "eine durchgängige Geschichte des männlichen Geistes". Würden die Jungen an deren Fortsetzung gehindert, gerieten sie aus der Bahn, denn "somatisch unbewusst" und "biologisch wie mental" wüssten die Jungen, welcher Platz in der Gesellschaft ihnen zustehe, "daran wird auch die propagandastärkste Emanzipation nichts ändern", so Bergmanns letzter Satz. Würde ihnen der Platz nicht gegeben, und innerhalb der Männerwelt nicht der ihnen jeweils zukommende Rang in der angeblich natürlichen "Hierarchie", die im Kindesalter durch Prügeln, später dann wohl durch Krieg bestimmt werde, dann - und nicht etwa bei Vermeidung von zwischenmenschlicher Gewalt und Krieg - gäbe es schwere gesellschaftliche Probleme.

Irre.

Nein: nazi!

Bergmann hat noch mehr drauf: "Jungs" stehen bei ihm heute so da wie damals das ganze Volk: ohne Raum! Umzingelt geradezu von der jungsfremden "Wohlfühl-Kuschel-Pädagogik" (Bergmann), wie damals vom artfremden Versaillier System. Erwachet! Die "Wohlfühl-Kuschel-Pädagogik" habe sich zudem "eingeschlichen"; die Unterwanderer sind schon wieder unterwegs, damals die effeminierten Gleichheits-Juden, heute: marsch! marsch! auf Turnschuhen, nicht mehr nur durch die Institutionen, sondern durch die harten Jungs-Seelen, diese weich zu spülen! Bergmann geifert gegen "diese generelle Antigewalt-, Antikörperlichkeits-, Antimännlichkeitserziehung", ein Verfassungsfeind, der das staatliche Gewaltmonopol zugunsten von Männerbünden abschaffen will, die er für die Kinderzeit "Pfadfinder" nennt. Hier werde noch richtig männlich rumgeprügelt. "Dieses seltsame Umhüllungs- und Friedensideal", das inzwischen "auch die männlichen Pädagogen übernommen haben", müsse weg aus der "Jungs"-Erziehung. Was Jahrhunderte aufgeklärter Pädagogik mühevoll wegzivilisiert haben, möchte Bergmann wieder herausholen aus den Tiefen der furchbaren Jahrmillionen des Missing Link: "Jungen haben heute kaum noch die Fähigkeit, sich selbst in ihrer Körperlichkeit, in ihrer männlichen Durchsetzungsfähigkeit kennenzulernen. Sie werden mit Teilen ihrer Männlichkeit überhaupt nicht mehr bekannt", beklagt er. Herrje!, der SS-Mann im Manne geht der Menschheitsgeschichte gar noch verloren! Was ist mit den Teilen des Deutschseins, die weg-reeducated wurden? Für Bergmann gibt es keine anthropologische Entwicklung der Psyche, das haben die Faschisten mit den Kreationisten gemein -- nur der Gott wird ausgetauscht. Es darf keine Veränderbarkeit zugestanden werden, weil dann die Herrschaft in Frage stünde. 

Jungs ohne Raum

"Es geht um die einfachsten Dinge", meint Bergmann, dabei gleich menschliches Verhalten mit "Dingen" verwechselnd, "wenn zwei Jungs im Kindergarten raufen, um die Hierarchie untereinander festzulegen, dann hat ein Pädagoge da nichts zu suchen", denn das seien "Sozialisierungs-Erfahrungen" für das spätere Leben, wenn Mann ebenfalls "die Hierarchie" festlegt. Die Menschen sollen wieder Affen werden. Bergmanns Erziehungsziel ist das Gegenteil unserer Verfassung, er will zurück in den germanischen Urwald, zum Recht des Stärkeren, zur biologischen Über- und Unterordnung der Männer untereinander, von wegen Gleichheit der Menschen, und die Frauen sind noch weit weit darunter. Das ist Nazi-Psychologie in Reinkultur.

"Aggressive Jungs einfach prügeln lassen?", fragt der "Spiegel"-Mann ungläubig, und Bergmann sagt: "So lange es ungefährlich ist, unbedingt. Das ist Erlernen von sozialen Verhaltensweisen. Jungs sind schon im zarten Alter von zwei bis vier Jahren völlig anders als Mädchen. Sie müssen ihre Erfahrungen mit dem Raum um sie herum auch mit männlicher Wucht machen können." Verwendungsfähig für die Wehrmacht, mit Wucht in den europäischen Großraum stoßen. "Wenn das blokiert wird, wird die kognitive und soziale Entwicklung eines Jungen gehemmt. Gleichzeitig werden sie dann eingehüllt in diese weibliche harmonische Lebenswelt, die ihnen  unendlich auf den Keks geht. Im Grunde ist es ein Wunder, dass es noch so viele seelisch gesunde Jungen gibt", wo doch die Hitler-Jugend verboten worden ist! Zweifellos: Bergmann ist ein Frauenhasser, zwischen den Zeilen seines Interviews spürt der "68er" förmlich seinen Ekel gegen alles Weibliche. Wehe den Schwulen! Psychoanalytisch beurteilt, verbirgt sich aber hinter seiner Erziehungspolitik vielleicht doch nur die verdrängte, nicht zugelassene homoerotische Attraktion der kleinen "Jungs". Erziehungspolitisch betrachtet greift Bergmann alles an, wofür die Artikel Eins und Zwei des Grundgesetzes stehen, wofür die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Gesellschaftsentwicklung der letzten zweihundertfünfzig Jahre steht.

Frauen: Raus aus den Kindergärten und dem Internet!

Abhilfe könne nur geschaffen werden durch "Handwerker, Bildhauer, Männer mit Lebenserfahrung und einer starken Biographie, auch mit autoritären Zügen", die statt der Frauen oder der Erzieher mit Pferdeschwanz in den Kindergärten eingesetzt werden sollen, "Jungs brauchen das". Die Schule der Nazi-on wird wieder das preußische Militär, weil es biologisch natürlich ist? Das Internet sei eine rein männliche Erfindung (wie ja schon die ganze M-ä-nnschheitsgeschichte, siehe oben), das müssten sich die "Jungs" reservieren. "Es gibt bei der Entwicklung des Internets und den digitalen Technologien keine bedeutenden weiblichen Anteile. ... Das Lesen und Schreiben, das die Mädchen nachweislich besser können, ist zutiefst verschieden vom Lesen und Schreiben und Interagieren im Internet." Und: "Die Frauen sind nicht zufällig noch immer nicht in den Spitzenpositionen angekommen", denn nach Bergmann widerspräche dies der natürlichen Hierarchie, die sich gegen alle politischen Emanzipationsbestrebungen durchsetze, weil sie biologisch begründet sei.

Das alles kennt man aus der extremen Rechten zur Genüge. Am Ende der 80er Jahre kamen solche Thesen aus dem "Thule-Seminar" des Pierre Krebs und Alain de Benoist, dort griff man offen auf die nationalsozialistische "Anthropologie" zurück, offener, als es sich Bergmann bei "Spiegel-online" leisten könnte. Wenn sich die Weißen, so hieß es beim "Thule-Seminar", die Technik, "unsere Technik", sichern würden, dann sei die weiße Vorherrschaft gesichert. Bei Bergmann sollen "Internet, globale Wirtschaft, Börsengeschehen, die ganze digital durchwirkte Gesellschaft", die seiner Meinung nach eben gerade nicht von Frauen geschaffen worden sei, die Vorherrschaft der Männer sichern: "Das wird die männliche Dominanz fortscheiben." Das ist original "Nouvelle Droite", original die fast schon wieder vergessenen Ideen Guillaume Fayes, des in den 80er und 90er Jahren einflussreichsten faschistischen "Anthropologen", der eben dies für "die Europäer" behauptete, damit kein Schwarzer je einen Compi besäße.

Die offen völkisch-rassistische Komponente, die bei Faye usw. zur Hauptschlussfolgerung wird, verkneift sich Bergmann; es ist ja ohnehin offensichtlich, dass das Internet nicht im afrikanischen Urwald erfunden wurde. Im Geiste jedoch ist Bergmann ein glasklarer Neurechter, faschistischer Ideologe durch und durch, der die entwickelte Gesellschaft der Menschheit an die Biologie, an die vermeintlich natürliche Vorherrschaft des weißen Mannes über alles Nichtweiße und Nichtmännliche binden möchte. An Bergmann ist - wie an den alten und neuen Ideologen des Faschismus - jede Erkenntnis vorbei gegangen, die das Fortschreiten der Menschheit zu Freiheit und Gleichheit seit Beginn der Aufklärung bewirkte. Aber Bergmann ist damit nicht allein: die gesamt sogenannte Jungen-Pädagogik, die zurück will zum Männerbild des heldischen Kämpfers, mal weniger deutlich, mal so deutlich wie bei Bergmann ausgesprochen, ist eine Rückkehr zur faschistischen Pädagogik, auch wenn ihre Propagandisten bisweilen im Beltz-Verlag oder bei Papyrossa sitzen mögen.

Die interessante Frage ist immer: cui bono? Warum das jetzt? Wer braucht Wehrmachtskämpfer?

Quelle des "Spiegel-online"-Interviews: www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,545037,00.html

Wenig später dann sagt Bergmann dann im Interview mit dem Gesundheitsmagazin der Barmer Ersatzkasse - der größten Krankenkasse Deutschlands - Sätze, die sich wie das Gegenteil anhören: Die Eltern "sollten die Stärke aufbringen zu sagen: 'Mein Kind muss kein tolles Leistungs-Ass sein. Mein Kind soll ein gückliches Wesen sein - frei von Angst, selbstbewusst, emotional, sozial und mitfühlend.' Intelligenz kommt dann von allein. ... Die Gesellschafts- und Bildungspolitik muss raus aus dem Mainstream der reinen Leistungs- und Zielorientierung hin zu einer breiteren emotionalen Erfüllung. Das wäre keineswegs ein Rückschritt, sondern der Weg in eine befreite, sich gegenseitig stützende Lebensordnung."

Irre? Oder nur eine sanfte Version derselben Propaganda des sich Einfügens in das vermeintlich vorgegebene gesellschaftliche Oben und Unten?  Bergmanns Thesen sind so lachhaft wie die Holsten-Bier-Reklame ("Auf uns Männer!") oder die ältere von der Wicküler-Konkurrenz ("Männer wie wir - Wicküler Bier!"), er hat nur noch nicht gemerkt, dass die Werbeagenturen so was ironisch meinen.

(April 2008)

                           ...zurück zur Übersicht: Neue Herausforderungen - Der neue Antifaschismus

                       ...zurück zur Übersicht: Themen des BIFFF...

                       ...Eingangsseite