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Titelblatt des Werbeprospektes
für die Ausstellung:





Rückseite des Prospektes
mit Hinweis auf den HVD
(gelbe Markierung durch BIFFF...):


Dezember 1998:  HVD stellt Täter als Opfer dar
 
Nazi-Propaganda
und Geschichtsfälschung
im Prenzlauer-Berg-Museum
 
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat mächtige Fürsprecher und vieles zu verbergen ---
 NS-Literatur als "freigeistiges" Gedankengut,
auch empfohlen für den Schulunterricht ---

Vereine "selbstverständlich frei von Fremdblut" ---
Alfred Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts"
als "freigeistiges" Buch ---

Nazi- und Neonazi-Verwicklungen der "Freireligiösen" und "Humanisten" in der Ausstellung des  Prenzlauer-Berg-Museums verschwiegen ---
Wahre Geschichte in der Staatsbibliothek nachzulesen --- 
Bekannte Nazis verewigten sich bereits im Gästebuch der Ausstellung.

Daß Benito Mussolini bis 1914 zu den Führern der italienischen Sozialisten zählte, bevor er die faschistische Bewegung gründete, weiß man allgemein; bekannt ist auch, daß Otto Strasser, ein Führer der "antikapitalistischen" Röhm/Strasser-Fraktion der NSDAP und des Neofaschismus in der Bundesrepublik, ab 1919 erst einmal SPD-Mitglied war. Niemand käme auf die Idee, den europäischen Faschismus als Teil der Sozialdemokratie auszugeben, weil er auch Wurzeln in einem falsch verstandenen Sozialismus hat. Anders das Prenzlauer-Berg-Museum, das gemeinsam mit dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) und Schwesterorganisationen des HVD die Ausstellung "Kein Jenseits ist, kein Auferstehn" veranstaltet (bis 31. Januar 1999). Die nationalsozialistischen "Freireligiösen", die zum Teil inzwischen im HVD aufgegangen sind, werden als Teil der Sozialdemokratie hingestellt, weil in Berlin um die Jahrhundertwende und bis in die 20er Jahre führende Freireligiöse auch als sozialdemokratische Politiker tätig waren. Doch die Geschichte der Freireligiösen in den 30er Jahren, ihre Ausrufung Adolf Hitlers zum Gott, ihre aktive Beteiligung an der Judenverfolgung, ihre kriegshetzerischen Schriften der 40er Jahre - das alles wird verschwiegen. Die interessante Frage, wie eine weltanschauliche Gruppe aus der Sozialdemokratie heraus zielstrebig in den Nationalsozialismus münden konnte, wird nicht gestellt. Im Gegenteil: Bewußt verfälschend wird so getan, als seien die Freireligiösen von den Nazis verfolgt worden. In Wahrheit aber hielten sie zum Beispiel 1942 in Berlin einen großen Kongreß ab. Für den HVD (zu dessen prominentesten Mitgliedern in Berlin der Europabeauftragte des Landes Berlin und Staatssekretär beim Regierenden Bürgermeister Gerd Wartenberg (SPD), die SPD-Abgeordnetenhaus-Mitglieder Jutta Weißbecker, Kirstin Fussan-Freese und Regine Koch sowie der jetzt parteilose Baustadtrat des Bezirks Mitte, Dr. Thomas Flierl, früher PDS, gehören), der nach der deutschen Wiedervereinigung durch Rückübertragungen von Immobilien der früheren Freireligiösen an einem Millionenvermögen partizipiert und heute Millionen an Steuergeldern für seinen Lebenskunde-Unterricht an den staatlichen Schulen einstreicht, steht alles auf dem Spiel. Darum fälschen HVD-Funktionäre hemmungslos die deutsche und die eigene Geschichte, und das Prenzlauer-Berg-Museum hilft tatkräftig mit. Allerdings ist die Fälschung derart plump geraten, daß sie nun auffällt.

Die Ausstellung präsentiert Ideologen, die Vordenker des Faschismus waren oder sich gleich der Nazi-Partei anschlossen, als Fortschrittliche, als positive Identifikationsfiguren, indem sie den gesamten Teil der faschistischen Geschichte der Freireligiösen verschweigt; sie fälscht erklärte Nationalsozialisten zu scheinbar progressiven Oppositionellen gegen die verhaßten christlichen Kirchen um, die sich der HVD als Hauptgegner ausgesucht hat. So etwas kommt an, die Ausstellung richtet sich besonders an Schulklassen, in denen der HVD Lebenskunde-Unterricht erteilen läßt, und wirbt im Prospekt fett gedruckt für "Führungen für Schulklassen". Die Ausstellung behauptet ohne Wenn und Aber, die Freireligiösen seien von den Nazis verfolgt und 1934 verboten wurden. Was nach 1934 passierte, kommt nicht vor, die Annäherung der Freireligiösen an den Nazismus in den 20er Jahren wird ebenso verschwiegen wie die organisatorische Annäherung ab 1932. Die Verbots-Behauptung der Ausstellung ist, so wie sie dort zu lesen ist, eine glatte Lüge.

Sie dient auch seit 1990 dazu, die Rückübertragungen der millionenschweren Immobilien und den staatlich finanzierten Lebenskunde-Unterricht des HVD zu ermöglichen, was nicht so leicht (gewesen) wäre, wenn die Wahrheit bekannt wäre: daß das "Verbot" von 1934 Teil der internen NSDAP- Fraktionsstreitigkeiten war, daß es im Effekt nur Teil einer Umgruppierung der Freireligiösen war, mit dessen Hilfe sie sich von "nicht-arischen" Mitgliedern trennten, um unter neuem Namen aktiv am Aufbau des NS-Staates und an der Judenverfolgung teilzunehmen. Die Freireligiöse Gemeinde existierte auch in Berlin nach 1934 weiter, als Nazi-treue Gruppierung, aktiv im Kampf gegen den christlichen Religionsunterricht an staatlichen Schulen, gegen die christlichen Kirchen und die jüdischen Gemeinden, die nach dem Verbot der gesamten Linken in Nazi-Deutschland noch ein paar Möglichkeiten zum Widerstand boten. Der HVD steht heute in dieser Tradition der nazistischen Freireligiösen, und er gibt es zu - aber nur intern, versteht sich. Sein Archiv ist - entgegen der erlogenen Behauptung auf Seite 65/66 im Katalog des Kulturamtes Prenzlauer Berg zur Ausstellung - nicht öffentlich und nie öffentlich gewesen, wie uns das HVD-Büro am 30. 11. 1998 mitteilte. Man hat vieles zu verbergen.

Fest verschraubtes Buch

Die Wahrheit ist sogar in der Ausstellung teilweise präsent, die Besucher dürfen sie jedoch nicht sehen. In der rekonstruierten Freireligiösen Bibliothek im dritten Saal der Ausstellung wird das Buch "Die Freireligiöse Bewegung - Wesen und Auftrag" gezeigt, das 1959 vom Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands herausgegeben wurde, dem 1959 auch die Berliner "Freigeistige Gemeinschaft - Freireligiöse Gemeinde" angehörte. Das Buch ist zugeklappt und unter Plexiglas fest verschraubt, damit es niemand öffnen kann, denn sonst würde die HVD-Fälschung sofort auffallen. Man kann es jedoch in der Staatsbibliothek (Signatur 16 A 11495) ausleihen. Auch der Katalog zur Ausstellung, den das Kulturamt Prenzlauer Berg ganz offiziell herausgegeben hat, nennt dieses Buch als Teil der rekonstruierten Bibliothek der Freireligiösen Gemeinde, "aus dem Archiv des HVD". Allerdings verschweigt auch der Katalog des Kulturamtes lieber den Inhalt des Buches; er erwähnt aber in einer Fußnote die Dissertation von Ulrich Nanko zur nationalsozialistischen "Deutschen Glaubensbewegung" (Marburg 1993) beiläufig. Nimmt man beide Bücher und weitere Literatur aus der Staatsbibliothek zu Hilfe. läßt sich die Wahrheit, die die Ausstellung ganz bewußt und komplett verschweigt und verfälscht, leicht rekonstruieren:

Freireligiöse als Nazi-Organisation

Der "Bund freier religiöser Gemeinden Deutschlands" (BFGD), zu dem auch die Berliner Freireligiöse Gemeinde gehört, schließt sich 1924 mit dem bürgerlich-völkischen "Deutschen Freidenkerbund" (mit dem er immer schon personell überlappte) zum "Volksbund für Geistesfreiheit" (VfG) zusammen, sein Geschäftsführer wird der Leipziger Carl Peter, der in engem Kontakt mit dem Leipziger Philosophie-Professor Ernst Bergmann steht. Bermann tritt schon in den frühen 20er Jahren in die NSDAP ein und bastelt in zahllosen Schriften an einer nationalsozialistischen, "arisch-germanischen" Religion. Der VfG nennt sich im Mai 1933 in "Deutscher Freireligiöser Bund" um, dieser nennt sich am 4. Juni 1933 wieder in BFGD um, Peter bleibt Geschäftsführer. Der BFGD lädt mit anderen Freireligiösen aus der südwestdeutschen Konkurrenzorganisation "Verband freireligiöser Gemeinden Süd- und Westdeutschlands", mit völkischen und rassistisch-nordischen Sekten sowie mit etlichen SS-Leuten für den 31. Juli 1933 zur Gründung der "Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung" (ADG) ein, die dem NS-Staat einen religiösen, antichristlichen und antisemitischen Überbau geben will. Man kennt sich seit Jahren und will die Nazi-Revolution nutzen, um gegen Christen und Juden mobil zu machen, die christlichen Kirchen und die jüdischen Gemeinden aus Deutschland zu vertreiben und den alten Traum der Freireligiösen von 1848, die einzige wahre deutsche Staatskirche zu werden, zu verwirklichen. Die ADG wird zu einem Hauptinstrument des "Kirchenkampfes" der Nazis gegen die Christen und wird auch von den Berliner katholischen Bischöfen vehement bekämpft; die christliche Presse ist zwischen 1933 und 1936 voll von diesen Themen. Bei ihrer Gründung am 31. Juli 1933 wird der antisemitische, rassistische Agitator Wilhelm Hauer, der seit langem ebenfalls an einer "indo-arischen" Religion bastelt, die Rasse und Religion verbindet und alles "Vorderasiatisch-semitische" aus Deutschland vertreiben will, sowohl zum Führer der ADG als auch zum Führer der Freireligiösen ausgerufen. Die Berliner Freireligiöse Gemeinde ist damit faktisch Teil der ADG. Peter nimmt ebenso wie Bergmann und andere Freireligiösen-Führer an der AGD-Gründung teil. Bergmann wird ebenso wie der oberste Rassist der Nazis, Hans F. K. Günther, Mitglied des "Führerrates" der AGD, ebenso der geistige Führer der südwestdeutschen Freireligiösen, Arthur Drews, der Führer der Strasser-Fraktion innerhalb der NSDAP-Fraktion des Reichstags, Ernst Graf von Reventlow, der Germanentümler und spätere Mitbegründer der SS-Organisation "Das Ahnenerbe", Hermann Wirth, und weitere SS-Leute. Peter soll nun auch zusätzlich Geschäftsführer der ADG werden. Am 10. September 1933 nennt sich der BFGD in "Bund der Gemeinden Deutschen Glaubens" (BGDG) um, Peter bleibt Geschäftsführer, Hauer wird offiziell Vorsitzender des BGDG, die bisherige Zeitschrift der Freireligiösen des früheren BFGD, "Die Geistesfreiheit", heißt nun "Deutsche Glaubenswarte". Hauer agitiert pausenlos für den "Kampf des indo-arischen gegen den vorderasiatisch-semitischen Geist" in Religion und Staat und arbeitet bereits an seinem Hauptwerk "Deutsche Gottschau", das Alfred Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts" (zweitwichtigstes Nazi-Buch nach Hitlers "Mein Kampf") nachempfunden ist. Dem BGDG tritt nun die "Germanische Glaubens-Gemeinschaft" (GGG) des völkisch-rassistischen Schriftstellers Ludwig Fahrenkrog bei, der ebenfalls bereits Mitglied des "Führerrates" der ADG ist; Hauer tritt auch in die GGG ein. Die Zeitschrift der GGG namens "Nordischer Glaube" geht zum 1. Januar 1934 in der neuen Zeitschrift des ADG namens "Deutscher Glaube" auf, die Hauer, Fahrenkrog, Bergmann, Günther, Reventlow, Wirth u. a. herausgeben und die vom späteren Gründer des rechtsextremistischen Grabert-Verlages, Herbert Grabert, redigiert wird. Das Blatt, das 1934 vor allem Rosenbergs "Mythus" propagiert, ist nun neben der "Glaubenswarte" auch eine der Zeitschriften der Freireligiösen des BGDG. "Deutscher Glaube" nennt Peter 1934 mehrfach als Inhaber des "Gemeinschaftsamtes Bund der Gemeinden Deutschen Glaubens der ADG" und gibt seine Leipziger Adresse für Kontakte zu den früheren BFGD-Gemeinden an. Fahrenkrog bekennt hier im Januar 1934, die BGDG-Mitglieder müßten "selbstverständlich frei von Fremdblut sein", eine Anspielung darauf, daß sich dem alten BFGD ein paar ehemalige Mitglieder jüdischer Gemeinden angeschlossen hatten, die nach dem Nazi-Kriterium "Religion gleich Blut" nicht "rasserein" waren und später sogar teilweise an die Nazis ausgeliefert wurden. Zu all dem Hin und Her mit Namen, das taktisch bedingt ist, meint Fahrenkrog: "Name ist Schall und Rauch: Wir wissen, was gemeint ist."

"Nicht jüdisch"

Die Freireligiösen betrachten sich 1933/34 als klar nationalsozialistisch orientierte Organisation, die dem vermeintlich "sozialistischen" Röhm/Strasser/Reventlow-Flügel der NSDAP nahesteht. Frühere SPD-Mitglieder der Freireligiösen treten der NSDAP bei, in ihren regionalen Schwerpunkten wird nun mehrheitlich NSDAP gewählt. Sofort geht man daran, "die rassischen Forderungen der ADG" zu formulieren und betont, weil die Zeitschrift "Deutscher Glaube" im "Verlag C. L. Hirschfeld, Stuttgart" erscheint: "Es wird darauf hingewiesen, daß der Verlag Hirschfeld nicht jüdisch ist." Bergmanns Hauptbuch, "Die deutsche Nationalkirche" von 1933 wird gemeinsam mit Rosenbergs "Mythus" am 7. Februar 1934 von der katholischen Kirche auf den Index gesetzt. Am 17. Juni 1934 nennt sich der BGDG wieder in Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands (BFGD) um und tritt offiziell der ADG bei, mit der er gemeinsame antichristliche und antijüdische Hetzveranstaltungen abhält, z. B. in Leipzig in den alten Räumen des BFGD. Hauer, der bereits eine enge Beziehung zu Himmler und Heydrich und offenbar Vorinfomationen über die Aktionen gegen die Röhm/Strasser-Gruppe am 30. Juni 1934 hat, tritt der SS bei und verzichtet am 17. Juni 1934 auf die Wiederwahl als Vorsitzender des BFGD. Peter bleibt Geschäftsführer, Bergmann tritt in den Bundesvorstand des BFGD ein, der nur noch aus NSDAP-Mitgliedern besteht (Bergmann, Peter, SS-Standartenführer Eckert, Klimm). Bergmann wird im Sommer 1934 Vorsitzender des BFGD. Im Laufe des Jahres 1934 erklärt sich Peter bereit, die Führung aller Freireligiösen Gemeinden an Vertrauensleute der SS zu übergeben. Im Dezember 1934 übernimmt Peter den Ludwig-Fahrenkrog-Verlag der GGG.

In den Jahren 1933/34, als innerhalb der deutschen Polizei der Machtkampf zwischen der Göring- und der Himmler/Heydrich-Linie tobt, werden einige Freireligiöse Gemeinden, dann auch andere völkisch-religiöse Gruppen, verboten. Die Verbote haben kein System, erscheinen wahllos. Zum Teil trifft es die Freireligiösen Gemeinden, die von Sozialdemokraten geführt worden waren; diese Sozialdemokraten werden jedoch meist schon vor dem Verbot von ihren eigenen Gemeinden zum Rücktritt gezwungen, wenn sie nicht zur NSDAP übertreten wollen. Möglicherweise sind die Verbote nur Teil des Machtkampfes um die Polizei. Hauer, Bergmann und Peter intervenieren mehrfach bei der Gestapo, auch bei dem Chef des Sicherheitsdienstes der SS, Reinhard Heydrich, und dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler persönlich (Himmler vertraut Hauer), und erreichen hier und da die Aufhebung von polizeilichen Verboten freireligiöser Gemeinden. Heydrichs Stellvertreter, der berüchtigte Werner Best, tritt im Januar 1934 in den Führerrat der ADG ein und beaufsichtigt nun den Fortbestand der Freireligiösen. Erst am 20. November 1934 werden in der Folge der Fraktionsstreitigkeiten innerhalb der NSDAP, die bereits in der Röhm-Affäre gipfelten, vom mächtigsten Gegner der Röhm/Strasser/Reventlow-Fraktion und Konkurrenten Himmlers um die Herrschaft über die Polizei, dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, der BFGD und seine Gemeinden - aber nur für das Gebiet des Staates Preußen! - verboten. Die Bundesführung des BFGD in Leipzig unter Bergmann, Peter und Eckert und etliche Gemeinden außerhalb Preußens bleiben legal bestehen, der Bundesführung wird sogar ausdrücklich das Vertrauen der Gestapo ausgesprochen, die von Heydrich geführt wird. Das Verbot wird nun genutzt, um das letzte "Fremdblut" aus dem legalen BFGD "auszumerzen".

Wiederzulassung 1935

Während des Jahres 1934 entfremden sich die eitlen Hauer und Bergmann mehr und mehr über die Frage, wer von beiden die authentische nationalsozialistische Volksreligion geschaffen habe. Darüber gestritten wird auch in "Deutscher Glaube". Bergmann tritt aus dem Führerrat der ADG aus und als Mitherausgeber von "Deutscher Glaube" zurück. Da er nun Chef des BFGD ist, wird in den verworrenen Machtkämpfen der gerade begonnenen Nazi-Herrschaft das Verbot des BFGD auch ein Schlag gegen Bergmann als dem wichtigsten Konkurrenten Hauers und Rosenbergs (der in seinem "Mythus" ebenfalls eine Nazi-Religion propagiert, die Hauer zum Teil nur abschreibt). Im April 1935 löst sich der BFGD freiwillig (!) auf, im Juni 1935 hebt die sächsische Landesregierung die Körperschaftsrechte der aufgelösten Vereinigung auf. So relativiert sich das Verbot, von dem die Prenzlauer-Berg- Ausstellung spricht, doch sehr.

Bergmann erreicht bei Heydrich 1935 die Wiederzulassung der BFGD-Zeitschrift "Deutsche Glaubenswarte", wenn dies - so Heydrichs Bedingung - unter einem neuen Namen geschehe. Gemeinsam mit Peter, der als BFGD-Geschäftsführer die "Glaubenswarte" bis zum Verbot herausgab, führt Bergmann nun diese Zeitschrift in die bereits bestehende Zeitschrift "Deutsches Werden" des Fahrenkrog-Verlags über, den Peter ja bereits Ende 1934 übernommen hat. Die Freireligiösen Gemeinden organisieren sich nun als legale Lesekreise um diese Bergmann-Peter-Zeitschrift, eine nationalsozialistsche Hetzzeitschrift. 1937 erreichen Bergmann und Peter die rechtliche Wiederzulassung der Dachorganisation, die nun nicht mehr BFGD, sondern "Gemeinschaft Deutsche Volksreligion" (GDV) heißt. Bergmann wird ihr Vorsitzender, Peter wieder Geschäftsführer; gemeinsam hetzen sie nun gegen "fremdrassige Religionen". Peter veröffentlicht 1941 in seinem Verlag das Buch "Ernst Bergmann und seine Lehre" mit "Aussprüchen von Bergmann": "Die größte Sünde an der Menschheit war der jüdisch-christliche Sündenglaube." Oder: "Nationalsozialistische und christliche Ethik sind unvereinbare Gegensätze." Und: "Wer Ausmerze der Erbminderwertigen und Bestenauslese der Erbtüchtigen erstrebt, wer Sozial-Aristokratie will, kann nicht mehr Christ sein." Durch solche Erkenntnisse, kommentiert Peter im Vorwort, habe Bergmann "mitgearbeitet am geistigen Aufbau des Reiches in treuer Gefolgschaft zum Führer". Die GDV, so Bergmann und Peter gemeinsam in der Schrift "Was will die Gemeinschaft Deutsche Volksreligion?" von 1938, strebe "eine gesunde und natürliche, auf artreinem Deutschtum beruhende Religion" an, damit "das deutsche Volk das geistige Führervolk der Menschheit" werde; man glaube, "daß an der deutschen Religion die Welt genesen könne, so wie sie an der christlichen Religion vor zweitausend Jahren erkrankte". - "Handeln im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung", so Peter und Bergmann hier, "das wollen wir tun, wir deutschen Freireligiösen oder freien Deutschreligiösen." Alles 1998 immer noch nachzulesen in der Staatsbibliothek, verschwiegen in der Freireligiösen-Ausstellung im Prenzlauer-Berg-Museum.

Berliner Freireligiöse Nazi-Gemeinde

Auch die Berliner Freireligiöse Gemeinde besteht nach dem "Verbot" Görings weiter und hält sogar "seit Sept. 1935 monatlich 2 mal" und "mit Genehmigung der Behörde" in ihrem Haus in der Pappelallee 15 auf dem Prenzlauer Berg (das doch nun angeblich enteignet ist, glaubt man der Ausstellung) "Gottesdienste" ab. Das berichtet 1993 der heutige HVD-Autor Norbert Pech in dem Heftchen "Freies Denken an der Spree" nach einem Dokument aus dem Archiv des Bezirksamtes Prenzlauer Berg. Doch in dem Katalog des Kulturamtes Prenzlauer Berg zur Ausstellung 1998 läßt Pech, der hier wieder schreibt, genau diese Stelle aus seinem Artikel von 1993 über den Fortbestand der Gemeinde im Jahre 1935 weg - der 1993 gegründete HVD kann 1998 keine Relativierung seiner Verbots- und Verfolgungslegenden gebrauchen.

Auch zu der großen Sportpalast-Kundgebung 1935 in Berlin, die Hauers "Deutsche Glaubensbewegung" (wie die ADG nun heißt) gegen Christentum und Judentum und gegen den christlichen Religionsunterricht an staatlichen Schulen veranstaltet und auf der Hauer und andere unter dem Saalschutz von SA und SS in primitiver Weise gegen Christen und Juden hetzen, strömen die Berliner Freireligiösen massenhaft. "Ohne Belästigung seitens der Behörden", so liest man auf Seite 87 des fest verschraubten Buches aus der Ausstellung, das die Besucher nicht einsehen dürfen, "blühte das Gemeindeleben wieder auf", nachdem die Freireligiösen 1937 mit der GDV wieder eine eigene legale reichsweite Dachorganisation hatten, "Büroräume wurden in Leipzig gemietet, Vortragsreisen veranstaltet, wobei Bergmanns Schriften eine besondere Hilfe leisteten". 1942 veranstalten die Freireligiösen in Berlin einen großen reichsweiten Kongreß, auf dem Peter über die Lage der Gemeinden berichtet. 1944 hat der frühere BFGD unter Bergmann und Peter und dem neuen Namen GDV bereits wieder 18.000 Mitglieder und das frühere Verbandsvermögen von 50.000 Reichsmark, das Göring 1934 beschlagnahmte, mit 48.000 Reichsmark fast wieder erreicht, vgl. Seite 88 des fest verschraubten Buches aus der Ausstellung. Doch der HVD und das Prenzlauer Kulturamt wollen uns heute weismachen, die Freireligiösen seien damals verboten gewesen; deshalb wurde das Buch wohl eingeschraubt.

Wer sich in der Ausstellung, in der Beerdigungslisten der Freireligiösen Gemeinde für den Friedhof Pappelallee aus dem Jahre 1936 gezeigt werden, und beim Lesen des Katalogs, der von 55 Urnenbeisetzungen auf diesem Friedhof in den Jahren 1939 bis 1941 berichtet, fragt, wieso denn nach dem "Verbot" und der "Enteignung" des Gemeindefriedhofs die "verbotene" Gemeinde hier weiterhin beerdigen konnte, findet in dem fest verschraubten Buch eine Erklärung: "Verbot" und "Verfolgung" sind die Lebenslügen des HVD, Fälschung ist seine Methode.

Kontinuität nach 1945

Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube" bleibt Sammelpunkt der Freireligiösen in den 30er und 40er Jahren. Als 1936/37 der Niedergang der DG beginnt, nähert Hauer sich wieder Bergmann an, der nun die GDV führt. Hauer macht in "Deutscher Glaube" für Bergmanns Schriften Reklame, Bergmann schreibt hier wieder, Vordenker der Freireligiösen wie Ernst Haeckel werden positiv gewürdigt, ab 1939 schreibt hier auch der spätere Präsident des 1949 wiederbelebten BFGD und Mitautor des fest verschrubten Buches von 1959, Wilhelm Bonneß, und lobt hier 1942 die "nationalsozialistischen Rassenerkenntnisse". 1940 warnt Hauer hier vor Juden, die aus den jüdischen Gemeinden austräten und sich mit der Bezeichnung "gottgläubig" zu tarnen versuchten (um der Vernichtung zu entgehen): die Bezeichnung "gottgläubig" käme nur seinen Anhängern zu, niemals "Fremdrassigen", Mißbrauch ist anzuzeigen. 1942 würdigt das NSDAP-Mitglied Gerhard Bednarski hier den "rassereinen" Ludwig Fahrenkrog "zum 75. Geburtstag".

Beim Einmarsch der amerikanischen Truppen in Leipzig im April 1945 begeht Bergmann Selbstmord, im November 1945 schreibt Peter seine GDV-Freunde an und belebt den BFGD wieder; er wird Geschäftsführer. Gemeinsam mit Fahrenkrogs "Germanischer Glaubens-Gemeinschaft" und der "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft" (in der Bednarski und Grabert ab 1946 die Autoren von Hauers "Deutscher Glaube" sowie führende SS-Leute und verurteilte Kriegsverbrecher sammeln) gründet der BFGD 1949 den "Deutschen Volksbund für Geistesfreiheit" (DVfG) in Anlehnung an den VfG der 20er und frühen 30er Jahre wieder. Auch Hauer ist dabei. Kirchenkampf? Judenverfolgung? Schwamm drüber. Hauer verkauft seine "Arier" jetzt unter dem Namen "abendländischer Mensch", denn "Name ist Schall und Rauch, wir wissen, was gemeint ist" (Fahrenkrog 1934). Hauers antisemitischer Rassismus ist ungebrochen; er pflegt ihn nun in der "Freien Akademie" (einem Klub, den Hauer gründet, nachdem die Alliierten seine DG und ihre Nachfolger verboten haben) und bei den "Deutschen Unitarien", deren unangefochtener Vordenker er bis weit nach seinem Tod, bis in die 80er Jahre ist. Die Freireligiösen paktieren in den 50er, 60er, 70er Jahren und weiterhin vielerorts mit Alten Nazis. Auch das "Fremdblut" (Fahrenkrog 1934) bleibt weiterhin draußen, bei den "Deutschen Unitariern" z. B. dürfen satzungsgemäß bis 1993 (!) nur Deutsche Mitglied werden.

Die winzige Berliner Gemeinde, die sich inzwischen "Freigeistige Gemeinschaft" nennt, ist 1959 der Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen assoziiert (heutiger Name: Freie Humanisten Niedersachsen, damals Mitglied des BFGD, heute kooperiert sie mit dem HVD), die jahrzehntelang von dem Alt- und Neonazi Dietrich Bronder geführt wird, dem Nachfolger Peters als Geschäftsführer des BFGD. 1990 bringt Bronder sein Buch "Weltpanorama" heraus, in dem er bekennt, schon 1933 als Hitlerjunge bei der Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz freudig mitgemacht und nach 1945 die "Lügen" der Alliierten über Auschwitz niemals geglaubt zu haben. Seit 1993 betreibt die Berliner "Freigeistige Gemeinschaft - Freireligiöse Gemeinde", die seit 1945 offenbar nur noch aus einer Handvoll Personen bestanden hat, den Zusammenschluß mit dem HVD und verschafft dem HVD die Existenzgrundlage in Ost-Berlin: ein Millionenvermögen an Immobilien, die nach der Wiedervereinigung rückübertragen werden und heute vom HVD für seine Aktivitäten genutzt werden - ein gelungener Fall von Wiedergutmachung für "nationalsozialistisches Unrecht" an den Freireligiösen.

Nazi-Symbol kommentarlos ausgestellt

Auf das fest verschraubte Buch der Ausstellung namens "Wesen und Auftrag" soll man wohl nicht zugreifen dürfen, weil es zum offiziellen Gedankengut des HVD zählt, seine Autoren aber Nazis waren. Schon die Symbole auf dem Buchdeckel sind faschistisch gemeint: Die Flamme (bekannt von den italienischen Neofaschisten oder dem französischen Front National) und das Sonnenkreuz, das sein Schöpfer Georg Pick 1934 ausdrücklich als religiöse Ergänzung zum politischen Hakenkreuz der NSDAP entworfen hatte, um auszudrücken, daß die Freireligiösen die einzig legitime Staatsreligion des Nazistaates seien, wie er 1937 schrieb. Den Besuchern der Ausstellung wird das nicht erklärt. Zu den Autoren des verschraubten Buches zählen der Nazi-Rassist Bonneß aus Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube", der Alt- und Neonazi und Auschwitz-Leugner Dietrich Bronder, der rassistische Eugeniker Gerhard von Frankenberg (der 1968 im Bergmann-Stil Fortpflanzungsverbote für "Asoziale" und Kinderprämien für "wertvolle Menschen" forderte) sowie Georg Pick, der einer der radikalsten Nazi-Theoretiker war und 1937 in seinem Buch "Die Religion der freien Deutschen" Adolf Hitler zum Gott der Freireligiösen ausrief und die NS-Polizeigesetze für göttlich erklärte. Das alles erfahren die Ausstellungsbesucher selbstverständlich nicht.

Nazis im Gästebuch

Doch manche Besucher kennen die deutsche Geschichte. Im Gästebuch der Ausstellung haben sich Anke und Horst Prem verewigt: "Sehr interessant. Dank den Initiatoren, da diese Geschichte sonst allzu schnell in Vergessenheit gerät". Horst Prem war von 1977 bis 1989 Präsident der nazistischen "Deutschen Unitarier" und verlor mehrere Prozesse gegen uns, auch vor dem Berliner Kammergericht, das uns erlaubte, die "Deutschen Unitarier" eine "nazistische Tarnorganisation" zu nennen, weil - so das Landgericht Berlin 1990 erstinstanzlich - "bis in die jüngste Vergangenheit (bei den "Deutschen Unitariern") in maßgeblichen Positionen solche Personen tätig waren, die eben nationalsozialistisches Gedankengut vertreten haben". Prem, im Zivilberuf Leiter der hochgeheimen Forschungs- und Entwicklungsabteilung der DASA (damals MBB Ottobrunn), mußte auf Druck seines Arbeitgebers die Präsidentschaft der "Deutschen Unitarier" aufgeben, nachdem wir den Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages darüber informiert hatten, daß der Chef einer Nazi-Organisation mit Verbindungen zum europäischen Neofaschismus "doch wohl kaum" die geheimen Waffenentwicklungen der NATO beaufsichtigen solle. Bei MBB/DASA durfte Prem aber bleiben. 1982 hatte Prem in der Neonazi-Zeitschrift "unitarische blätter", die auch von früheren Autoren aus Hauers "Deutscher Glaube" gemacht wurde, in einem Nachruf den früheren SS-Offizier Albert Hartl, der in Heydrichs Reichssicherheitshauptamt zeitweise der unmittelbare Vorgesetze Adolf Eichmanns war, Kontakte zu Eichmanns mutmaßlichem Fluchthelfer Bischof Alois Hudal im Vatikan unterhielt und sich nach 1945 rühmte, maßgeblich am Zustandekommen des Nazi-Euthanasie-Programms beteiligt gewesen zu sein, dann zu einem Hauptideologen und Organisator der "Deutschen Unitarier" wurde, als den "Wegweiser" der "Deutschen Unitarier" bezeichnet. Solche Leute zieht also die Freireligiösen-Ausstellung im Prenzlauer-Berg-Museum an. Es ist immer noch dieselbe, auf Heydrich und die SS bezogene Szene wie in den 30er Jahren.

Zum dicksten Klops, der Propagierung nationalsozialistischer Literatur - auch für die Jugenderziehung - als "freigeistiges Gedankengut" durch das Prenzlauer-Berg-Museum, finanziert mit Steuergeldern, später mehr. Sehen wir uns erst noch weiter die Ausstellung an:

Verwirrung stiften

Die Ausstellung treibt ein Verwirrspiel mit Namen und Begriffen, das Methode hat. Freireligiöse, bürgerliche Freidenker des 19. Jahrhunderts, proletarische Freidenker der 20er Jahre, der heutige linke Deutsche Freidenker-Verband, seine bürgerliche Berliner Abspaltung von 1958 - alles erscheint als ein Brei. In Wahrheit aber befehdeten sich Völkische und Linke heftig. bis heute, sogar vor Gericht, auch in Berlin. Die Ausstellung verschweigt dies. Warum?

Lediglich zu dem Zeichner der bürgerlichen Freidenker und Freireligiösen, dem bekannten völkischen Agitator Fidus, bekennt die Ausstellung - klein gedruckt - die Nazi-Verbindung, die einzige, die die Ausstellung überhaupt zugibt. Zu bekannt ist wohl Fidus als der herausragende Grafiker der Völkischen Bewegung, als daß man ihn kommentarlos hätte ausstellen können. Doch seine NSDAP-Mitgliedschaft soll sogleich neutralisiert werden: Er habe ja nach 1945 auch für die SED gezeichnet!

Die behauptete sozialistische Orientierung der Freireligiösen erklärt sich vor allem daraus, daß die SPD unter dem Sozialistengesetz am Ende des 19. Jahrhunderts Tarnorganisationen für ihre Mitglieder suchte, die dann in einigen - aber bei weitem nicht in allen - Freireligiösen Gemeinden unterschlüpfen konnten; nur wenige Sozialisten blieben jedoch nach Aufhebung des Sozialistengesetzes bei den Freireligiösen, die sich überwiegend politisch nach rechts außen hin entwickelten. Die Ausstellung verwirbelt diese Fakten, kehrt Ursache und Wirkung um, und am Ende sieht es so aus, als seien die Freireligiösen im Kern sozialdemokratisch statt völkisch-religiös und schließlich nazistisch gewesen. Die HVD-Legende trifft aber nicht einmal für Berlin zu, wo Sozialdemokraten die Gemeinde zeitweise dominierten.

Die nationalistischen und antidemokratischen Strömungen, die es von Beginn an in dieser Bewegung gab - z. B. in der Gemeinde von Johannes Ronge, der als Begründer der Freireligiösen in der Ausstellung breit gewürdigt wird - werden ebenfalls einfach verschwiegen, ebenso die rassistischen Theoretiker, die vom Ende des 19. Jahrhunderts an die "freigeistige" Ideologie bei Freireligiösen und bürgerlichen Freidenkern mit prägten. Dabei waren es genau diese "freigeistigen" Strömungen, die am Ende der Weimarer Republik die Oberhand gewannen und die Freireligiösen in den Nazismus und die Nazi-Verbrechen führten, und zwar als Täter.

Präfaschistisch schon bei der Gründung

Diese Entwicklung kam nicht von ungefähr, denn in Ronges Breslauer Gemeinde wurden bereits seit der Gründung 1847 Staats- und Gesellschaftskonzepte entwickelt, die den späteren faschistischen Führerstaaten zum verwechseln ähnlich waren, wenn auch die bereits voll ausgebildete faschistische Institution des Führers noch mit dem Wort "Monarch" benannt wurde. Sogar der Begriff des "positiven Christentums", der später im NSDAP-Parteiprogramm stand, kam aus Ronges Gemeinde, wo er den religiösen Überbau für den korporativistischen "organischen" Staat bezeichnete, den das Gründungsmitglied der Freireligiösen, Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck, errichten wollte. Nees gehörte zu den engsten Mitstreitern Ronges, und in der 1948er Revolution, auf die die Ausstellung imposant Bezug nimmt, agitierte Nees auch in Berlin - die Ausstellung verschweigt seine Ideen. Die späteren NSDAP-Konzepte der "Brechung der Zinsknechtschaft", der Zusammenfassung von Kapital und Arbeit in einer "Deutschen Arbeitsfront", des volksgemeinschaftlichen "Sozialismus" usw. waren von ihm bereits vorgedacht, teilweise unter anderen Vokabeln, ebenso der Kampf gegen die Parteiendemokratie und gegen die Gewerkschaften. Nachzulesen in der Staatsbibiothek Preußischer Kulturbesitz. 1938, als die Freireligiösen angeblich verboten waren, erschien in Breslau die scharfsinnige Arbeit "Die Geschichte des Deutschkatholizismus in Schlesien" von Wolfgang Leesch, ein ganz und gar nicht nationalsozialistisch gefärbtes Werk - von Verbot oder Verfolgung der Freireligiösen keine Spur, im Gegenteil: Leesch stellte sie 1938 als die Vorläufer des Nationalsozialismus dar, ohne etwa platt die Nazi-Terminologie zu übernehmen. "Erst die heutige Zeit", so Leesch 1938 zurückhaltend, könne die staatstheoretischen Leistungen des frühen Freireligiösen Nees "gerecht würdigen". Dies 1998 darzustellen, hält der HVD wohl nicht für opportun.

Bewußtes Verfälschen der Geschichte

Der Sozialdarwinist Ernst Haeckel - von den Berliner Freireligiösen sogar im Verlag Adolph Hoffmann publiziert und breit rezipiert, hier mit seinem Buch "Die Welträtsel" ausgestellt - wird in der Ausstellung immer wieder erwähnt. Doch daß seine Ideen schließlich mitverantwortlich für die rassistische Eugenik- und Euthanasie-Politik der Nazis und für die Verbrechen des Komplexes Auschwitz waren - wie auch die anderer "freigeistiger" Rassisten -, daß Haeckel auch in Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube" 1936 und 1937 breit als Vordenker der Nazi-Politik gewürdigt wurde - alles dies erfahren die Besucher der Ausstellung nicht. Ein anderes Beispiel: Max Maurenbrecher, vor dem ersten Weltkrieg zeitweise SPD-Mitglied und ein Kopf der "Freigeister", wird ausgestellt, zum eigenen Gedankengut gerechnet; daß er ein Antisemit war und sich 1928 den Nazis anschloß, wird verschwiegen, obwohl man es beim HVD weiß.

Einer der größten Geschichtsfälscher des HVD ist sein Vorstandsmitglied Horst Groschopp, der im Impressum der Ausstellung für die "kulturhistorische Beratung" verantwortlich zeichnet und den Katalog des Kulturamts Prenzlauer Berg zur Ausstellung konzipierte und redigierte. Groschopp kennt die Literatur, aus der wir hier die wahre Geschichte der Freireligiösen dargestellt haben. Er zitiert sie sogar in seinem Buch "Dissidenten" von 1997 (das teilweise jedoch nur Lexikonartikel nacherzählt, statt mit historischen Quellen zu arbeiten) und gibt dort manchen Hinweis auf rassistische Bezüge der Freireligiösen - freilich erscheinen sie mit einem Achselzucken: Rassismus, Nazismus, das gab's halt, Zeitgeist eben. Eine Mitschuld der Freireligiösen an den Nazi-Verbrechen wird nicht anerkannt. Was er in seinem Buch an Andeutungen zum Nazismus bringt, fehlt in der Ausstellung völlig, wurde hier bewußt weggelassen. Auch die Dissertation Nankos kennt man beim HVD, Nanko schreibt sogar im HVD-Blatt "Humanismus heute" - aber nur Unverfängliches; seine eigenen Erkenntnisse über die Freireligiösen im Faschismus bleiben wohl besser unbekannt. Die Schulklassen, von HVD-Lebenskunde-Lehrern in die Ausstellung geschleppt, können anschließend keine kritischen Fragen zur HVD-Tradition stellen. Für Kinder und Jugendliche (80 % des staatlich bezahlten HVD-Lebenskunde-Unterrichts an öffentlichen Berliner Schulen wird Kindern in der Grundstufe erteilt, davon zwei Drittel in Ost-Berlin) hat man anderes parat.

Lebenskunde-Unterricht "frei von Fremdblut"?

Der Ausstellungskatalog des Kulturamtes Prenzlauer Berg gibt Aufschluß: Er nennt Carl Peter namentlich, unverfänglich, ohne auch nur eine Andeutung dessen zu bringen, was wir hier dargestellt haben; der HVD bekennt sich zu ihm, Schulklassen sollen sich womöglich an Peters Schriften orientieren, aber seinen Nazismus verschweigt der Katalog. Er nennt auch das fest verschraubte Buch "Wesen und Auftrag" als Teil des HVD-Gedankengutes, erneut sollen wohl Grundschüler ehrfürchtig die nicht erklärten Nazi-Symbole auf dem Buchdeckel anschauen, wiederum werden die politischen Hintergründe der Nazi-Autoren des Buches nicht offengelegt; gleichfalls wird verschwiegen, daß in diesem Buch ganz selbstverständlich der Plan Bergmanns von 1940 zur Errichtung "deutschläubiger Fakultäten" an Universitäten wieder aufgegriffen und als Forderung der Freireligiösen der 50er Jahre vorgestellt wird. Der Katalog nennt sogar beiläufig den Begriff "deutschgläubig" und Arthur Drews, doch er erklärt so wenig wie die Ausstellung, was "deutschgläubig" real hieß (Antisemitismus, Christen- und Juden-Verfolgung) und verschweigt, daß Drews im Führerrat von Hauers "Deutscher Glaubensbewegung" saß. Er weist auch formal auf Nankos Dissertation zur "Deutschen Glaubensbewegung" hin (als Fußnote), doch was sie beinhaltet, den Zusammenhang von Freireligiösen und Nazismus, verschweigt der Katalog des Kulturamtes. Er vertuscht die wahren Zusammenhänge, wie auch die Ausstellung sie vertuscht.

Dann behauptet der Katalog noch fälschlich, das "Kulturhistorische Archiv des Humanistischen Verbandes" sei "für die Wissenschaft und die Öffentlichkeit zugänglich". Doch wer beim HVD nachfragt, wird abgewiesen, wie auch bei den heutigen Archiven des BFGD. Nur Mitglieder (und allenfalls noch eingefleischte Neonazis wie der Freireligiösen-Autor Peter Bahn) erhalten in solche Archive Einsicht. Man weiß, warum.

Den dicken Klops bringt der Katalog: Es gebe "nach eigenen Recherchen nur eine 'echte' freigeistige Bibliographie", heißt es dort, die von Karl Becker, Chef der württembergischen Freireligiösen. Der Inhalt des Buches wird wiederum verschwiegen.

Das Buch des Nazi Becker (der auch behauptete, nicht die Nazis, sondern die Christen seien Schuld am Krieg gewesen) heißt "Freigeistige Bibliographie. Ein Verzeichnis freigeistiger, humanistischer und religionskritischer Literatur", erschien 1974 und ist in beiden Häusern der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz im Freihandbereich vorhanden. Es will, so Becker im Vorwort, das "Wissen über die freigeistige Weltanschauung erweitern" und nennt mehrere hundert Bücher kommentarlos und gleichberechtigt als Quelle "freigeistigen" Gedankengutes. Im ersten Kapitel "Freigeistige Weltanschauung" nennt er mehrfach als "freigeistige" Autoren Wilhelm Hauer, Georg Pick, Hauers "Freie Akademie" und den "Deutscher Glaube"-Autor Fritz Castagne (1984 gründete er die rechtsextremistische Kieler Liste für Ausländerbegrenzung), den Mitherausgeber von "Deutscher Glaube" und SS-Offizier beim "Rasse und Siedlungsamt" Thüringen Lothar Stengel-von Rutkowski, den Mitarbeiter der "Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands" Hans Grunsky (dessen Bücher gegen "die Judaisierung unseres deutschen Geisteslebens" in den 30er Jahren in "Deutscher Glaube" empfohlen wurden), Bronder, von Frankenberg, Maurenbrecher, Drews, Hartl, die "Deutschen Unitarier", den Mitherausgeber von "Deutscher Glaube" und Mitglied des Führerrates der "Deutschen Glaubensbewegung" Gustav Frenssen, und als Quelle für den "Freien Religionsunterricht" Ludwig Fahrenkrog - alles kommentarlos. Wer bisher nicht wußte, was HVD-Lebenskunde-Unterricht ist, kann sich nun eine Vorstellung machen. Welches Grundschulkind ist in der Lage, in Texten aus Fahrenkrogs Buch "Vom rechten Tun und Lieben. Ein Volksbuch für Schule und Haus in Bildern, Geschichten, Fabeln und Parabeln" von 1952 die geistige Vorbereitung für den Komplex Auschwitz oder für heutige Pogrome gegen Ausländer zu erkennen?

Kriegsverbrecher Rosenberg als "Freigeist"

Im Kapitel "Religionswissenschaft" dieser einzigen "echten freigeistigen Bibliographie" nennt Becker den Chefideologen der NSDAP Houston Stewart Chamberlain und den Nazi Fritz Castagne und macht ein Unterkapitel "Nationalsozialistische Weltanschauung und Kirchenkritik" auf, in dem er Rosenbergs "Mythus" sowie die Schriften der "Deutschen Glaubensbewegung" und schließlich auch Bücher der Ludendorffer-Sekte (sie war zwischen 1961 und 1974 wegen ihres Antisemitismus verboten) als ernst zu nehmende "religionswissenschaftliche" Literatur in der Tradition des "Humanismus" vorstellt (Vorwort). Jetzt können die Neonazis sagen: Wieso, ist doch alles HVD-Literatur, abgesegnet vom Kulturamt Prenzlauer Berg!

Peter Kratz, Leiter des BIFFF..., kommentiert die Affäre: "Der HVD ist ein Fall für den Verfassungsschutz. Wer Nazi-Literatur als eigenes Gedankengut anpreist, muß raus aus den Schulen. Die CDU muß sich des christlichen Widerstands gegen die Nazis erinnern und tätig werden, schließlich stellt sie den Innensenator. Endlich mal eine Möglichkeit für den Berliner Verfassungsschutz, etwas Positives zu bewirken." Allerdings sitzt ein HVD-Autor bereits im Kölner Verfassungsschutzamt: Armin Pfahl-Traughber, der schon in manchen weit rechten Zeitschriften publizierte, auch beim BFGD und beim HVD, machte auf dem SPD-Ticket in der Kölner Behörde Karriere.                                    
(Dezember 1998)

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