Peter Kratz: "Die Götter des New Age.
Im Schnittpunkt von 'Neuem Denken', Faschismus und Romantik"
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5. Die braunen Götter der
"Deutschen Unitarier"

Enttarnung völkischer Rassisten
 

      Inhalt des Kapitels 5:

      
Erster Teil:
      Entstehung der DUR aus dem Nazi-Kirchenkampf

      Die "Nordische Bewegung" als ideologische und personelle Quelle der DUR
      Die engere Rosenberg-Szene als Quelle der DUR
      Andere "Deutschgläubige" als DUR-Quellen
      Die DUR als Drehscheibe faschistischer Kontinuität
      Der Fall Thomas Darsow
      Der Fall Helmut Lölhöffel
      Der Fall Horst Prem

       Zweiter Teil:
      Arbeit an der "Neuen Rechten" der neunziger Jahre
      Zweigorganisationen der DUR
      In der Mitte der Gesellschaft: Prominente für die DUR
 

Die "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft e. V." (DUR) sowie ihre Zweigorganisationen und Abspaltungen zählen zu den Gruppierungen, die bis Mitte der achtziger Jahre vom Antifaschismus weitgehend unbeachtet gelassenen wurden. Dabei ist die DUR in Wahrheit seit ihrer Gründung eine Drehscheibe für Ideologie und Personen des (Neo-) Faschismus, denn sie ist die direkte Nachfolgerin der "Deutschen Glaubensbewegung" (DG), die das Hauptinstrument des Kirchenkampfs der Nazis war. Während z. B. die eher randständige Sekte der Ludendorffer immer im Blickfeld antifaschistischer und verfassungsschützender Beobachtungen und Aktivitäten stand, genießen die "Deutschen Unitarier" das Privileg, Teil der Bewegung der Freireligiösen und damit vermeintlich unverdächtig zu sein. Die DUR konnte sich im Gegensatz zu den geächteten Ludendorffern in der Mitte der Gesellschaft fest verankern, wurde und wird aus Steuer- und Wohlfahrtsgeldern finanziert und erfreut sich einer breiten Unterstützung prominenter Mitglieder der bundesdeutschen Gesellschaft. Intensive Recherchen, die die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" und das "Antifaschistische Forum Kiel" seit einigen Jahren über die DUR und ihr Umfeld anstellten, brachten dagegen die Wahrheit dieser Sekte zutage: Sie ist in Ideologie und Personal auf Führungs- und Mitgliederebene im wesentlichen nationalsozialistisch bzw. neonazistisch bestimmt. Dabei ist insbesondere die rassistische Richtung des "nordischen Mythos", die die Basis des NS-Rassismus abgab, ausschlaggebend. Führende Personen der völkischen Bewegung, der SA, SS und Gestapo, Mitkämpfer und enge Mitarbeiter des NSDAP-Chefideologen und "Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Schulung und Erziehung der NSDAP", Alfred Rosenberg, und des Chefs des "Rasse- und Siedlungsamtes" der SS, Reichsbauernführers und NS-Ernährungsministers, Walter Darré, haben die DUR zum eigenen Unterschlupf nach 1945 aufgebaut und inhaltlich geprägt. Dabei schreckten sie auch nicht vor der Zusammenarbeit in dem nationalsozialistischen und neofaschistischen kriminellen Bereich zurück. Ohne Zweifel werden sich in der DUR und ihrem Umfeld auch nicht-nazistische Mitglieder finden lassen, die jedoch vor allem als "weiße Westen" oder "lebende Persilscheine" eine Rolle spielen, kaum jedoch in der Ideologieentwicklung und der Organisation der Sekte. Diese Personen müssen sich fragen lassen, warum sie trotz des jetzt bekannten Wesens der "Deutschen Unitarier" dieser Sekte weiterhin angehören bzw. sie unterstützen wollen.

In der DUR finden sich ebenso Ideologen wie Täter des Faschismus, es zeigen sich Verbindungen in die Spitzen der Nazi-Ideologiezentren ebenso wie in die Spitzen der Nazi-Terrorzentralen. Linien lassen sich zeichnen nach Südamerika, wo die SS-Mörder-Szene im Asyl lebte, und zu den Fluchtmöglichkeiten, die den NS-Verbrechern via Vatikan eröffnet wurden. Gerade das Zusammentreffen von Theorie und Praxis der faschistischen Weltanschauung und ihre aktuelle Verankerung in der Mitte der Gesellschaft macht diese Sekte zu einem interessanten Studienobjekt. Die Funktion des pantheistischen Organizismus als der Ideologie, die schlimmste Verbrechen religiös legitimiert und damit für die verbrecherisch agierenden Individuen erst jeweils subjektiv ermöglicht, läßt sich an keinem Beispiel so gut darstellen wie an der DUR.

Raul Hilberg schreibt in seinem Buch "Die Vernichtung der europäischen Juden": "Der deutschen Vernichtungsmaschinerie wurden keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt. Kein moralisches Problem erwies sich als unüberwindlich. Auf den Prüfstand gestellt, gab es unter den Beteiligten nur wenige Zögernde und so gut wie gar keinen Deserteur. Das sittliche Erbe gelangte nirgendwo zum Durchbruch. Dies ist ein Phänomen von allergrößter Bedeutung." Wir meinen, daß das "sittliche Erbe" bereits im selbstvergöttlichenden, faustischen pantheistischen Organizismus der "deutschgläubigen" "New Age"-Bewegung der zehner, zwanziger und dreißiger Jahre vernichtet worden war, bevor deren Gläubige ohne moralische Skrupel zu Tätern der Maschinerie der physischen Vernichtung wurden. Daß sich nach 1945 sehr viele aus dieser Nazi-Ideologen- und -Täter-Szene in der Sekte der "Deutschen Unitarier" als einer - wenn nicht der - Hauptvertreterin des pantheistischen Organizismus in Deutschland bis zum Aufkommen des New Age zusammenfanden, sehen wir als ein Hauptbeleg unserer These. (404)

Die Kontinuität ist praktisch: Etliche Funktionäre und Prominente der DUR kandidierten für neofaschistische Parteien, so z. B. für die NPD, die "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung" (KLA) oder die "Republikaner" (REP); es gab Verbindungen von DUR-Prominenten zu fast allen wichtigen neofaschistischen Organisationen, in den rechtsextremistischen Verlagen "Grabert" und "Arndt" veröffentlichen die wichtigsten Ideologen der DUR. Seit dem Ende der achtziger Jahre dominiert in der Sekte die Fraktion der "Neuen Rechten", die vom Lebensalter her keinen eigenen Bezug mehr zum historischen Nationalsozialismus hat, jedoch überwiegend innerhalb der DUR von "Alten Nazis" geschult wurde bzw. diese zu ihren leiblichen Eltern hat - es konnten zahlreiche Familien- oder "Sippen"-Traditionen innerhalb der Sekte aufgezeigt werden, bei der die biologische Herkunft im Zentrum des "Glaubensgutes" steht. Durch innere Zersetzungen und Spaltungen, die in den letzten Jahren aufgrund massiver antifaschistischer Angriffe gegen die DUR stattfanden, scheint sie zur Zeit einen Teil ihrer Drehscheibenfunktion eingebüßt zu haben. Zum Ausgleich versucht sie heute, im breiten Strom des New Age und der Ökologiebewegung unerkannt mitzuschwimmen und hier rechtsextremen politischen Einfluß zu nehmen. Auch hilft es der Sekte, daß prominente Sozialdemokraten sie unterstützen. In der Auseinandersetzung mit Antifaschisten haben sich die heute führenden Funktionäre der DUR jedoch immer wieder demonstrativ vor Personen gestellt, die die nazistische und verbrecherische Tradition verkörpern.

Das Zeichen der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft verbindet Lebens- und Todesrune zur Hagalsrune, ähnlich dem Zeichen auf dem Totenkopfring der SS.

Erklärung der Rune in der DUR-Zeitschrift "glaube und tat".
(Vgl. weitere DUR-Zeichen.)

In etlichen Gerichtsprozessen hat die DUR vergeblich versucht, Bezeichnungen wie "völkisch-rassistische Sekte", "nazistische Tarnorganisation" oder "Nazi-Sekte" verbieten lassen. Auch die Aussage von Antifaschisten, die DUR führe sich auf eine entliehene Geschichte rheinhessischer Freiprotestanten zurück, um ihre wahre nazistische Herkunft zu vertuschen, blieb aufgrund mannigfacher Beweise gerichtlich erlaubt. Die Gerichte in Berlin, Hamburg, Kiel, Bonn und Köln gaben zwischen 1989 und 1992 den Antifaschisten recht: Durch die Masse des vorgelegten Beweismaterials aus den Archiven und aktuellen Publikationen der DUR überzeugten sich die Gerichte, daß "bis in die jüngste Vergangenheit beim Kläger (der DUR, P. K.) in maßgeblichen Positionen solche Personen tätig waren, die eben nationalsozialistisches Gedankengut vertreten haben" - so formulierte es das Landgericht Berlin in einer vom Kammergericht bestätigten Entscheidung. Das Landgericht Hamburg, dem sich das Hanseatische Oberlandesgericht im Berufungsverfahren anschloß, urteilte, die Bezeichnung "Nazi-Sekte" habe "den erforderlichen Sachbezug" zur DUR-Wirklichkeit und sei daher zulässig. Die DUR konterte schließlich die rechtskräftigen Gerichtsurteile mit einem hilflosen Angriff auf das Grundgesetz: Es werde die Meinungsfreiheit "mißbraucht", so der Hamburger DUR-Landesgemeindeleiter Helmut Kramer, seit den fünfziger Jahren Funktionär der Sekte. In einem von Kramer unter dem DUR-Briefkopf 1991 veröffentlichten "Kommentar zur gerichtlichen Auseinandersetzung" lügt er dann sogar, den Antifaschisten seinen von den Gerichten "hohe Strafen" angedroht worden - nichts davon wahr, aber wer sein eigener Gott ist, darf wohl auch lügen. (405)

Die vorliegende zusammenfassende Darstellung über die DUR bringt neue, bisher nicht veröffentlichte Ergebnisse der antifaschistischen Recherche und einen Ausblick auf die weiter zu erwartende Entwicklung der Sekte und ihrer Zweigorganisationen im Zusammenhang mit dem New Age. (406)

Die DUR gibt ihre Mitgliederzahl mit circa 3000 an, widersprach jedoch bisher nicht der Angabe, sie bestehe heute aus weniger als 200 Aktiven. Die jetzt tonangebende mittlere Generation der ehrenamtlichen Funktionäre gehört fast ausschließlich der gehobenen Mittelschicht an und verfügt über gesellschaftlich einflußreiche berufliche Positionen in der Wirtschaft und im Schul- und Hochschulbereich. Sie setzt damit die Tradition ihrer Vorgänger fort, die trotz ihres oft nachweisbaren ungebrochenen ideologischen Engagements für den Faschismus bis in leitende Funktionen der bundesdeutschen Justiz, der Ministerialverwaltungen und Gemeindeämter vordrangen. Lediglich einige wenige waren als schwer belastete ehemalige Top-Nazis in Spitzenpositionen untragbar. Seit Anfang der achtziger Jahre - also kurz vor dem Einsetzen der antifaschistischen Aktionen - sitzen Sektenmitglieder jetzt auch in linken Organisationen wie DGB-Gewerkschaften, SPD oder "grünen" Parteien. Dies ist der Sekte äußerst nützlich, um Geld zu beschaffen und sich gegen antifaschistische Angriffe zu verteidigen.

In den öffentlich zugänglichen Schriften der DUR, die ausgewertet werden konnten,  (407)  finden sich über die letzten vier Dekaden die im vorliegenden Buch behandelten Inhalte des pantheistischen Organizismus wieder. Dies erstaunt nicht, denn eine führende Exponentin, Sigrid Hunke, ist nach wie vor die eigentliche Chefideologin und bis Ende 1988 die Ehrenpräsidentin der DUR. Bis zur Mitte der achtziger Jahre wird der Organizismus offensiv um die rassistische Komponente des "Nordisch-Arischen" ergänzt, die sich in der Konservativen Revolution bisweilen nicht oder im New Age fast gar nicht offen findet. Der Rassismus in DUR-Schriften mündet in den achtziger Jahren in explizite Ausländerfeindlichkeit bis hin zur Militanz. In der DUR herrscht die Tendenz vor, unterschiedlich erscheinende ideologische Ansätze des Organizismus - z. B. von Mathilde Ludendorff, Rudolf Steiner, Wilhelm Hauer, Pierre Teilhard de Chardin, Hoimar von Ditfurth - zusammenzuführen, um am Ende zu einer einheitlichen "Dritten Konfession" oder "europäischen Religion" zu gelangen. Die Absicht, sich selbst als die organizistische Sammlungsbewegung zu sehen - mindestens jedoch als das Diskussionsforum für die verschiedenen Strömungen -, ist in den DUR-Texten immer wieder spürbar. Auch hierbei setzt man auf Kontinuität: Die Titel-Themen der meist monatlich erscheinenden offiziellen DUR-Zeitschriften "glaube und tat" (g+t; bis 1977) und "unitarische blätter" (ub; ab 1978) wiederholen sich oft fast im Zehnjahresrhythmus; das ist nicht erstaunlich, denn seit 1950 sind beide Zeitschriften von einer bemerkenswert durchgehenden redaktionellen Mitarbeit immer derselben Personen gekennzeichnet.

Das letzte Ziel der weltanschaulich-religiösen Bemühungen der DUR ist die pantheistische Legitimierung selbstgöttlicher faustischer Taten und faustischer Technik als deren Hilfsmittel. Hier ist allein schon der Zeitschriftentitel "glaube und tat" als Programm zu sehen. Dies zeigt sich in der Debatte um Eugenik und Euthanasie, die in der DUR von den alten Nazi-Eugeniker und -Euthanasisten betrieben wurde, über den langjährigen DUR-Präsidenten Horst Prem, der als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von MBB/DASA Ottobrunn einer der Top-Manager im Bereich der NATO und der Weltraum- und Rüstungsforschung ist, bis zu dem Physiker Wolfgang Deppert von der Universität Kiel, der als langjähriger "theologischer" Chef der Sekte die Nutzung der Atomkraft befürwortet. Handfestes fällt zusammen mit Mystischem: DUR-Einrichtungen verfügen über "Feierhöfe" und "Thingplätze", es wird in den DUR-Schriften von den nordischen Deutschen als dem "Volk des Lichts" fabuliert, dessen Kultort die Externsteine seien. Ein ehemaliger Mitarbeiter der SS-Organisation "Ahnenerbe" fordert in "g+t" die Wiederaufnahme der unwissenschaftlichen "Ahnenerbe"-Ausgrabungen an den Externsteinen. Mit dem selbst ernannten "Schüler" des "Ahnenerbe"-Gründers Hermann Wirth, Werner Georg Haverbeck, und dessen "Collegium Humanum" arbeitet man zeitweilig zusammen, auf sein faustisches Technik-Verständnis bezieht man sich. Die Gotik, Meister Eckhart und die kolonialistischen Staufer-Kaiser, besonders Friedrich II., müssen bei der DUR ebenso herhalten zur Konstruktion der "arischen" Religion (mit dem Ziel des handfesten "arischen" Reiches) wie die indische Philosophie, Krishna und das Zen. Die Ureinwohner Nordamerikas werden in der Manier der Indianer-Euphorie des historischen Faschismus vereinnahmt: "Von Indianern lernen" heißt 1989 ein DUR-Seminar; der Auftritt eines federgeschmückten angeblichen Schwarzfuß-Indianer-Häuptlings auf dem "Unitariertag" 1985 gerät allerdings eher zum Kostümfest.

Positive Bezüge auf Pierre Teilhard de Chardin und Antoine de Saint-Exupéry finden sich durchgehend, zu Wagner, Darwin und Goethe erscheinen teilweise mehrfach Titelgeschichten der Zeitschriften. Feuerbach, Sorel, beide Uexküll, Dürckheim, Spranger, Guardini, Schrödinger, Heisenberg, Viktor und Carl Friedrich von Weizsäcker, Capra, Dürr, Fromm, Kirchhoff, Benoist, auch Rohrmoser - sie alle sind wiederkehrende ideologische Ecksteine, aus denen in den DUR-Zeitschriften eine einheitliche Weltanschauung für (Nord-) Europäer gebastelt wird. Auch der Ernst Krieck-Mitstreiter Wolfgang Metzger wird von der DUR zu einem Vortrag eingeladen. Der von 1977 bis 1990 amtierende DUR-Präsident Horst Prem bietet als Alternative zur Demokratie die Prinzipien der Evolution an. Die "Ökologische Religion" von Hubertus Mynarek wird von dem Altnazi und langjährige DUR-Präsidenten Friedrich Ehrlicher 1987 in den "ub" gepriesen: "Mynarek verdient unseren Dank für dieses Buch." Wiederum wird Albert Schweitzers "Ehrfurcht vor dem Leben" verfälscht, die Forderungen der "Dritten Welt" nach gleichberechtigter Teilhabe am Wohlstand werden mit fadenscheinigen "ökologischen" Gründen zurückgewiesen und die Verteidigung der angeblichen nationalen und religiösen Identitäten eingefordert - dort im Süden und hier im Nordwesten als je verschiedene: Das hinterstehende Ziel ist, die soziale Ungleichheit zu zementieren. Der explizite Bezug auf Ernst Jünger rundet schließlich den Heroischen Realismus ab, der als geistig-religiöse "Orientierung im Dasein" - so der Titel des Buches, das Mynarek für die Jugendarbeit der DUR verfaßte - den Eliten zur faustischen Tat verhelfen soll.

Der neue Weg des New Age ist nur das Fortschreiten in die alte Richtung. "Lebe im Ganzen" überschreibt Friedrich Ehrlicher 1967 seinen Vortrag zum "Unitariertag", die Rede wird sodann als offizielle Schrift der Sekte herausgebracht. Ehrlicher war bereits als HJ-Mitglied im Kirchenkampf der Nazis engagiert. "Lebe im Ganzen der Gemeinschaft", "Lebe im Universum" lauten 1967 die Kapitelüberschriften, dann könne man zum heroisch-realistischen "Mitschöpfer" des Kosmos werden. 1977 beginnt Horst Prem seine DUR-Präsidentschaft als Nachfolger Ehrlichers mit dem Vortrag "Krise des Fortschritts - Überleben durch Religion", in dem er Carl Friedrich von Weizsäcker für seine Anliegen ausschlachtet. Die DUR-Zeitschrift "glaube und tat" wird jetzt in "unitarische blätter für ganzheitliche Religion und Kultur" umbenannt. Auch das verhinderte Karnevalskostüm des angeblichen Indianerhäuptlings wird 1985 "ganzheitlich" interpretiert: "Die drei Zöpfe haben symbolische Bedeutung. Sie stehen für die Einheit von Körper, Geist und Seele, d. h. für die Ganzheit des Menschen. Auf unitarisch gesagt heißt das schlicht: Lebe im Ganzen!", so die frühere Nazi-Journalistin Kriemhild Klie-Riedel, die heute überall im freireligiösen Bereich das Wort ergreift. Mit Blick auf den Schwarzfußindianer interpretiert DUR-Präsident Prem diese "Ganzheit" dann ganz offen als "Volksgemeinschaft". Nebenbei: Die drei philosophischen Kategorien Körper, Geist und Seele sind ja nun sehr europäisch-kulturell verwurzelte Unterscheidungen; merkwürdig, daß sie sich im Putz eines Indianerhäuptlings wiederfinden sollen! Im Sommer 1988 erscheinen die "unitarischen blätter" mit einem Interview, das der "theologische" Chef der DUR, Hans-Dietrich Kahl, mit dem New Ager Hans-Peter Dürr gemacht hat. "Als Unitarier auf dem Kongreß 'Geist und Natur'" heißt Kahls zugehöriger Artikel. Ehemalige Nazi-Funktionäre wie Eberhard Achterberg und Lothar Stengel-von Rutkowski ergänzen dies um Artikel über "Mittsommernacht - Sommersonnenwende" und "Moderne Kritik am Christentum". (408)

Der Sinn exotischer Kostüm-Aufzüge bei Kongressen der "Deutschen Unitarier" - 1991 mußten Asterix und Obelix auf dem "Unitariertag" herhalten - ist vor allem das Ködern von Jugendlichen, die gerade der Karl May-Zeit entwachsen sind. Klie-Riedel weiter: "Auf die Frage, wer von den verschiedenen Religionsdarstellern beim unitarischen Publikum am besten angekommen sei, lautete die einhellige Meinung: Rufus, der Indianer. Ein Jugendlicher drückte das wie folgt aus: 'Die haben eine Naturreligion, die ebenso glaubwürdig wie nachvollziehbar ist. Da steckt eine Menge unitarisches Gedankengut drin'". Wie das wohl beim Indianerdarsteller hineingekommen sein mag! 1987 erscheint "ub" mit der Titelgeschichte "Mit Spannungen leben" über die "Einheit der Gegensätze", das "Yin und Yang" bzw. die "coincidentia oppositorum", über die sich der frühere SS-Offizier Lothar Stengel-von Rutkowski hermacht. Und 1989 lautet das Motto des "Unitariertages": "Ganzheitlich denken - sinnvoll leben". Der "Leiter des Geistigen Rates" der Sekte, Wolfgang Deppert, bietet in seinem Grundsatzreferat im wesentlichen die Thesen Fritjof Capras dar.

Mit der "Einheit der Gegensätze" ist allerdings keineswegs an so etwas wie eine "multikulturelle Gesellschaft" gedacht, die allen die gleichen politischen Bürgerrechte zugesteht, auch wenn sie sich in kulturelle Fraktionen teilen mag. Denn gleichzeitig betont Depperts Nachfolger im Amt, Hans-Dietrich Kahl, Professor Emeritus für mittelalterliche Geschichte aus Gießen und schon 1947 Gründungsmitglied der DUR, auf demselben "Unitariertag" das "sehr bewußte Deutschsein" der "Deutschen Unitarier". "Volk" könne ohne Zweifel als ein "religiöser Wert" angesehen werden. Nationale Identität, das Losungswort der "Neuen Rechten", ist Teil der religiösen Identität dieser Sekte, die sich mit ihrem National-Adjektiv von anderen Unitariern auf dieser Welt abzugrenzen versucht. "Jede Nation bete auf ihre eigene Weise", dieses Wort Herders, das unter dem NS-Regime so schlimme Folgen zeitigte und das Franz Schönhuber heute gegen Mohammedaner in Deutschland schleudert, druckt "ub" 1986 als Sinnspruch. "Völker sind der Menschheit göttliche Lebensordnung", zitiert dasselbe Blatt 1990 einen der DUR-Vordenker, Friedrich Schöll. Im selben Jahr - dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, für die die DUR aus angeblich religiösen Gründen vierzig Jahre lang gekämpft hat - plädiert Kahl "für eine Neubesinnung der Deutschen auf ihre Rolle als Volk unter Völkern." Gemeint ist das Konzept der hierarchisch strukturierten "Gestalt" oder "Ganzheit", in der die Teile verschieden sind und verschiedene vorgegebene Funktionen zu erfüllen haben: die einen oben, die andern unten. Schon 1966 schreibt "g+t", das demokratische Wahlprinzip "Ein Mensch, eine Stimme" sei der nationalen Identität der Afrikaner entgegengesetzt und zerstöre sie; dieses Prinzip für Südafrika zu fordern, sei "Betrug am Neger". (409)

Die Forderungen der angeblich "Betrogenen" nach gleichen politischen Rechten, wie sie die weißen "nordischen" Rassisten haben, werden zurückgewiesen mit dem Argument eines angeblichen Gottesgesetz, das die nationalen Identitäten erhalten will. Hier wird deutlich, was man in der DUR unter "Ganzheit" versteht. 1988 variiert der "ub"-Redakteur Walter Moshammer das Thema in einer zustimmenden Rezension über "ein neues Buch des unseren Lesern seit vielen Jahren gut bekannten und geschätzten Mitarbeiters Dr. Hans Burkhardt." Sein Buch "Gleichheitswahn, Parteienwahn, Massenpsychosen der Gegenwart" erscheint im rechtsextremen Tübinger "Hohenrain Verlag" und will grundgesetzwidrig "das Geschlecht, die Konstitution und die Rasse" erneut als politische Kategorien einführen. "Burkhardt hält den Gedanken der Gleichheit aller Menschen für eine nahezu unausrottbare Heuchelei", meint Moshammer, "eine Folgeerscheinung des Gleichheitswahns sei auch der heutige Randgruppenrummel. Es sei schamlos, wenn die Schwulen sich theatralisch der Öffentlichkeit präsentieren. ... Es ist unmöglich, in einer relativ kurzen Buchbesprechung den Wert und die Bedeutung dieser aufschlußreichen Schrift Hans Burkhardts voll zu würdigen", heißt es da, "sie ist für den vom 'Zeitgeist' nicht total ideologisierten, sondern unabhängig denkenden Leser und der Leserin eine fast unerschöpfliche Fundgrube anregender Gedanken und Erkenntnisse." (410)

"Zum Leitwort" des "Unitariertages" von 1989 heißt es im Programmheft: "Ein besonders einleuchtendes Beispiel für eine solche Ganzheit gegenseitiger Abhängigkeit ist ein Organismus. So müssen etwa Herz, Lunge, Magen, Darm, Niere, usw. in ihren Funktionen richtig ineinander greifen, damit der ganze Organismus gesund ist. Die gegenseitige Abhängigkeit erkennt man daran, daß alle anderen Organe zugrunde gehen, wenn nur eines vollständig ausfällt." Und wann hätten sich die Beine schon mal einen neuen Magen gewählt! "Wir dürfen für uns beanspruchen, mit unserem unitarischen, religiösen Grundgefühl diesem für die zukünftige Entwicklung so wichtigen Einheits- und Ganzheitsgedanken zum Durchbruch verholfen zu haben", meint hier etwas übertrieben Präsident Prem. Es ist ein Gedanke im Dienste von MBB/DASA, Daimler-Benz, Siemens und der Deutschen Bank. Und er bleibt nicht Gedanke, nicht Religion, er wird täglich neu zur Tat auf dem Rücken der Mehrheit der Bevölkerung.

Entstehung der DUR aus dem Nazi-Kirchenkampf

Am 8. Mai 1945 ist der Traum der "arischen Herrenmenschen", selbst Gott und über andere Menschen erhaben zu sein, erst einmal ausgeträumt. Diejenigen, die man als "Untermenschen" versklaven wollte, haben gewonnen und sich befreit, die selbstgöttlichen Herrenmenschen dagegen werden seitdem wegen ihrer einzigartigen Verbrechen, mit denen sie sich zu Göttern über Leben und Tod aufschwingen wollten, als der Abschaum der Menschheit betrachtet. Tausende leitende SS- und NSDAP-Funktionäre werden von den Alliierten gefangen genommen und in spezielle Internierungslager gesteckt - ein schwerer Fehler mit historischen Folgen, denn hier verabreden die Nazis nun, wie sie ihre verbrecherische Weltanschauung weiter pflegen und in das antifaschistisch geprägte Nachkriegsdeutschland hinüber retten können, wenn sie entlassen werden. Der Keim zum Neofaschismus ist gelegt. Die fanatischen Nazis, die nicht nur Mitläufer gewesen waren, sondern den Faschismus als weltanschaulich-religiöse Basis für ihre Verbrechen mitentwickelt hatten, wissen: Der linke Widerstand hatte schon in den dreißiger Jahren die religiösen Hintergründe des Faschismus nicht begriffen, und die Kirchen haben selbst genug braunen Dreck am Stecken, sie werden sich im eigenen Interesse zurückhalten. Die Nazi-Verbrechen sind für die Welt derart schockierend, daß Jahrzehnte benötigt werden, um sie geistig und emotional zu verarbeiten; deshalb wird kaum jemand Zeit und Kraft haben, hinter die letzten, verschroben erscheinenden, religiösen Gründe für diese Verbrechen zu blicken.

Die Zeiten sind ab 1946 günstig für die Eliten des Faschismus: Eine Restaurations- und Wiederaufbauzeit wird kommen, bei der man auf qualifizierte Fachkräfte nicht verzichten kann; die aber hatten schon in den zwanziger Jahren großenteils mit der völkischen Bewegung und ihrer religiösen Basis - mal naturreligiös-pantheistisch, mal deutsch-christlich - sympathisiert. Unter dem Deckmantel einer freien Religionsgemeinschaft also kann man sich sammeln, bruchlos die alte Ideologie bewahren und dabei auch noch auf die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Religionsausübung pochen. Eine geniale Idee.

Ein amerikanisches Nazi-Internierungslager bei Stuttgart wird zur Keimzelle der DUR. Spitzenleute des deutschen Faschismus, die hier einsitzen, bilden bereits im Lager eine "religiöse" Gruppe. Spätere leitende DUR-Funktionäre wie Herbert Böhme und Manfred Schneider besprechen hier mit dem völkischen freireligiösen Pfarrer Rudolf Walbaum aus Rheinhessen den Anschluß an eine kleine christliche Sekte, die in der Gegend von Alzey und Worms ansässig ist. Walbaum ist zwar der Führer dieser Sekte, doch seine völkischen Ambitionen bei der Gründung der nazistischen "Deutschen Glaubensbewegung" haben ihn seit den dreißiger Jahren von den Mitgliedern mehr und mehr entfremdet. Er sucht dringend Beistand gegen die eigenen Christen und findet ihn bei den neuheidnischen Nazis, die ihm aus dem Kirchenkampf der dreißiger Jahre und der DG bekannt sind. Vor allem aber: Walbaum ist zu dieser Zeit auf freiem Fuß und kann die Internierungslager abfahren, zu denen er als Geistlicher freien Eintritt hat. Überall kann er hier beitrittswillige Nazi-Größen sammeln, denen er einen organisatorischen Unterschlupf bietet.

Im September 1947, nachdem die meisten Lager aufgelöst sind, treffen sich die Interessenten auf dem Berg Klüt bei Hameln an drei Soldatengräbern in einem kleinen Holzhäuschen. Sie beschließen den Beitritt zur "Religionsgemeinschaft freie Protestanten in Rheinhessen e. V.", gegründet 1902 überwiegend von Landwirten und Großgrundbesitzern, einer Hauptzielgruppe der nazistischen "Blut und Boden"-Ideologen. (411)  Das Treffen auf dem Klüt ist die eigentliche Gründungsstunde der DUR, der vorherige Goebbels-Mitarbeiter Böhme wird ihr erster "theologischer" Chef. Der Ort mitten im Wald auf einem Berg hat absichtlich etwas Konspiratives, denn die, die sich hier gut zwei Jahre nach dem Sieg über den Faschismus treffen, sind schwer belastete Nazis, und sie verabreden einen der gelungensten Coups der Nachkriegszeit: die Unterwanderung und Übernahme einer bereits bestehenden Organisation, gegen den Willen der meisten Mitglieder, aber mit dem Segen ihres Führers Walbaum. Drei Jahre später gründet Böhme auf demselben Berg das "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG), lange Zeit eine Art Schwesterorganisation der DUR, in der nazistische "Kultur" gepflegt wird.

Die Konspirateure vom Berg Klüt kennen sich bereits aus dem Nazi-Kirchenkampf, zum Teil schon aus der "Kampfzeit" vor 1933: Georg Stammler, Herbert Böhme, Rudolf Walbaum, Eberhard Achterberg, Manfred Schneider, Herbert Grabert, Marie-Adelheid Reuß-zur Lippe, Friedrich Schöll, Bernhard Kummer und andere. Bis 1950 haben sie so viele alte Nazi-Mitstreiter von der genialen "Religionsgemeinschafts"-Idee überzeugen und sammeln können, daß innerhalb des Vereins nun die neuheidnischen, antichristlichen Nazis gegenüber den christlichen rheinhessischen Freiprotestanten die Mehrheit stellen. Die Sekte wird alsdann kurzerhand in "Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft" umbenannt, die Vereinssatzung wird von den Altnazis gänzlich umgekrempelt und ihre Zeitschrift erscheint ab sofort unter dem neuen Titel "glaube und tat. Deutsch-unitarische Blätter". Drei Jahre später treten die sogenannten "Urgemeinden" - die eigentlichen und christlichen Freiprotestanten - unter Protest gegen die neue Vorherrschaft der Nazis aus ihrer eigenen Organisation aus. Die früheren Kirchenkampf-Leute haben sich endgültig einen bleibenden formalen Rahmen erobert, den sie von nun an als Tarnkappe benutzen. Der Name "Unitarier" ist Teil der Tarnung: Bei den Besatzungsmächten Großbritannien und USA gibt es starke christlich-unitarische Organisationen, der Name ist also von denen, die nach dem 8. Mai 1945 Legitimationsbescheinigungen ausstellen, positiv besetzt. Man will als "deutschgläubige" Neuheiden mit den christlichen Unitariern, die die Dreifaltigkeitslehre ablehnen und ihren christlichen Gott als Einheit sehen, zwar nichts zu tun haben, das Wort "unitas" (Einheit) entspricht jedoch der nazistisch-religiösen Idee von der Einheit des "Ariers" mit Gott.

1989 gibt der "Leiter des Geistigen Rates" der DUR, Hans-Dietrich Kahl - ein Gründungsmitglied der Sekte von 1947 - die Unterwanderung der rheinhessischen Freiprotestanten offen zu: "Nicht zuletzt waren die Urgemeinden Hüter eines kostbaren Rechtszustandes, den sie in die Nachkriegszeit herübergerettet hatten", während die Nazi-Organisationen, darunter auch "deutschgläubige" Sekten und ihr Dachverband "Deutsche Glaubensbewegung", von den Alliierten verboten worden waren. Den Rechtszustand "durften sie im eigenen Interesse nicht aufs Spiel setzen. Wie gesagt, ihre Tradition reichte weit vor das kritische Jahr 1933 zurück; anders als freigläubige Organisationen, die erst nach diesem Stichtag entstanden, waren sie schon dadurch von der Auflösung durch die Besatzungsmächte verschont geblieben. ... Wie leicht konnte jener kostbare Besitz noch gefährdet werden! Im Grunde hatten diese Rheinhessen durch die Öffnung zu uns herüber (mit "uns" sind hier anscheinend die Kirchenkampf-Nazis gemeint, P. K.), die womöglich weitgehend durch einen Alleingang Walbaums zustande gekommen war, ungleich mehr zu verlieren als zu gewinnen - dann nämlich, wenn sie in einer Weise mißlang, die bei der Militärregierung Verdacht erwecken konnte." Welchen Verdacht? Wohl den der nazistischen Tarnorganisation, die sich nur "unitarisch" nennt, ohne es zu sein! "Wir brauchten die Urgemeinden als Träger der wegweisenden, ausbaufähigen Tradition", meinte Kahl, weil man selbst vor allem die Tradition des Nazismus hatte. "Wir brauchten sie, um nicht allein auf die soziale Schicht unserer eigenen Herkunft angewiesen zu sein; wir brauchten sie nicht zuletzt wegen ihres zahlenmäßigen Potentials, von dem ja, neben anderem, auch unsere Finanzkraft als Religionsgemeinschaft mitbestimmt wurde." Das Unitarische "war jedenfalls den angelsächsischen Besatzungsmächten eine vertraute und vertrauenswürdige Größe. ... In dieser Gemeinschaft witterten wir eine Chance. Wir schlossen uns ihr an." (412)

Man handelt nach einem Modell: Wilhelm Hauer hatte bereits 1932/33 versucht, sich die Körperschaftsrechte des "Bundes der Freireligiösen Gemeinden Deutschlands" (BFGD) anzueignen, um eine "Deutsche Glaubensgemeinschaft" ins Leben zu rufen. Er wollte die staatlich anerkannte juristische Konstruktion und die vergleichsweise große Mitgliederzahl der Freireligiösen als organisatorische Basis für die "Deutschgläubigen" nutzen. Inhaltlich war man sich ohnehin weitgehend einig. Daher konnte Hauer 1933 den Vorsitz des BFGD übernehmen, den er erst niederlegte, nachdem er das faschistische Potential der Freireligiösen zu sich herübergezogen hatte und die formale Übernahme der Rechte des BFGD als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts durch die DG am Widerstand einiger Freireligiöser gescheitert war. Dieser "unbelehrbare" Rest des BFGD wurde dann Ende 1934 verboten. Ab 1946 gehen die Hauer-Anhänger bei der Übernahme der rheinhessischen Freiprotestanten nach diesem Modell, aber klüger vor.

Die "Deutschen Glaubensbewegung" der dreißiger Jahre bietet einen Schlüssel zum Verständnis der DUR. Ihr Zeichen war das abgerundete Hakenkreuz, das wir für den Titel des vorliegenden Buches benutzten. Die DG wollte dem Nazi-Staat den spirituellen Unterbau bereitstellen, der für die späteren Verbrechen nötig sein würde. Zahlreiche Treffen der "Deutschgläubigen" und Freireligiösen in den Jahren 1930 bis 1934 bereiteten die gemeinsame Organisation vor, die schließlich von Hauer und dem Anhänger des Strasser-Flügels der NSDAP Ernst Graf von Reventlow geführt wurde, der 1927 der Nazi-Partei beigetreten war und für sie im Reichstag saß. Hauer und Reventlow zielten auf die Respiritualisierung der Arbeiterbewegung, die sie zur Zeit der Wirtschaftskrisen in einen autoritären, völkisch-nationalistischen Staat reintegrieren wollten. Dem Proletariat fehle die religiöse Orientierung, weshalb es in der Sowjetunion oder im Demokratischen Sozialismus seine Zukunft sehe, so meinten Hauer und Reventlow übereinstimmend. Dabei verkannten sie gänzlich, daß sich die Arbeiter und Arbeiterinnen der Weimarer Republik für nichts weniger interessierten als für Religion. Tatsächlich war die damalige "New Age"-Bewegung - wie heute - fast nur auf die Mittelschicht beschränkt, eine "Professoren-Religion", wie es damals hieß.

Die meist von Hauer organisierten Treffen dienten dem weltanschaulichen Meinungsaustausch, unter anderem mit Ernst Krieck, Karl Otto Paetel - ein zeitweiliger Weggefährte Ernst Niekischs -, Friedrich Hielscher und dem Strasser-Flügel der NSDAP, zu dem Hauer intensive Kontakte pflegte. Sie fanden ihren Höhepunkt in einer Konferenz auf der Wartburg über Eisenach im Juli 1933, bei dem sich fast die gesamte völkisch-religiöse Szene und die Freireligiösen trafen. Es fehlten lediglich die Ludendorffer, die Monisten und der germanentümelnde Externsteinforscher Wilhelm Teudt. Hier wurde die "Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung" gegründet, die sich 1934 in DG umbenannte. An der Gründung beteiligt waren fast alle späteren Führer und ideologischen Vorbilder der DUR: Wilhelm Hauer, der in den fünfziger und sechziger Jahren als "Papst" der DUR gilt, ohne Mitglied zu sein; der DUR-Begründer Rudolf Walbaum; Herbert Grabert, der nach 1945 den rechtsextremistischen Grabert-Verlag in Tübingen gründet und für die DUR auf Vortragsreisen geht; der Führer der "Deutschkirche" Hermann Mandel aus Kiel, bei dem die in Kiel gebürtige Sigrid Hunke studierte; der völkische "Pädagoge" Friedrich Schöll, in dessen Internat "Vogelhof" die Eisenacher Tagung mit vorbereitet worden war und der später zum "Leiter des Geistigen Rates" der DUR wird - sein Sohn Frieder Schöll bestimmt bis heute die Ideologie der DUR maßgeblich mit; Georg Stammler, dessen Ideen die Himmler-Organisation "Artamanen" dominierten und der - wie Hauer - nach 1945 mit seinen Schriften zu einem Hauptideologen der DUR wird; Hermann Wirth, der später gemeinsam mit Walter Darré die SS-Organisation "Ahnenerbe" gründete und heute im New Age als germanischer Schamane verehrt wird; der SS-"Rassepsychologe" Ludwig Ferdinand Clauß, bei dem Hunke 1940/41 promovierte und in dessen privaten Ideologieseminaren während der sechziger Jahre DUR-Führer der achtziger und neunziger Jahre wie Günter Pahl ihr Rüstzeug bekommen; der "nordische" Ideologe Bernhard Kummer, ein erklärter Anhänger des "Gottmenschentums", dessen Schriften die DUR später publiziert; der SS-Offizier Lothar Stengel-von Rutkowski, dessen Texte heute von der DUR ebenso verbreitet werden wie von der "Artgemeinschaft" Jürgen Riegers; der spätere "Artgemeinschaft"-Gründer Walter Kusserow - wie Hunke ein Schüler des Organizisten Eduard Spranger -, bei dem Hunke in den siebziger Jahren auf "Artgemeinschaft"-Seminaren spricht; Hunke wird bis heute von Riegers "Artgemeinschaft" und ihrer Zeitschrift "Nordische Zeitung" hofiert; Fritz Castagne, ein enger Mitstreiter Hauers, der in den siebziger Jahren "Schriftleiter" des DUR-Blattes "glaube und tat" ist und in den achtziger Jahren Redaktionsmitglied der "unitarischen blätter" sowie Gründungsmitglied der rechtsextremistischen "Kieler Liste für Ausländerbegrenzung"; Ludwig Fahrenkrog, der "den Gott im Menschen" verkündete und deshalb über die Jahrzehnte immer wieder ein positiver Bezugspunkt der DUR ist; seine "Germanische Glaubens-Gemeinschaft", damals Mitglied der DG, wird heute von dem Armanen-Mitglied und Führer der Berliner "Heidnischen Gemeinschaft" Géza von Neményi geleitet.

Der BFGD war die größte Organisation in der DG. Seine Konkurrenz "Verband der freireligiösen Gemeinden" (VfG) widerrief den Eintritt in die DG, den der VfG-Chef, Georg Pick aus Mainz, in Eisenach vollzogen hatte. Pick war schon vorher immer wieder auf Hauer zugegangen, um eine solche Dachorganisation zu gründen, und versuchte es auch nach dem Austritt des VfG erneut. 1966 bringt Pick - immer noch "freireligiöser" Pfarrer in Mainz - das Buch "Werkstatt der Schöpfung. Vom Atom zum Weltstaat" heraus, in dem er den pantheistischen Organizismus, wie wir ihn kennenlernten, bis ins letzte faustische Detail darstellt. Er knüpft hier an die Herrenmenschen-Ideologie des Faschismus an, bezieht sich positiv auf Hauer, Uexküll, den Rassismus des Gerhard von Frankenberg, auf Friedrich Schöll, Teilhard de Chardin und verhöhnt schließlich sogar die Opfer des Faschismus als Folge eines angeblich göttlichen Schicksals, dem sich die Nazi-Verbrecher eben hätten hingeben müssen. Daß die "Deutschen Unitarier in der Bundesrepublik" schlecht angesehen seien, bedauert Pick in diesem Buch. Den Grund hierfür erkennt er nicht.

Der spätere Kriegsverbrecher Dietrich Klagges - er sich der DUR an, nachdem er aus der Haft entlassen ist -, Walter Darré und Alfred Rosenberg waren ebenfalls nach Eisenach eingeladen, jedoch nicht erschienen. Dem "Führerrat" der DG gehörten neben anderen Hauer, Mandel, Wirth, Stengel-von Rutkowski, Hans F. K. Günther und der Führer der "Deutschgläubigen Gemeinschaft" Otto Sigfrid Reuter an. Hauer stimmte die Gründung der DG in Verhandlungen mit dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und den beiden SS-Führern Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich ab. Himmler erlaubte den Fortbestand des BFGD, bis Hauer - inzwischen selbst SS-Mitglied - die Organisation ausgesogen hatte. Hauer trat Mitte 1936 von der Leitung der DG zurück, die sich Ende 1938 spaltete: Der "Reichsring der gottgläubigen Deutschen" vertrat die moderatere Linie, der "Kampfring Deutscher Glaube" die militante. Der Leiter des österreichischen Ablegers des "Kampfringes", Karlheinz Küthe, wird der erste Präsident der DUR.

Walbaums christliche rheinhessische Freiprotestanten weigerten sich 1933 jedoch, ihrem Führer in die DG zu folgen, in deren Flugblättern es hieß: "Wir stehen bewußt und vorbehaltlos zu den Grundsätzen und Forderungen des nationalsozialistischen Staates, ja, wir sehen in der erfolgten nationalsozialistischen Revolution die Vorbedingung zu einem erfolgreichen Kampf für unseren freien deutschen Glauben;" oder, etwas verschrobener: "1. Die Deutsche Glaubensbewegung will die religiöse Erneuerung des Volkes aus dem Erbgrund der deutschen Art. 2. Die deutsche Art ist in ihrem göttlichen Urgrund Auftrag aus dem Ewigen, dem wir gehorsam sind. 3. In diesem Auftrag allein sind Wort und Brauchtum gebunden. Ihm gehorchen heißt sein Leben deutsch führen." Mit dem Schlachtruf "Soldaten! Kameraden! Wollen wir die neue Welt erobern als Soldaten! Wir erheben Professor Hauer zu unserem Führer mit einem dreifachen Sieg Heil!" hatte man Hauer inthroniert und ihn vorher sogar mit Martin Luther und mit dem "arischen Christus" selbst verglichen - das war diesen freiprotestantischen Christen dann doch zu viel. (413)

Während Walbaum, um sein Pastorenamt zu retten, nun erst einmal für ein paar Jahre auf organisatorische Distanz ging, entwickelte sich die DG rasch zur hauptsächlichen Religionsgemeinschaft der HJ- und SA-Kader. Die Christen mutmaßten, Rudolf Heß und der "Hitler-Jugend"-Führer Baldur von Schirach unterstützten die DG. Letzterer jedoch sah die Rekrutierung der Hitler-Jugend im christlichen Deutschland durch die neuheidnische DG eher gefährdet, konnte aber der begeisterten "deutschgläubigen" Basis nicht Einhalt gebieten. Auf den Veranstaltungen Hauers gegen Christen- und Judentum wurden christliche Zwischenrufer von SA und SS brutal zusammengeschlagen, im Rheinland wurden christliche Jugendlichen nach Denunziationen durch die DG von der Gestapo verhaftet. Noch im November 1944 betrieb Hauer bei der NSDAP die Entlassung einer christlichen Lehrerin aus dem Staatsdienst, die er wegen angeblicher "Friedenspropaganda" denunzierte. Der Vorwurf hätte vor dem Volksgerichtshof den Tod der Betroffenen bedeuten können. Hauer schloß einen diesbezüglichen Brief mit den Satz: "Ich kann meinen Glauben nicht trennen vom Schicksal meines Volkes und ich hoffe, ... daß im Willen Adolf Hitlers in der Tat der Wille Gottes zum Ausdruck kommt. Heil Hitler!" Das "Heil!" verstand Hauer - im Gegensatz zu den vielen tumben Mitläufern des Faschismus - religiös. (414)

Hauer war einer der theoretischen Köpfe des Kirchenkampfes der Nazis, der bis in die sechziger Jahre unbeirrt an seinen Positionen festhält. Sein Hauptwerk "Deutsche Gottschau" von 1934 war eine militant antisemitische Hetzschrift, die er vor allem auf Alfred Rosenbergs "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" stützte, wie er in der ersten Fußnote des Buches selbst schrieb. Religion ist nach Hauer rassisch gebunden, die religiöse Erkenntnis der eigenen Göttlichkeit sei dem "Arier" vorbehalten - und damit die Göttlichkeit selbst. "Der Drang nach einem Deutschen Glauben hat das neue Deutschland, vornehmlich das junge Geschlecht, mit Macht ergriffen. ... Er allein kann die innere Gründung des Dritten Reiches schaffen. Darum ist Deutscher Glaube mit ihm organisch verbunden. Mit dem Dritten Reiche stehen und fallen wir", schrieb er am Ende seines Vorwortes. Eckhart, Bruno, Hölderlin, Schlegel und Goethe sind auch in diesem Buch die geistesgeschichtlichen Eckpunkte, die um antisemitischen Rassismus ergänzt werden. "Der Kampf zwischen der vorderasiatisch-semitischen und der indogermanischen Glaubenswelt" habe eine "geo-biologische Grundlage des Gegensatzes dieser beiden Welten" in der "Verschiedenheit der Rasse und des Raumes", das Christentum sei "Fremdreligion" eines "Fremdvolkes", die "Gottunmittelbarkeit" des Ariers sei dagegen das typisch indo-germanische Gottesverständnis, "Rasse und Volk" seien die "Grundwerte Deutschen Glaubens". Gegen den "israelisch-jüdisch-christlichen Absolutheitsanspruch als eine vergeistigte Form des vorderasiatisch-semitischen Gewaltmenschentums" gebe es für die Arier "nur eine Lösung: Kampf bis zum Sieg", weil ansonsten "von außen her Teile des deutschen Volkes religiös-politisch regiert" würden.

Abgesehen von dem militanten Rassismus, der sich im Komplex Auschwitz durch die Taten der "deutschgläubigen" SS-Mörder feige gegen hilflose und nicht etwa gewalttätige Menschen richtete, entspricht dieses Buch durchaus den Inhalten des New Age, in dem Hauer ja auch heute als "Indologe" angepriesen wird. "Gott in der Natur, die Natur im innersten Kern wesender Gott" sei die religiöse Haltung des "Ariers". Hauers Gott ist in derselben Art politisch wie Mynareks Gott: "Was als soziologische Ordnung erscheint, ist tief gesehen, göttliches Wirken, die Ordnungsmächte des Lebens sind ewige Mächte," so Hauer in der "Deutschen Gottschau". Hier war bereits alles das vorweggenommen, was Hunke 1969 in "Europas andere Religion" mit neuen, scheinbar unverfänglichen Worten wiederholt. Auch der Kern des pantheistischen Organizismus, die Tat, fehlte bei Hauer nicht: Der Bezug auf Ernst Jünger und den Heroischen Realismus wird gebracht und es heißt, "Deutscher Glaube" sei "Seins- und Tatglaube", der sich "in der Lebensgestaltung, in der Meisterung des Schicksals ... als schaffend erweist", insbesondere mit Blick auf die "mit unerbittlicher Entschiedenheit" zu betreibende Menschheitsgeschichte, die ja sodann mit dem Komplex Auschwitz und dem Zweiten Weltkrieg von den NS-Kadern praktisch angegangen wurde. (415)

Hauer brachte 1938 gemeinsam mit Hermann Mandel - einem Anhänger des "Deutschen Physikers" Philipp Lenard und Alfred Rosenbergs - sowie mit dem obersten NS-Rassisten Hans F. K. Günther das Buch "Glaube und Blut" heraus. 1941 erschien als Publikation der "Wissenschaftlichen Akademie Tübingen des NSD-Dozentenbundes" Hauers Schrift "Religion und Rasse", auf dessen Titelblatt das Hoheitszeichen des "Dritten Reiches", Adler und Hakenkreuz, eingeprägt waren. Das Buch wurde 1942 in der Zeitschrift "Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie" aus dem NSDAP-Verlag des Julius Friedrich Lehmann positiv rezensiert: "Hauer kann im Kreise der Rassenhygieniker und Biologen begeisterter Zustimmung und Unterstützung gewiß sein." Die Zeitschrift wurde herausgegeben von dem bekannten NS-Rassisten Ernst Fischer, von dem Leiter des Rassepolitischen Amtes der NSDAP Walther Groß und von dem Nachfolger Hermann Wirths in der SS-Organisation "Ahnenerbe", Walther Wüst, der sich "Professor für arische Kultur und Sprachwissenschaft" nannte.

Alles Vergangenheit? Weit gefehlt, die DUR stellt sich selbst in diese Kontinuität. Anfang der fünfziger Jahre - Hauer ist nicht mehr interniert, hat jedoch Lehrverbot - erscheint in Herbert Böhmes "Türmer-Verlag" das Buch "Der deutsche Born" von Wilhelm und Anni Hauer, in dem Besinnungssprüche überwiegend von NS-Dichtern gesammelt sind, die in der DUR-Zeitschrift "glaube und tat" nachgedruckt werden und im DKEG als Redner auftreten. Die DUR macht durch Beschluß ihrer höchsten Gremien das Buch sofort zu ihrem "Hausbuch", eine Art Gebetbuch der Sekte. 1964 erscheint posthum Hauers letztes Werk "Der abendländische Mensch", in dem der rassistische Ansatz erneut in aller Breite enthalten ist, der "Indo-Arier" nun aber weniger verfänglich als "der abendländische Mensch" bezeichnet wird. Es enthält wieder den gesamten nazistischen Unsinn von den "Langkopf"- und "Rundkopf-Rassen", deren anatomische Merkmale seit Houston Stewart Chamberlain die Kultur, die Religion und die Gesellschaft der Völker bestimmen sollen. Das Buch wird auch über die DUR verkauft.

In den dreißiger und vierziger Jahren erschien Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube", zuerst als Organ der DG. Mitherausgeber waren Hans F. K. Günther, Georg Stammler, Hermann Mandel, Lothar Stengel-von Rutkowski und andere. Hier schrieben Gustav Frenssen - ein völkischer Schriftsteller, der später in der DUR hoch gelobt wird - und der spätere DUR-Funktionär Erich Keller, ein Anhänger von Hans F. K. Günther, den die Nazis wohlmeinend "Rasse-Günther" nannten. Verantwortlicher Schriftleiter war ab 1934 Herbert Grabert. Auch Fritz Castagne arbeitete 1934 hier bereits mit. Der NS-Theoretiker Hans Grunsky, auf den sich die DUR bis weit in die achtziger Jahre hinein immer wieder positiv bezieht und den Stengel-von Rutkowski zu den "Freunden" der DUR zählt, wurde 1937 den Lesern der Zeitschrift mit einem antisemitischen Buch empfohlen. Im selben Jahr war Grunsky in der "Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands" tätig, nach 1945 erhielt er - wie so viele spätere DUR-Größen - Lehrverbot. Ab 1939 tauchte in "Deutscher Glaube" auch immer wieder Wilhelm Bonneß mit Artikeln auf, in denen er "die Tat" beschwor, und zwar besonders "an der Front!", wozu er auch die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen und ihre "Gott-Natur des Alls" aktivierte. Bonneß ist in den achtziger Jahren unter dem Präsidenten Armin Rieser "Ehrenpräsident" des BFGD - es ist über Jahrzehnte hin tatsächlich immer wieder dieselbe Szene. (416)

Die DG Hauers, der mit seinen Mitstreitern von Armin Mohler zur Konservativen Revolution gerechnet wird, ist in den achtziger Jahren ein Bezugspunkt für die deutschen Nationalrevolutionäre. Die Zeitschrift "Aufbruch" der Gruppe "Politische Offensive" des späteren REP-Funktionärs und "Junge Freiheit"-Autors Marcus Bauer bringt 1988 einen Bericht über die DG: "Lockendes Licht, heiliges Feuer, lebendige Gotik". Eine Art Vorläuferblatt der "Jungen Freiheit", die Zeitschrift "student" des "Ring freiheitlicher Studenten" - der sich später zum Großteil den REPs anschließt -, bringt im Februar 1987 einen langen Bericht über Hauer; Anlaß ist dessen 25jähriger Todestag. Es wundert nicht mehr, daß sich auf der Abonnentenliste der "Jungen Freiheit" von 1990, die von Antifaschisten veröffentlicht wurde, ein Teil der DUR-Prominenz findet: Peter Bahn, Freya Bednarski-Stelling, Bernhard Bühler, Wolfgang Deppert, Hans-Dietrich Kahl, Ernst Lutterbeck, Lothar Stengel-von Rutkowski.
 

Trotz Lügen und Leugnen durch die heutigen Deutschen Unitarier: "Stammbaum" der DUR-Ideologie mit Hauers "Deutsche Glaubensbewegung" als Wurzel, mit dem die DUR-Zeitschrift "unitarische blätter" 1986, im Heft 4: "Unitarische Gemeinschaft in Deutschland", ihre Weltanschauung bildlich darstellte.

Nazi-Religion für die "Selbstverantwortung" des faustischen Täters: Verbrechen erscheint nur als "Irrtumsmöglichkeit", niemals aber als "Schuld", weil "Schuld" als angeblich biblisch-jüdisches Konzept für den "Arier" unangemessen sei.

Herbert Grabert brachte 1935 die dritte Auflage von Hauers Schrift "Was will die deutsche Glaubensbewegung?" heraus. Darin zeigte Hauer in aller Offenheit, wie sehr auch die damalige "New Age"-Bewegung ein Angriff auf die Linke war. Er wollte "die Arbeitermassen" aus dem "Bannkreis des Marxismus" ziehen und meinte: "Die meisten, die im Marxismus ihre Heimat suchten, suchten einen lebensnahen Gegenwartsglauben." Hunke variiert dies lediglich, als sie 1974 ihr "nach-kommunistisches Manifest" veröffentlicht, das die DUR - deren Vizepräsidentin sie bereits ist - begierig aufgreift. Hauer bekräftigte in seiner Berliner Sportpalast-Rede vom Frühjahr 1935, die Grabert hier abdruckte, noch einmal die Göttlichkeit der Geschichte: "Wir glauben an das Gottsein in der Welt und damit auch an die Gottgegenwärtigkeit in der Geschichte." Er beschwor die Zuhörer, den "Platz, an den uns das Schicksal gestellt hat", anzunehmen. "Wir glauben an das Gesetztsein der Tragik in der Welt, die den Sinn hat, daß wir gerade auch am Schwersten zu Helden werden." In seinen Nachkriegsbüchern - nach Auschwitz - greift Hauer vor allem dieses "sieghafte Bewähren" der Nazi-Verbrecher "im Schicksal" immer wieder auf, allerdings ohne die Verbrechen beim Namen zu nennen. Georg Pick lobt ihn 1966 besonders, weil er auch dem schwersten Schicksal - den SS-Tätern die Ideologie zu liefern - nicht ausgewichen sei. Hauer zeigte damit tatsächlich die weltanschauliche Alternative zum Marxismus auf: die Entsubjektivierung der Massen, die im "Deutschen Glauben" nicht mehr das geschichtliche Subjekt sein sollten. Dies war den nazistischen Eliten in ihrer selbstgöttlichen, heroisch-realistische Versubjektivierung vorbehalten, die in ihren verbrecherischen Taten und ihrer Herrschaft über die Massen die "deutschgläubige" Religion praktisch werden ließen. (417)

Herbert Grabert veröffentlichte 1936 sein eigenes Hauptwerk "Der protestantische Auftrag des deutschen Volkes. Grundzüge der deutschen Glaubensgeschichte von Luther bis Hauer", das mit einer Apologie auf Rosenberg und Hauer endete und schließlich das Konzept des "Kosmischen Christus" von Pierre Teilhard de Chardin vorwegnahm. Das Buch, das heute vom "Thule-Seminar" empfohlen wird, hatte wiederum den Zweck, die Tat zu heiligen: "Mit der Tat, durch sein Leben, durch die Art, wie er sich tapfer durchschlägt, legt er sein Glaubensbekenntnis ab. ... So erkennt man an seinen Leistungen den Glauben des deutschen Menschen." Dessen "innere Stimme ist unfehlbar", weil "im Menschen Gott sich bekundet." Als Hauers Ahnen führte Grabert dieselben an, die Hunke mehr als dreißig Jahre später ebenfalls nennt: Eckehart, Jakob Böhme, Nikolaus von Kues usw. Und er stellte bereits das Zusammengehen von Vernunft und Mythos dar, an das Jahrzehnte später der "Leiter des Geistigen Rates" der DUR, Wolfgang Deppert, inhaltlich nahtlos anknüpft: Der Mythos muß die Vernunft ergänzen - "Yin und Yang", nachdem die Naturwissenschaft die biblische Religion entmachtet hat. Beide führten als Pole zur Ganzheit. (418)

Grabert schrieb dieses Buch deutlich mit Blick auf die nazistische "Glaubensbewegung Deutsche Christen" (DC) im Protestantismus, die er zum Neuheidentum Hauers und Rosenbergs herüberziehen wollte. Was vorerst mißlang, geschieht dann nach 1945: Zahlreiche "Deutsche Christen" schließen sich nun der DUR an. Die DC war bereits vor 1933 besonders in Mitteldeutschland stark im Protestantismus vertreten und unterstützte hier massiv den seit 1927 amtierenden Gauleiter von Thüringen, Fritz Sauckel, der sich bereits 1923 dem Nationalsozialismus anschloß und später immer wieder schützend seine Hand über die DC hielt. Sein Vorgänger, Arthur Dinter, war ein Hauptvertreter des "Deutschen Glaubens" der zwanziger Jahre, der mit Hitler in Konflikt geriet; Dinter war 1933 bei der DG-Gründung in Eisenach anwesend. Sauckel wurde nach dem Wahlsieg der NSDAP in Thüringen 1932, der vor allem durch den Einsatz der DC im Wahlkampf zustande kam, Ministerpräsident und Innenminister des Landes Thüringen, später Reichsstatthalter und 1942 schließlich Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz und damit oberster Sklavenhalter des NS-Regimes. Wegen seines Verbrechen, Millionen Europäer brutal zur Zwangsarbeit für das deutsche Kapital versklavt zu haben, wurde Sauckel vom Nürnberger Tribunal 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der spätere DUR-Aktivist Lothar Stengel-von Rutkowski widmete 1940 sein Buch "Was ist ein Volk? Der biologische Volksbegriff. Eine kulturbiologische Untersuchung seiner Definition und seiner Bedeutung für Wissenschaft, Weltanschauung und Politik" dem "Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel, dem Treuhänder lebensgesetzlicher Politik, Wissenschaft und Weltanschauung in Thüringen." (419)

Grabert reist in der Anfangsphase der DUR wie andere Nazi-Größen auch für die neue Sekte auf Vortragsreisen durch die Bundesrepublik, um versprengte DG- und DC-Anghänger zu sammeln und DUR-Ortsgemeinden zu gründen. Bücher und Schriften prominenter "Deutscher Unitarier" wie Richard W. Eichler, Sigrid Hunke oder Dieter Vollmer erscheinen bis heute in seinem Verlag, den sein Sohn Wigbert Grabert weiterführt und den der Verfassungsschutzbericht bis heute regelmäßig als rechtsextremistisch aufführt. 1960 wird Herbert Grabert wegen der Verbreitung staatsgefährdender Nazi-Propaganda zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Die DUR bekennt sich noch 1986 in den "unitarischen blättern" zu dieser nazistischen Tradition, die sie als ihre eigene Quelle ansieht und nennt Hauer und die "Deutschen Glaubensbewegung" dabei ausdrücklich.

Die "Nordische Bewegung" als ideologische und personelle Quelle der DUR

Der Mediziner Lothar Stengel-von Rutkowski ist noch in den neunziger Jahren in der DUR aktiv. Zu Beginn des Faschismus betrieb er gemeinsam mit Grabert in Marburg die örtliche Gemeinde der "Deutschen Glaubensbewegung". Auf Stengels Arbeiten stützten sich die Nazis bei den rassistischen "Nürnberger Gesetzen", die die jüdischen Deutschen entrechteten. Er verfaßte das Buch "Grundzüge der Erbkunde und Rassenpflege", das als "Standardwerk" bis 1944 fünf Auflagen erfuhr. Stengel arbeitete als Medizinalrat beim Thüringischen Landesamt für Rassewesen in Jena als Abteilungsleiter, hatte Dienststellung beim Stab des Rasse- und Siedlungsamtes der SS unter Walter Darré und war 1944 bei der Waffen-SS. In der Bundesrepublik wird er dann Leiter des Gießener Gesundheitsamtes - eine typische Karriere bei DUR-Prominenten. Stengel wird zwar nicht Mitglied der DUR selbst, sondern nur einer Zweigorganisation, bestimmt jedoch über Jahrzehnte die Ideologie der Sekte durch Artikel in ihren Zeitschriften und Vorträge auf ihren Versammlungen mit. Noch 1990 tritt er in der DUR-Gemeinde Kassel als Redner auf und spricht - ausgerechnet - über Gentechnik. Der eifrige Nazi - NSDAP-Mitgliedsnummer 223103, SS-Nummer 3683, Ernennung zum Untersturmführer am 24. März 1934, zum Obersturmführer am 9. November 1934, zum Hauptsturmführer am 12. September 1937 - steht zeit seines Lebens mitten in der "Nordischen Bewegung", der rassistischen Gruppierung etlicher Organisationen und Kreise, die eine wesentliche ideologische und personelle Basis des NS-Rassismus darstellt. Er publizierte in der Zeitschrift "Volk und Rasse", die von Heinrich Himmler und Walter Darré herausgegeben wurde, und war 1936 sogar mit Bild in der Zeitschrift "Der Norden. Monatsschrift der Nordischen Gesellschaft" aufgeführt. Stengel machte sich vor allem als Biograph Hans F. K. Günthers einen Namen, der mit Ludwig Ferdinand Clauß und Walter Darré den personellen Kern der "Nordischen" ausmachte. (420)

Die rassistischen Arbeiten Günthers fanden schon Anfang der zwanziger Jahre die Anerkennung auch Erich Ludendorffs. Günther reiste ab 1933 als Redner für die DG umher, sprach auch für die "Nordische Gesellschaft" - deren "Schirmherr" Rosenberg war - und den "Nordischen Ring", zwei rassistische Organisationen, die vor allem in der SS verankert waren. Durch Darrés veranlaßt, kam in den dreißiger Jahren einer der größten wissenschaftlichen Gegner Günthers ins KZ.  (421)  Alfred Rosenberg verlieh Günther als erstem Preisträger überhaupt auf dem Reichsparteitag 1935 den "Preis der NSDAP für Wissenschaft". Aus diesem Anlaß veröffentlicht Stengel-von Rutkowski 1935 in den von Rosenberg herausgegebenen "Nationalsozialistischen Monatsheften" in mehreren Folgen Günthers kurzgefaßte Lebens- und "Wissenschafts"-Geschichte. Nach 1945 erhält Günther wie Hauer nach mehrjähriger Internierung Lehrverbot. Bis zum Jahr 1970 werden seine rassistischen Bücher "Bauernglaube" und "Frömmigkeit nordischer Artung" immer wieder in der DUR-Zeitschrift "glaube und tat" den Sektenmitgliedern zur Lektüre empfohlen. Die Bücher erscheinen jetzt im Ludendorffer-Verlag Franz von Bebenburgs, einem Verwandten der Mathilde Ludendorff. Günther bleibt bis zu seinem Tod 1968 überzeugter Nationalsozialist, publiziert in der Zeitschrift "Nation Europa" und versucht in den fünfziger und sechziger Jahren, den modernisierten "nordischen Mythos" gegen "Amerikanismus" und "Bolschewismus" nutzbar zu machen. Heute ist er ein Lieblingsautor des "Nordischen Rings" von Jürgen Rieger, der "Artgemeinschaft" von Kosserow/Rieger und der Zeitschriften "Neue Anthropologie" und "Elemente", die von Rieger, Benoist, Krebs und Hunke bestimmt werden. In dieser Szene bezieht man sich heute wieder ungeniert auf Chamberlain, Günther, Mandel und Kummer.

Der Günther-Freund Ludwig Ferdinand Clauß - ein fanatischer Nazi, der 1936 seine Antrittsvorlesung als Honorarprofessor für Völkerpsychologie in der NSDAP-Uniform gehalten haben soll  (422) - wurde in den dreißiger Jahren vor allem von dem "Thule-Gesellschaft"-Mitglied Rudolf Heß unterstützt, für dessen Freilassung aus dem Spandauer Kriegsverbrecher-Gefängnis sich die DUR-Führung in den sechziger Jahren durch immer neue Aufrufe in "glaube und tat" stark macht. Clauß, der wegen seines NS-Rassismus wie Hauer und Günther nach 1945 Lehrverbot erhält, war 1940/41 der Doktorvater Sigrid Hunkes und damit der eigentliche Lehrer der späteren DUR-Chefideologin. Seine Arbeiten über Arabien setzt Hunke dann fort, in ihrem Buch "Allahs Sonne über dem Abendland" von 1960 bezieht sie sich auf Clauß. Die Neuausgabe des Buches unter dem Titel "Allah ist ganz anders" erscheint 1990 anläßlich des Golfkrieges und wird zu einem Bestseller auch in linken Buchläden. Die guten Verbindungen von Clauß zur SS schlugen sich in Hunkes Promotionsschrift über "Herkunft und Wirkung fremder Vorbilder auf den deutschen Menschen" nieder, eine ethnopluralistische Arbeit zum "germanischen" und "nationalsozialistischen Ideal" als "arteigenes Vorbild" des "nordischen Menschen", in der sich die Autorin permanent auf das berüchtigte SS-Organ "Das Schwarze Korps" bezog. Diese "Zeitung der Schutzstaffeln der NSDAP - Organ der Reichsführung SS", wie sie im Untertitel hieß, stellte sich bereits in der Ausgabe vom 23. April 1936 mit der Titelgeschichte "Wie steht es um den 'Deutschen Glauben'?" in den internen Streitereien der "Deutschen Glaubensbewegung" auf die Seite des SS-Mitglieds Wilhelm Hauer.

Clauß tritt in den fünfziger und sechziger Jahren selbst bei Gesprächskreisen der "Deutschen Unitarier" auf. Der langjährige "Schriftleiter" der DUR-Zeitschriften "glaube und tat" und "unitarische blätter" in den siebziger und achtziger Jahren, Günter Pahl, rühmt sich damit, Clauß mehrfach bei seinen weltanschaulich-geselligen "Gesprächsabenden" zugegen gehabt zu haben. Pahl - ein Grundschullehrer aus Pinneberg, der die ihm anvertrauten Schulkinder zu DUR-Veranstaltungen holt und sie dort als singende Statisten in die "Feiergestaltung" der Sekte einbaut - hat sein sozial-kulturelles Engagement inzwischen professionalisiert: Er führt in Pinneberg ein Tagungshaus ("Gartenhaus Pinneberg"), in dem bis heute sowohl die "Deutschen Unitarier" mit ihrer "Unitarischen Akademie" als auch der "Bund Heimattreuer Jugend" oder die offen rassistische "Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas" (ANSE) der Armanin Sigrun Schleipfer - die sich Freifrau von Schlichting nennt - tagen. Die Eltern Schleipfers haben DUR-Verbindung: Barbara Hammerbacher, geb. Freifrau von Schlichting, und Dr. Hans Wilhelm Hammerbacher annoncierten 1956 in "glaube und tat" die Geburt ihres siebten Kindes; unter den "fröhlichen Geschwistern" in der Anzeige ist auch Sigrun. Die rassistische Szene ist eben "versippt"! Ob hierin ein Grund dafür liegt, daß der "Unitariertag" 1991 in Wolfrathshausen bei München abgehalten wird, wo Schleipfer bei der Volksbank das ANSE-Konto führt, wissen wir nicht. Pahl ist 1993 ein Hauptredner auf dem "Unitariertag" 1993, der Jahreshauptversammlung der Sekte. Stengel-von Rutkowski bezieht sich 1987 in den "unitarischen blättern" noch einmal nachdrücklich auf seinen alten Bekannten Clauß. (423)

Vor allem durch seine Partei- und Regierungsämter war Walter Darré der mächtigste der drei Nordischen, die Ahnherren der DUR sind. Darré prägte mit seinem Buch "Neuadel aus Blut und Boden" 1930 den passenden Begriff. Der Diplom-Landwirt, Anhänger einer "organischen", ständestaatlichen Landwirtschaft und Autarkie-Theoretiker wurde von Hitler zum "Reichsbauernführer" und zum Chef des SS-Rasse- und Siedlungsamtes ernannt und war von 1933 bis 1942 Reichsernährungsminister. Als oberster SS-Rassist sollte der gelernte Viehzüchter nun auf Himmlers Bitte hin den "neuen deutschen Adel" in der SS heranzüchten. Darré hatte eine einzigartige Position als Günstling Hitlers und Himmlers und gehörte zu den wenigen Duzfreunden Himmlers. 1949 sitzt er im Wilhelmstraßenprozeß neben Ernst von Weizsäcker auf der Anklagebank und wird zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er polnische Bauern im Rahmen der "Germanisierung" polnischen Landes durch die SS brutal ausplündern und vertreiben ließ. Darré gehörte mit Himmler und Rosenberg dem "Großen Rat" der "Nordischen Gesellschaft" an, für die in den dreißiger Jahren neben Günther auch Stengel-von Rutkowski und Clauß auf Vortragsreisen gingen. Die "Nordische Gesellschaft" schluckte 1936 den bereits zehn Jahre vorher gegründeten "Nordischen Ring", dessen gleichnamige Nachfolge-Organisation heute von Jürgen Rieger geleitet wird, der immer wieder auch "Deutsche Unitarier" als Referenten zu Gast hat.

Die Gründer dieses alten "Nordischen Rings" waren der wenig "nordische" Ministerialrat Hanno Konopacki-Konopath - er war ebenfalls bei der Gründungsversammlung der DG 1933 in Eisenach anwesend - und seine Frau Marie-Adelheid Prinzessin Reuß-zur Lippe, die sich mit den Hohenzollern verwandt glaubt: "So werdet ihr verstehen, daß ich darüber glücklich bin, Friedrichs des Großen Blut in mir zu tragen - als strenge Verpflichtung", schreibt sie 1986 in der neonazistischen Zeitschrift "Die Bauernschaft". Der letzte Hofarchitekt der Hohenzollern, Paul Schulze-Naumburg, baute nicht nur ab 1912 in Potsdam für die Familie Kaiser Wilhelms II. - des begeisterten Anhängers von Houston Stewart Chamberlain - das Schloß Cecilienhof, in das Stalin 1945 zur Potsdamer Konferenz einlädt. Schulze-Naumburg, der ebenfalls bei der DG-Gründung anwesend war, gehörte auch als persönlicher Freund von Hans F. K. Günther zum engeren Kreis der Nordischen und mag hierüber wohl auch mit Reuß-zur Lippe bekannt gewesen sein. In der Zeitschrift "Rasse" des "Nordischen Rings" - 1936 ebenfalls von der "Nordischen Gesellschaft" geschluckt - publizierten auch Günther und Clauß.

Reuß-zur Lippe unterstützte damals den chronisch verschuldeten Germanen-Mythologen Hermann Wirth finanziell und war die engste politisch-weltanschauliche Weggefährtin Darrés, der sie seine "kleine Schwester" nannte und der Pate ihrer Kinder wurde. Der Kontakt zu Darré ging damals von Reuß aus, die den völkischen Bauernideologen schon in den zwanziger Jahren für die "Nordische Bewegung" warb. Sie brachte später zahlreiche Schriften Darrés heraus, schrieb in einem Vorwort hierzu von der "Rassen- und Zuchtfrage" beim Menschen als dem Kern des "Nordischen Gedankens" und arbeitete schließlich als Abteilungsleiterin für Frauenkultur im Stabsamt des Reichsbauernführers, wie sie 1991 in der "Bauernschaft" stolz bekennt.

Die braune Prinzessin wird 1947 ein Gründungsmitglied der DUR und baut die Sekte in den fünfziger und sechziger Jahren durch zahlreiche Vortragsreisen durch Westdeutschland auf. Ohne sie und ihre Reiseaktivitäten gäbe es die DUR heute wohl nicht, sie ist jahrzehntelang eine der treibenden Kräfte. Als "Leiterin des Geistigen Rates" ist sie zeitweilig auch die oberste "theologische" Chefin der Sekte. In den fünfziger Jahren schreibt sie in "glaube und tat" Sätze wie: "Deutsches Kind in katholischer Hand - mehr als tausend Jahre; wie lange noch?" Noch 1991 bekennen sich etliche DUR-Mitglieder zu Reuß: Auf einer öffentlichen antifaschistischen Veranstaltung der VVN Hagen über die DUR, die sie zu stören versuchen, rufen die "Deutschen Unitarier" in den Saal, Reuß habe ihnen "den Glauben gepredigt", mit Politik hätte dies nichts zu tun. Reuß-zur Lippe wird bis in die neunziger Jahre von der DUR auch ganz offiziell hofiert. Die Zeitschrift der DUR-Gemeinde Kiel/Schleswig-Holstein namens "Blick", die unter der Verantwortung des amtierenden "Leiters des Geistigen Rates" der Sekte, Wolfgang Deppert, erscheint, der gleichzeitig DUR-Gemeindeleiter von Kiel ist, druckt 1990 einen Reuß-Text ab.

Gerade an diesem Beispiel wird die andauernde enge Verbundenheit der DUR und ihrer Spitzenfunktionäre selbst zum verbrecherischen Nazismus deutlich: Die Kieler Antifa-Zeitschrift "ATZE" hatte zwei Monate vor dem Abdruck des Reuß-Textes durch die DUR enthüllt, daß die feine Adelige eng mit dem Aufseher aus dem KZ Auschwitz und "Auschwitz-Lügner" Thies Christophersen befreundet ist und noch 1986 Chefredakteurin der Christophersen-Zeitschrift "Die Bauernschaft" ist. Im selben Jahr 1986 ehrt das offizielle DUR-Blatt "Ruf und Widerhall" aus Schleswig-Holstein "unsere Prinzessin" zum 90. Geburtstag. 1991 wird sie in der "Bauernschaft" gelobt: "Mit 93 Jahren kam die Prinzessin Reuß zur Lippe nach Kollund, um Thies im Sonderburger Prozeß zu unterstützen (wo es 1988 um Christophersens Auslieferung an die Bundesrepublik geht, P. K.). 'Der Bauer und die Prinzessin', das klingt wie ein Märchen, und es ist auch eins. Denn all' die Jahre hindurch hat diese Prinzessin zu ihm gehalten". Christophersen, der als SS-Mann in Auschwitz Arbeitskräfte aussuchte und von Polen schwerer Verbrechen beschuldigt wird, lebt seit Jahren im Ausland, weil er eine Gefängnisstrafe wegen der Verbreitung von Nazi-Propaganda und Volksverhetzung nicht absitzen will. Gegen ihn liegen zwei Haftbefehle der bundesdeutschen Justiz vor, sein Rechtsanwalt ist Jürgen Rieger, der mit Reuß im dänischen Kollund anwesend war.

Wie es sich für eine echte Nazi-Sekte gehört - in Kiel bestand bereits 1933 eine "Großgemeinde" der DG -, gibt die DUR im Dezember 1990 mit dem Abdruck des Reuß-Textes die passende Antwort auf die Veröffentlichung der Kieler Antifaschisten. Dies kann nur noch als nachdrückliches Bekenntnis der "Deutschen Unitarier" zum kriminellen Neonazismus gewertet werden. Daß Deppert dies verantwortet, zeigt die enge Verbindung auch der nachfolgenden "neurechten" DUR-Funktionäre zum (Neo-) Nazismus. Hier zeigt sich auch ein weiteres Mal der Wahrheitsgehalt unserer These, daß der pantheistische Organizismus dazu dient, den Komplex Auschwitz zu rechtfertigen. Wie einige andere DUR-Prominente auch, hat Reuß-zur Lippe immer wieder in Christophersens Verlag publiziert. Wie kurz die Wege zwischen der DUR-Prominenz und der "Auschwitz-Lügner"-Szene sind, zeigt auch die Tagung "Deutsche an einen Tisch", die Christophersen 1975 organisiert, nachdem 1973 seine Schrift "Die Auschwitz-Lüge" veröffentlicht und sogleich im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministers erwähnt wird. Sigrid Hunke, die zu dieser Zeit DUR-Vizepräsidentin ist, schreibt nach einer Mitteilung der "Bauernschaft" an Christophersen, daß sie ihre Teilnahme an der Tagung absagt. Wie die Absage begründet ist, erfährt man nicht, doch ist es bemerkenswert, daß Hunke demnach von Christophersen eingeladen wurde und ihm anschließend auch noch schreibt, statt diesen unverbesserlichen Auschwitz-Nazi sitzen zu lassen. Damit noch nicht genug: Baldur Springmann, jahrelang Gemeindeleiter der DUR und in den achtziger Jahren vom DUR-Präsidenten Horst Prem hoch gepriesen, sagt 1977: "Thies Christophersen aber schätze ich als aufrechten Menschen." (424)

Springmanns Buch "Partner Erde. Einsichten eines Öko-Bauern" erscheint 1982 im Kieler "Arndt-Verlag", der dem "Bund Heimattreuer Jugend" nahesteht, der wiederum zu dieser Zeit noch als rechtsextremistisch im Verfassungsschutzbericht aufgeführt ist. Und noch in der Ausgabe Dezember 1991/Januar 1992 der Kieler DUR-Zeitschrift "Blick", deren Erscheinen wiederum Wolfgang Deppert politisch verantwortet, findet sich neben dem Geburtstagsgruß für seinen 89-jährigen Verwandten Karl Deppert auch einer für den ebenfalls 89-jährigen Gerd von Kamptz, einem ehemaligen Kandidaten der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" (DRP). Kamptz schreibt in den siebziger und achtziger Jahren auch häufiger in Christophersens "Bauernschaft" - man kennt sich eben in diesen Kreisen. Reuß-zur Lippe arbeitet heute im neu gegründeten "Nordischen Ring" von Jürgen Rieger mit. Sie ist seit 1985 "Ehrenmitglied" der DUR-Gemeinde Bremen, 1979 Erstaufruferin der "Volksbewegung für Generalamnestie" des Gerhard Frey und später Gründungsmitglied der antisemitischen "Arbeitsgemeinschaft Schönes Sörup". (425)

Zum Kreis der Nordischen um Reuß-zur Lippe, Christophersen und Rieger gehört auch Dieter Vollmer, vor dem 8. Mai 1945 bei der "Nordischen Gesellschaft" tätig, nach dem 8. Mai einige Jahre im Ausland verschwunden, Ende der achtziger Jahre bei Riegers "Nordischem Ring". Vollmer ist ein Neofaschist der ersten Minute und eine zentrale Figur für die rechtsextreme Szene in Norddeutschland. In den fünfziger Jahren publiziert er in "Nation Europa" und in "glaube und tat", heute in Graberts Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart". Innerhalb der DUR, zu der er sich nach seiner Rückkehr aus dem Ausland hingezogen fühlt und sogleich einer ihrer Hauptideologen wird, regt er an, einen Jugendverband zu gründen. 1956 leitet er den "Arbeitskreis Jugendarbeit" der DUR in Wuppertal. 1957 tritt er vehement beim "Unitariertag" auf, 1971 druckt das DUR-Blatt "Ruf und Widerhall" einen Vollmer-Text aus der NPD-Parteizeitung "Deutsche Nachrichten" nach, gleichzeitig schreibt Vollmer in dem Blatt "Konservativ heute" von Armin Mohler, das später mit Caspar von Schrenck-Notzings "Criticon" fusioniert. In den siebziger und achtziger Jahren ist Vollmer in gleicher Weise bei Thies Christophersens Publikationen wie in der offiziellen DUR-Zeitschrift "unitarische blätter" als Autor vertreten. Er ist ebenso wie Baldur Springmann im "Weltbund zum Schutz des Lebens" (WSL), Landesverband Schleswig-Holstein, auf Vorstandsebene tätig. 1989 preist Rieger in der "Neuen Anthropologie" Vollmers Buch "Sonnenspiegel" an, das die "unitarischen blätter" bereits 1983 empfahlen. 1991 ist Vollmer auch beim norddeutschen ANSE-Treffen dabei. Der Multifunktionär ist Träger eines "Schlesischen Kulturpreises der Jugend" des "Studentenbund Schlesien" (SBS), den der Göttinger Neofaschist Hans-Michael Fiedler betreibt. Fiedler ist ebenfalls seit Jahrzehnten eine Zentralfigur der Szene; er war lange die Haupttriebkraft des "Gesamtdeutschen Studentenverbandes" (GDS), der offiziellen Studentengruppe des "Bundes der Vertriebenen". Im Bundesvorstand des GDS saßen in der achtziger Jahren mit Peter Boßdorf ein nationalrevolutionärer Mitstreiter von Marcus Bauer und heutiger Autor der "Jungen Freiheit" und mit Yvonne Olivier ein Mitglied der geheimen Führungsgruppe des "Thule-Seminars" (Mitgliedsnummer: 84*OM*D*02.25). Boßdorf und seine zeitweilige Lebensgefährtin Olivier gehörten auch der weiteren Szene um den "Ring freiheitlicher Studenten" und dessen Zeitschrift "student" an.

Darré gründete 1935 mit Himmler und Wirth die SS-Organisation "Das Ahnenerbe", die bereits eine gleichnamigen Vorgängerin in der "Nordischen Bewegung" hatte. Sie sollte dem pantheistischen Organizismus in seinen Verästelungen nachgehen und ihn als "germanische Mythologie" dem NS-Staat nutzbar machen. Die "Erforschung" der Externsteine gehörte zu den zentralen Aufgaben des "Ahnenerbes", das Darré als Chef des Rasse- und Siedlungsamtes der SS in den ersten Jahren ebenso unterstand wie der Aufbau der benachbarten Wewelsburg als zentraler SS-Kultstätte. Ende 1943, als Darré und Wirth beim "Ahnenerbe" längst ausgeschieden waren, sollte Clauß im Auftrag des "Ahnenerbe" an die Front geschickt werden, um dort die angeblich verschiedene Kriegstauglichkeit der Rassen zu untersuchen. Im Gefolge der deutschen Besetzung Belgiens und der einheimischen Kollaboration dehnte sich das "Ahnenerbe" auch dorthin aus. 1943 wird der SS-Untersturmführer Alarich Augustin, ein ehemaliger Schüler Hermann Wirths, in Brüssel der Repräsentant dieser SS-Organisation. In den siebziger und achtziger Jahren wird Augustin neben Prem, Kramer, Deppert, Leutkart und anderen als "ständiger Mitarbeiter" der "unitarischen blätter" im Impressum aufgeführt. Augustin ist Mitglied des obersten "theologischen" Gremiums der Sekte, des "Geistigen Rates", und beklagt sich 1981 in den "unitarischen blättern", aufgrund des "Zustroms von Gastarbeitern" seien die Deutschen "nicht mehr Herr im eigenen Haus".
 

Das Foto zeigt Alarich Augustin als SS-Mann.
Sein Name wird 1999 wieder genannt: als ein enger Mitarbeiter des SS-Hauptsturmführers Hans Ernst Schneider, der als "Abteilungsleiter im persönlichen Stab des Reichsführers SS" (Himmler) im "Ahnenerbe" den "germanischen Wissenschaftseinsatz" an den Universitäten der "germanischen Stammländer" Niederlande, Belgien, Dänemark und Norwegen leitete. Schneider hatte unter dem falschen Namen "Hans Schwerte" nach 1945 eine Universitäts-Karriere als Germanist gemacht und war bis zum Rektor der RWTH Aachen aufgestiegen. Schneider/Schwertes Enttarnung durch das niederländische Fernsehen 1995 löste einen Skandal aus. "Schwertes" Studentin und nahe Bekannte Marita Keilson-Lauritz, die heute in der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft aktiv ist, verteidigte ihren Lehrer daraufhin vehement. 2008 konnte Keilson-Lauritz an einer Ausstellung über Magnus Hirschfeld im Medizinhistorischen Institut der Berliner Charité mitarbeiten. 
Nach der Enttarnung des SS-Mannes erschienen zahlreiche Bücher über Schneider/Schwerte und das Schweigen der Mitwisser in der Germanisten- Zunft, darunter ein Schneider/Schwerte verteidigendes Buch "Maskenwechsel" von Joachim Lerchenmüller und Gerd Simon (Tübingen 1999), die auch das obige Foto Augustins aus dessen Personalakte im Berlin Document Center abdrucken (S. 263) und über Augustin als Schneiders Mitarbeiter schreiben: "Alarich Augustin (geboren am 2. 3. 1912) hatte sich früh der 'Bewegung' verschrieben. Am 1. September 1931 war er in die NSDAP eingetreten, 1932 in den NSD-Studentenbund und in die SA und am 1. April 1933 in die SS. Er studiert von 1930 an in Marburg und Rostock Sport, Geschichte, Deutsch, Volkskunde, Völkerkunde und Philosophie. 1937 schließt er das Studium mit Staatsexamen und Promotion ab. Anschließend ist er in Rostock Assistent und Studienreferendar. 1935 wird er Fachgruppenleiter, 1936 stellvertretender Gaustudentenführer in Mecklenburg und anschließend Studentenführer, bevor er ab 7. 11. 39 sich freiwillig zur Waffen-SS meldet, wo er z. T. als Ausbilder wirkt. Das 'Ahnenerbe' wird schon 1936 auf ihn aufmerksam. Am 15. Juni 1943 stell es ihn bei gleichzeitiger Beförderung zum SS-Untersturmführer im Rahmen des 'Germanischen Wissenschaftseinsatzes' in Flandern ein. Von ihm sind mehrere Tätigkeitsberichte überliefert: Augustin war nach 1945 Studienrat in Wuppertal, überdies zusammen mit Herman Wirth Miglied des Kuratoriums für die Errichtung eines Europäischen Museums für Urgemeinschaftskunde" (S. 203 f).
Ludwig Jäger, der in seinem Buch "Seitenwechsel. Der Fall Schneider/Schwerte und die Diskretion der Germanistik" (München 1998) den "Fall" - und die SS-Verbrechen! - weitaus kritischer betrachtet als Lerchenmüller/Simon, beschreibt Augustin als einen der führenden Ideologen des Germanentums in Belgien. Aus den "Jahresberichten", die Augustin über seine SS-Arbeit nach Berlin schickte, geht sein taktisches Verständnis des "germanischen Wissenschaftseinsatzes" als Einfallstor für die SS-Ideologie in die Intelligenzia Belgiens deutlich hervor: Die "Wiederbelebung des germanischen Volks- und Kulturbewußtseins" müsse "mit dem äußerst wirkungsvollen, weil neutral getarnten (!) politischen Propagandamittel der Wissenschaft" geschehen, zitiert Jäger ihn aus einem Bericht vom November 1944 (!) (Jäger S. 174, FN 118); Ziel Augustins war es, "geistige Tiefen- und Breitenwirkung besonders in den Intelligenzschichten Flanderns und Walloniens" zu erreichen und "einen Einbruch zu schaffen in die liberalistisch-humanistische Bildungsfront durch Gewinnung von Inhabern geistiger Schlüsselstellung", so Augustin im selben Bericht (zit. n. Jäger S. 190). Offenbar verfolgte Augustin dieses Ziel nach 1945 mit der "nazistischen Tarnorganisation" DUR weiter.

Die Verbundenheit der "neuen Generation" der DUR mit den alten Nazis zeigt ein weiteres Beispiel: Der heute als eine Art Justitiar der DUR fungierende Schleswiger Rechtsanwalt und Notar Ralf Bernd Abel, der die zahlreichen Prozesse der Sekte gegen Antifaschisten steuerte, engagiert sich in Schleswig in der CDU und bundesweit als Chef des "Hilfswerks der Deutschen Unitarier e. V.", der Wohlfahrtsorganisation der Sekte. Seit den sechziger Jahren publiziert er in "glaube und tat" und ist Anfang der achtziger Jahre neben Günter Pahl "Schriftleiter" der "unitarischen blätter". Abel bezeichnet Augustin als seinen religiösen "Lehrer", von dem er in Wuppertal in einem faschistisch-religiösen "Schüler-Gesprächskreis Freies Forum" die Grundlagen des pantheistischen Organizismus gelernt habe. Abel ist heute neben seiner CDU- und "Hilfswerk"-Tätigkeit vor allem gegen die "Scientology-Church" aktiv, wird ständig zu öffentlichen Diskussionen gegen die "Scientologen" eingeladen - es weiß wohl niemand etwas über sein Nazi-Sekten-Engagement - und hat auf diesem Felde bereits zahlreiche Scientology-Opfer vor Gericht gegen die Konkurrenz vertreten. 1992 ist er neben einem ehemaligen Bundesverfassungsrichter, neben amtierenden Landesarbeitsgerichts- präsidenten, zahlreichen Professoren und leitenden Ministerialbeamten des Bundesinnenministeriums - fast an der Quelle des Verfassungsschutzes sozusagen - sowie neben einem unzweifelhaften Linken wie Spiros Simitis Mitherausgeber der Zeitschrift "RDV - Recht der Datenverarbeitung". (426)

Todesanzeige mit Nazi-Runen für Geburt und Tod aus der DUR-Zeitschrift "glaube und tat".

Bis in die siebziger Jahre hinein ist der 1962 verstorbene "altnordische" Publizist Bernhard Kummer ein weiterer zentraler Bezugspunkt der DUR, der in ihren Schriften immer wieder genannt wird. Sein zweifelhafter Ruhm gründet sich auf sein Buch "Midgards Untergang. Germanischer Kult und Glaube in den letzten heidnischen Jahrhunderten" aus den zwanziger Jahren. Er gilt neben Günther, Clauß und Darré als ein weiterer herausragender Ideologe der "Nordischen Bewegung" und trat in den dreißiger Jahren neben Stengel, Clauß und Günther ebenfalls als Redner der "Nordischen Gesellschaft" auf. Als einziger stellte er sich vor Hermann Wirth, als dieser schließlich bei der SS in Ungnade fiel. Er wird von Kater als "Alfred Rosenberg nahestehend" bezeichnet und geriet wohl von hierher - auch mit seiner Zeitschrift "Nordische Stimmen" - in eine gewisse Konkurrenz zu den Nordischen bei SS und "Ahnenerbe". Kummer verfaßte die Schrift "Der Kampf der nordischen Rassenseele gegen Süden und Osten", in der es hieß: "Unter dem Hakenkreuzzeichen, das arische Völker in die Weite der Welt getragen haben, rief er (der Nationalsozialismus, P. K.) auf zum Rassenkampf in der Politik, zur Abwehr artfremder Kultur und Händlerherrschaft. Das Volk verstand ihn und besann sich ... auf sein Blut, das nicht von Osten und nicht von Süden, sondern aus Norden stammt. Es besann sich auf ein Erbe, an dem wir alle im Volk teilhaben, ob wir nun blaue oder braune Augen haben: das Erbe der nordischen Heimat, der nordischen Tatkraft und der nordischen Sittlichkeit."

Die Runen für Tod (hinten) und Leben (vorne) als aktuelle Neonazi-Zeichen, aus Dachlatten gezimmert. Hier posiert die verbotene Kameradschaft "Skinheads Sächsische Schweiz" für einen Artikel des Magazins "Focus" aus dem Jahr 2000 (Nr. 41/2000, S. 116), das mit diesem Foto das geistige Umfeld der Runen wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte.

Es ist bemerkenswert, daß all diese bzw. ihre engsten Mitstreiter nach 1945 in der DUR zentrale ideologische Positionen einnehmen und sich zum Teil auch noch im äußersten Norddeutschland niederlassen, wo sie untereinander Kontakte pflegen. Hier schuf Ernst Graf von Reventlow schon in den zwanziger Jahren den Boden für den "nordischen Glauben". Schulze-Naumburg, Wirth, Günther, Clauß und Kummer, auch Reuter, Frenssen, Fahrenkrog, Dinter, Ludendorff, Hauer, Mandel, Grabert und andere, die noch zu nennen sein werden, führt Armin Mohler in einem Atemzug mit Chamberlain, dem Externsteine-"Forscher" Teudt oder dem Armanen-Vorbild Jörg Lanz von Liebenfels als Urväter der Konservativen Revolution auf. (427)

Die engere Rosenberg-Szene als Quelle der DUR

Eine weiteres nationalsozialistisches Ideologiezentrum, in dem sich spätere DUR-Top-Funktionäre kennenlernten, war die von Alfred Rosenberg herausgegebene NS-Intellektuellen- und "Wissenschaftliche Zeitschrift der NSDAP" - so ihr Untertitel - namens "Nationalsozialistische Monatshefte". (428)  Sie war neben Hauers "Deutscher Glaube" ein Hauptblatt des Nazi-Kirchenkampfes, vor allem, seit dieser unter Rosenbergs und Martin Bormanns Regie ab 1938 innerhalb der NS-Organisationen wieder verstärkt aufgenommen wurde. Hier publizierten die späteren DUR-Gründer Herbert Böhme und Eberhard Achterberg bereits seit Mitte der dreißiger Jahre, auch Achterbergs Frau Elisabeth Achterberg-von Pusch. Achterberg wurde schließlich Chefredakteur des Blattes. Bücher des späteren DUR-Gründers Georg Stammler wurden von der Redaktion angepriesen. Hier schrieben Ernst Graf von Reventlow, die spätere DUR-Größe Bernhard Kummer (z. B. einen Nachruf auf den von Hitler geförderten Externsteine-"Forscher" Wilhelm Teudt), der später im DUR-Blatt "glaube und tat" wieder abgedruckte Thilo Scheller (über germanische Kult-Phänomene) sowie die NS-Dichter Erwin Kolbenheyer und Gerhard Schumann, deren Texte später in DUR-Zeitschriften wieder abgedruckt werden. Scheller saß im "Amt Rosenberg" der NSDAP, Schumann war "Präsidialrat der "Reichsschrifttumskammer" unter Josef Goebbels, der auch Böhme als "Fachschaftsleiter für Lyrik" angehörte. Auch Lothar Stengel-von Rutkowski (er vor allem und häufig über "rassenpolitische" Themen, über Hans F. K. Günther und Walther Groß) und Walter Darré wirkten in den "NS-Monatsheften" als Autoren. 1942, als Darré in Ungnade fiel, unterstützte Achterberg ihn hier. Kurz vorher würdigte Achterberg Herbert Graberts Buch "Der Glaube des deutschen Bauerntums". Grabert arbeitete später in Rosenbergs "Ministerium für die besetzten Ostgebiete". Rosenbergs "Befehlsleiter" Helmut Stellrecht, der noch in den achtziger Jahren in den "unitarischen blättern" positiv gewürdigt wird, veröffentlichte in den "NS-Monatsheften" ebenso wie Julius Evola, damals ein Vertreter der "Nordischen Bewegung", heute gleichermaßen im New Age wie in der "Neuen Rechten" als ein Ahnherr akzeptiert.

Selbstverständlich behandelten die "NS-Monatshefte" das gesamte Themenfeld des pantheistischen Organizismus, den Meister Eckhart und die Zeit der Staufer als der Hohen Zeit gotischer Mystik, auch Paracelsus, Jakob Böhme, Goethe und Hölderlin. Gerade zur Zeit, als ders Überfall auf die Sowjetunion und der Einsatz des deutschen "Afrika-Korps" in Libyen und Ägypten vorbereitet und durchgeführt wurden, hoben Achterberg und Kummer hier das staufische Reich und insbesondere die Rolle Kaiser Friedrich II. hervor, der zur Zeit der Kreuzzüge ein deutsches Kolonialreich vom Baltikum bis nach Ägypten schuf. Bereits seit 1940 unterstützte die deutsche Luftwaffe vom ehemals staufischen Sizilien aus den Krieg des faschistischen Verbündeten Italien in Nordafrika. Der Kaisermantel des arabienfreundlichen Friedrich II., auf dem Kamele eingestickt sind, wurde 1941 von den "NS-Monatsheften" für den Kampf gegen Großbritannien im arabischen Raum instrumentalisiert. Sigrid Hunke macht 1976 den Mantel zu einem ihrer Buchtitel: In "Kamele auf dem Kaisermantel" knüpft sie an den "deutschen" Imperialismus des Hochmittelalters an. Eine Neuauflage des Buches erscheint 1993 unter dem Titel "Die Orientierung. Sternstunden deutsch-arabischer Begegnung" ausgerechnet im "Horizonte-Verlag", "Nation und Europa" druckt im Mai 1993 eine positive Rezension. 1962 druckt das DUR-Blatt "glaube und tat" dasselbe Bild des Kamele-Kaisermantels wieder ab, das auch die "NS-Monatshefte" 1941 enthielten. Als der Krieg trotz aller ideologischen Propaganda verloren ging, schrieb Achterberg 1944 "von germanischer Schicksalshaltung in unserer Zeit" und erinnerte daran, wie das Baltikums durch den Deutschen Ritterorden zur Zeit Friedrichs II. kolonisiert worden war, ein Bezug, den er im Januar 1941 - als der deutsche Überfall vorbereitet wurde - bereits einmal brachte. Stengel-von Rutkowski schrieb hier 1944 - "z. Z. Hauptsturmführer b. d. Waffen-SS" - eine Rezension über das angeblich auf Heidegger fußende Buch von Siegfried Blaas "Der Rassegedanke, seine biologische und philosophische Grundlegung": Es sei "das für die Rassenidee und Rassenphilosophie wichtigste Buch seit Rosenbergs 'Mythus' und Kolbenheyers 'Bauhütte'. Die deutsche Philosophie wird sich mit diesem Buch beschäftigen müssen", wozu sie dann allerdings glücklicherweise doch keine Zeit mehr hatte. (429)

Eberhard Achterberg wurde Ende 1940 stellvertretender "Schriftleiter" der "NS-Monatshefte", ab Juli 1941 ihr "Hauptschriftleiter", also Chefredakteur. Über ihm stand fortan nur noch der Herausgeber Alfred Rosenberg, der aus dem baltischen Riga stammte und nach dem Überfall auf die Sowjetunion kurze Zeit später von Hitler zum "Reichsminister für die besetzten Ostgebiete" ernannt wurde. In seinem NSDAP-"Amt Rosenberg", der "Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP", hatte Achterberg schließlich die Funktion des Leiters der Abteilung für "Juden- und Freimaurerfragen" inne. (430)

Die "NS-Monatshefte" waren ein wichtiges Scharnier zwischen ideologischer Propaganda und verbrecherischer Tat des deutschen Faschismus. Hier hieß es bereits 1930, das "Judentum" benutze den Marxismus dazu, "um mit Hilfe der Ausgebeuteten und Niederrassigen die auf den Schultern der Weißen ruhende Welt aus den Angeln zu heben." Unter Achterbergs Verantwortung stand 1942 in einem Artikel mit der Überschrift "Das Weltjudentum will England bolschewisieren": "So wurde der gegenwärtige Krieg inszeniert, um das antijüdische nationalsozialistische Deutschland zu vernichten und den in allen Ländern immer stärker um sich greifenden Antijudaismus, der für das parasitäre Dasein des Judentums zu einer tödlichen Gefahr zu werden droht, ein für allemal abzuwürgen.". In primitiver Weise hetzte das Blatt gegen ein britisches Kabinettsmitglied als "Judenstämmling" und klagte entgegen den historischen Tatsachen "Roosevelt und die hinter ihm stehende Judenclique" und "Stalin und die hinter diesem stehende Judenclique" der Kriegstreiberei an.

1989 schreibt der "Leiter des Geistigen Rates" der DUR, Hans-Dietrich Kahl, in einer offiziellen DUR-Geschichte, die "NS-Monatshefte" seien eine Zeitschrift gewesen, "die im 'Dritten Reich' unbestritten (was etwas heißen wollte!) als 'lesbar' galt, weil sie Niveau bot und nicht bloß billige Parteipropaganda." So erfährt man nebenbei, was für den obersten "theologischen" Chef der DUR "Niveau" ist: Ausdrücke wie "Judenstämmling", "Judenclique" und die Klage über das angebliche "parasitäre Dasein" der Juden!  (431)

Eberhard Achterberg gehört 1947 zu den DUR-Begründern auf dem Berg Klüt, er wird - arbeitslos und als bekannter Top-Nazi und enger Mitarbeiter des gerade hingerichteten Rosenberg in der neuen Demokratie für nichts verwendbar - der eigentliche Organisator der DUR und "Schriftleiter" der neuen Zeitschrift "glaube und tat". Hier setzt er seine 1944 kriegsbedingt abgebrochene publizistische Arbeit - es gab kein Papier mehr - fort und läßt in dem DUR-Blatt einen Großteil derer zu Wort kommen, die bereits in den "NS-Monatsheften" schrieben. In den sechziger Jahren veröffentlicht er zahlreiche Ideologie-Schriften der DUR, insbesondere auch eines für Jugendliche über "Jüdische Frömmigkeit". Jetzt erscheint auch im DUR-"Verlag Soltsien" seine Schrift "Der Mensch als Ganzheit und Einheit", in der er unter Bezug auf Erich Fromm, Pierre Teilhard de Chardin und Carl Friedrich von Weizsäcker die alte Ideologie im neuen Kleid präsentiert. Achterberg wird noch 1983 kurz vor seinem Tod zum "Leiter des Geistigen Rates" gewählt. Sein Buch "Die Kraft, die uns trägt. Suche nach Sinn in einer bedrohten Welt" erscheint 1985 posthum im "Verlag Deutsche Unitarier", herausgegeben von seinem Sohn Bernhard. Die Textsammlung beginnt mit einem Zitat über Achterbergs Gottesverständnis von 1943 - deutlicher kann man die nazistische Kontinuität nicht mehr herausstellen - und ist bis heute eines der wichtigsten Ideologiebücher der DUR.

Wie Achterbergs "Sippe", die bis heute Führungspositionen in der DUR inne hat, so bildet die engere Rosenberg-Szene neben der "Nordischen Bewegung" und der "Deutschen Glaubensbewegung" und "Glaubensbewegung Deutsche Christen" den personellen und ideologischen Hauptstamm der DUR. Baumgärtner rechnet in seinem Buch "Weltanschauungskampf im Dritten Reich" von 1977 auch den Himmler-Heydrich-Proteg‚ Albert Hartl zum Kirchenkampf-Kreis um Rosenberg. Er sei aus seinem Spitzelamt im Sicherheitsdienst der SS und im Reichssicherheitshauptamt heraus auch ein Zuträger für Matthes Ziegler gewesen, der von Darré mit dem Aufbau einer Ideologie-Abteilung über nordisches Bauerntum beim Rasse- und Siedlungsamt der SS beauftragt gewesen sei und im "Amt Rosenberg" den "weltanschaulich-fachlichen Kernbereich" (Baumgärtner) der Ideologie-Überwachung repräsentiert habe. Ziegler - wie Rosenberg ein Baltendeutscher - war der Vorgänger Achterbergs als "verantwortlicher Schriftleiter" der "NS-Monatshefte" und - es erstaunt keineswegs - ebenfalls bei der Gründung der DG 1933 in Eisenach anwesend; er gehörte dann auch dem "Führerrat" der DG an. Hartl arbeitete maßgeblich an dem antikirchlichen "Handbuch der Romfrage" mit, das Ziegler erstellte und Rosenberg ab 1940 herausgab. (432)

Andere "Deutschgläubige" als DUR-Quellen

Anfang der fünfziger Jahre schließen sich der DUR zwei "deutschgläubige" Sekten an, die weitere alten Nazis mitbringen. Sie waren vorher von den Alliierten verboten worden und mußten sich bis zum Zusammengehen mit den "Glaubenskameraden" der DUR - so redet man sich hier untereinander an - einige Jahre gedulden. In Hessen ist dies die "Gemeinschaft der Gottgläubigen/Universal-Unitarier" aus dem Raum Kassel; ihr Führer wird sehr bald der Kasseler Heinz Ludwig, der bis heute eine zentrale Rolle in der DUR spielt und seit den fünfziger Jahren den völkisch-rassistischen Kurs als Funktionär und Ideologe mitträgt. In Schleswig-Holstein ist es die "Gemeinschaft der Gottgläubigen in Dithmarschen", die bereits aus den frühen zwanziger Jahren ihre eigene Nazi-Tradition hat. Besonders in Schleswig-Holstein - der heutigen Hochburg der DUR, wo die Sekte als "Körperschaft des Öffentlichen Rechts" Sonderrechte genießt - existieren starke neuheidnisch-"deutschgläubige" Traditionen.

Ernst Graf von Reventlow feierte bereits 1924 mit dem "Völkisch-Sozialen Block" (VSB) in Schleswig-Holstein Wahlerfolge mit Ergebnissen von teilweise mehr als zwanzig Prozent der abgegebenen Stimmen. Reventlow war es, der Ludendorff 1922 zur Zusammenarbeit mit Hitler drängte. Ein weiterer Führer des VSB und der "Deutschgläubigen" in Norddeutschland war Dietrich Klagges, der aus der "Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP) kam, die 1933 unter dem Reichskanzler Hitler in die Koalitionsregierung eintrat. Klagges und Reventlow schlossen sich selbst Mitte der zwanziger Jahre dem Nationalsozialismus an. Als NSDAP-Vertreter gehörten sie bis 1945 (Klagges) bzw. 1943 (Reventlows Tod) dem Reichstag an.

Klagges stieg zum Spitzenfunktionär der NSDAP auf und veranlaßte 1932 persönlich in seiner Funktion als "Innen- und Volksbildungsminister" des Landes Braunschweig - in dem seit 1931 die NSDAP in der Regierung saß -, daß dem Österreicher Adolf Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde, damit dieser 1932 zur Reichspräsidentenwahl kandidieren konnte. Klagges vereinigte die theoretischen und die praktischen Seiten des heroisch-realistischen Organizisten. 1933 wurde er Ministerpräsident des Landes Braunschweig. Als SS-Gruppenführer machte er sich einen Namen als brutaler SS-Verbrecher gegen politische Gegner. In der "Wirtschaftspolitischen Abteilung" der NSDAP, wo er ab 1932 die "wirtschaftswissenschaftliche Abteilung" leitete, trat er als organizistischer Theoretiker auf. Vor allem "die wissenschaftliche Grundlage für die organische Wirtschaftsauffassung des Nationalsozialismus und den ständischen Aufbau der Wirtschaft" wollte er hier legen. Der Allround-Nazi betätigte sich auch als Theoretiker des Geschichtsunterrichts, in dessen Mitte er die "Rassenfrage" und das "Schicksal des deutschen Volkes" gestellt wissen wollte und der zur "totalen Unterordnung unter den Führerwillen" erziehen sollte.

Nach 1945 wird Klagges wegen seiner Verbrechen zuerst zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. In seinem Schlußwort als Angeklagter vor Gericht sagt er: "Ich weiß, wir haben Großes gewollt, und es ist uns vergönnt gewesen, Großes zu tun." Das Urteil wird in der Berufung auf fünfzehn Jahre Haft beschränkt, doch er kommt schon nach fünf Jahren frei und greift sein "deutschgläubiges" Engagement aus den zwanziger Jahren wieder auf: Er schließt sich der DUR an. In den sechziger und siebziger Jahren wird er unter dem Pseudonym "Godwin" zu einem maßgeblichen DUR-Ideologen und einem unermüdlichen Autor in "glaube und tat". In einem intellektuellen Disput zwischen ihm und Friedrich Schöll wird die Weltanschauung der "Deutschen Unitarier" geklärt, bevor Sigrid Hunke sie in dem Buch "Europas andere Religion" zusammenfaßt. (433)

Der Klagges-Kreis der zwanziger Jahre in der Nähe von Dithmarschen war nationalrevolutionär-antikapitalistisch ausgerichtet und wollte vor allem an die sozialistische Arbeiterschaft heran, die von Kiel aus mit Arbeiter- und Soldatenräten die Revolution im November 1918 begann. Er lehnte sich daher an die Strasser-Fraktion der NSDAP an. Wie bei Hauer, so war auch bei Klagges und Reventlow der pantheistische Organizismus in erster Linie als eine ideologische Alternative zum Sozialismus gedacht. Klagges stützte sich dabei ausdrücklich auch auf Lagarde, der diese Alternative in der "Gründerzeit" des deutschen Hochkapitalismus mit entwickelte. Später mußten die verquasten Deutschgläubigen jedoch eingestehen, in dieser Hinsicht gänzlich versagt zu haben. Hauer schrieb 1937 in der Zeitschrift "Deutscher Glaube": Was Hitler gelungen sei, "die Arbeitermassen einzubeziehen in die große Einheit des deutschen Volkes durch rücksichtsloses Zerschlagen der marxistischen Organisationen, gelang hier, wo uns nur die Macht der Seele zu Gebote stand, nicht."

Anfang der fünfziger Jahre stoßen besonders auch die Anhänger des Antisemiten Gustav Frenssen zur DUR, der protestantischer Landpfarrer in Dithmarschen war. Er hatte in seinem Roman "Die drei Getreuen" von 1898 als erster das Schlagwort vom "Volk ohne Raum" geprägt, das durch den gleichnamigen Roman von Hans Grimm bekannt wurde, der auch in der DUR rezipiert wird. Frenssen verfaßte 1935 das hunderttausendfach verkaufte religiöse Buch "Der Glaube der Nordmark", das Hans-Dietrich Kahl 1989 als das Buch nennt, das "über alle Unterschiede hinweg gewisse gemeinsame Grundzüge" der "Deutschgläubigen" oder "Gottgläubigen" enthalte. Kahl benutzt den Ausdruck "Gottgläubige", der bis 1945 der NS-offizielle Begriff war. Das Buch Frenssens wurde noch in den sechziger Jahren eifrig im "Bund Deutsch-Unitarischer Jugendlicher" studiert.

Ebenfalls als DUR-Quelle zu nennen sind die Anhänger des holsteinischen völkisch-rassistischen Autors Hans Friedrich Blunck, der ab November 1933 Präsident der Josef Goebbels unterstehenden NS-Zensurbehörde "Reichsschrifttumskammer" war. Der DUR-Gründer Herbert Böhme gehörte ebenfalls dieser Nazi-Propaganda-Einrichtung an. Blunck war Träger des "Ehrensiegels" der "Nordischen Gesellschaft". Mitglied der "Gesellschaft zur Förderung des Werkes von Hans Friedrich Blunck" war auch der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident und spätere Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel.

Die DUR als Drehscheibe faschistischer Kontinuität

Die heimatlosen Nazis sammeln sich in den Nachkriegsjahren in der DUR. "Die Welt - unsere Welt - war aus den Fugen", beschreibt Kahl 1989 die Situation. Oskar Hegels, ehemals "Leiter des Geistigen Rates" der DUR und damit Vorgänger von Kahl, drückt es in den "unitarischen blättern" 1981 im Stile neofaschistischer Agitation so aus: "Da die Ausschaltung der alten Führungsschicht ein späteres Wiedererstarken des deutschen Volkes nicht ausschloß, war es das Bestreben der damals noch einigen Siegermächte, aus dem deutschen Volk eine Bevölkerung der vier Besatzungszonen zu machen, das heißt, den deutschen Menschen das Bewußtsein gemeinsamer Abstammung, Kultur und Geschichte zu nehmen, kurz, das Bewußtsein nationaler Identität auszulöschen. Es wurde versucht, Menschen, die nächste Angehörige, Heimat und Beruf, materielles und ideelles (!) Eigentum verloren hatten, nun auch das Bewußtsein des eigenen Werts zu nehmen, ihr Selbstbewußtsein und ihr Selbstwertgefühl zu vernichten." Dieser leider dann doch unerfüllten Vision der Entnazifizierung wollen etliche Nazis unter dem Namen "Deutsche Unitarier" vereint entgegentreten. (434)

Vergleicht man die Wahl-Hochburgen der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1932, die NPD-Hochburgen der sechziger Jahre und die REP- bzw. DVU-Hochburgen der achtziger und neunziger Jahre mit den Mitglieder-Schwerpunkten der DUR, so fällt auf, daß sie weitgehend übereinstimmen. Wo auf dem späteren Gebiet der Bundesrepublik Deutschland schon die NSDAP stark war - die Räume Alzey-Worms und Nürnberg, Nordhessen/Kassel, die Küstenregion -, da erzielen bis heute hin rechtsextreme Parteien Wahlerfolge, und da sind bis heute auch starke "deutschgläubige" Gemeinden vorhanden. Die konfessionelle Bindung, die im Bezug auf die Großkirchen beim Wahlverhalten nicht mehr die frühere Kraft hat, ist bei "Sippen"-gebundenen Neofaschisten offenbar immer noch zentral für die Stimmabgabe, auch wenn eine Organisation wie die DUR vergleichsweise wenig Mitglieder hat. Man mag dieses Phänomen nicht überbewerten, doch scheinen faschistisch-religiös gebundene Multiplikatoren auch heute einen regionalen Einfluß auf das politische Klima zu haben.

Nachdem das Idol der "Deutschgläubigen", Alfred Rosenberg, in Nürnberg am Galgen baumelt, übernehmen nun die Personen aus den oben beschriebenen Gruppen bei den rheinhessischen Freiprotestanten die Macht und setzen 1950 Achterberg, Böhme und Küthe auf die zentralen Positionen der Organisation. Ihre Zeitschrift "glaube und tat" zitiert den Grafen Gobineau, der den modernen Rassismus begründete, und schreibt von der "Gemeinschaft des Blutes". Hauers "Deutsche Gottschau" von 1934 wird als "unitarisches Schrifttum" angepriesen und über alles gießt der wieder zum "Schriftleiter" gewordene Achterberg "Albert Schweitzer als religiös wegweisende Persönlichkeit." Man versteht sich als "Gemeinschaft Gleichgesinnter", wie es in einem Flugblatt der DUR noch in den siebziger Jahren heißt, und will unter dem Deckmantel der Religionsausübung nichts weiter als die Nazi-Gesinnung weiterpflegen. Die Tarn-Taktik geht auf, wie der Verfassungsschutzbericht 1965 zeigt. Hier heißt es: "Ein großer Teil der rechtsextremen Aktivisten ist antichristlich eingestellt oder vertritt antiklerikale Auffassungen. Er rekrutiert sich aus deutschgläubigen Sekten und den Resten solcher Weltanschauungsgemeinschaften, die im vorpolitischen Raum ihr Art- und Rassedenken pflegen. ... Soweit derartige Weltanschauungsgemeinschaften keine nachweisbar politischen Bestrebungen verfolgen, entzieht sich ihr Wirken aus verfassungsrechtlichen Gründen der Beobachtung. Doch läßt sich nicht bestreiten, daß gerade sie zu den Quellen rassistischer und antisemitischer Gefühle und des entsprechenden politischen Sektierertums zählen." Seitdem herrscht in den Verfassungsschutzberichten zu faschistischen Sekten nur noch Schweigen. (435)

1986, auf dem Höhepunkt der gesellschaftlichen Akzeptanz der Sekte, veröffentlichen die "unitarischen blätter" eine Selbstdarstellung der "Unitarischen Gemeinschaft in Deutschland. Wurzeln und Entwicklung unitarischen Glaubens." Das Heft ist durchgehend ein Bekenntnis zum Faschismus. Nachdem man sich selbst bereits auf Hauer, Walbaum, Stammler und die DG zurückgeführt und die braune Prinzessin Reuß-zur Lippe gewürdigt hat, führt Oskar Hegels eine Liste der Personen auf, die die DUR bestimmt haben sollen. Es ist eine Ahnengalerie von Faschisten, vor der die verzweifelten Versuche der DUR in den Gerichtsprozessen 1989-1991, ihre nazistische Wirklichkeit zu verleugnen, nur noch lächerlich wirken. Hegels schreibt: "In der Nachfolge Walbaums und Schölls haben aus der Generation der vor dem ersten Weltkrieg Geborenen neben anderen Eberhard Achterberg, Herbert Böhme, Fritz Castagne, Friedrich Ehrlicher, Georg Geyer, Albert Hartl, Erich Keller, Martin Krüer, Karlheinz Küthe, Carl Kuhlmann, Thomas Leutkart, Heinrich Schäfer-Hansen, Manfred Schneider und Bodo Schütz wertvolle Beiträge zur Bereicherung unseres Gedankengutes geleistet." Er nennt dann noch Sigrid Hunke, die "das eigentliche des Unitarismus wesentlich vertieft, neue Dimensionen erschlossen und die geschichtliche Bedeutung unitarischer Religion klargestellt" habe, womit das Herausstellen der geschichtlichen Tat als Ziel des pantheistischen Organizismus gemeint ist. Andere aktuelle Namen nennt Hegels nicht als bedeutsam für die DUR, an dieser Liste kann man sich also orientieren. Das werden wir nachfolgend tun. (436)

Manfred Schneider ist bei den Kontakten zwischen Walbaum und Böhme im US-amerikanischen Internierungslager zugegen. Er muß wohl hier Insasse gewesen sein, denn nur Walbaum hat als Geistlicher ins Lager freien Zugang von außen. 1970 empfiehlt er in "glaube und tat" Hans F. K. Günthers Buch "Bauernglaube". Heinrich Schäfer-Hansen trat 1930 in die NSDAP ein, 1931 in die Motor-SA, wo er zum Standartenführer, Gruppenstaffelführer, Obergruppenführer des "Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps" und schließlich zum Führer der Motorbrigade Schlesien aufstieg. Er war zwischen 1936 und 1945 Mitglied des Reichstages, dem nur noch NSDAP-Mitglieder angehörten, und ab 1939 Mitglied des Volksgerichtshofes. "Wir werden sein Andenken in Ehren halten", meint Horst Prem 1977 als "Leiter des Geistigen Rates" und kurz vor seiner Wahl zum DUR-Präsidenten in einem Nachruf auf Schäfer-Hansen. (437)

Literatur für Deutsche Unitarier:
Castagnes "Die 'Dritte Konfession'" (Mitte), Schleips "Zurück zur Natur-Religion?" (oben), Hauers "Deutsche Gottschau" mit dem "Sonnenrad" der Deutschen Glaubensbewegung (rechts), Selbstdarstellungsbroschüren der DUR (unten).

Fritz Castagne studierte nach der DG-Gründung in den dreißiger Jahren - wie Hunke - in Kiel bei Hermann Mandel, promovierte unter Bezug auf Hauer und Günther zum Thema "Der Schicksalsgedanke im altisländischen Schrifttum als Kennzeichen nordischer Rassenseele", gehörte zum Kreis um Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube", und geht als Mitarbeiter und Chefredakteur von "glaube und tat" immer wieder auf die Ludendorffer-Sekte zu, mit der er den 1933 gescheiterten Zusammenschluß immer noch will. 1981 gehört er zu den Erstunterzeichnern des rassistischen Aufrufs "Ausländerstopp jetzt". Mitunterzeichner sind der Arzt Max Otto Bruker, der - wie Werner Georg Haverbeck - ein ehemaliger Präsident des "Weltbundes zum Schutz des Lebens" (WSL) ist, der braungrünen nationalrevolutionären Szene im Raum Koblenz nahesteht und 1973 gemeinsam mit Benoist im "Wissenschaftlichen Beirat" von Jürgen Riegers Zeitschrift "Neue Anthropologie" sitzt, Jürgen Rieger und etliche NPD-Funktionäre. 1982 kandidiert Castagne mit seiner Frau Else und weiteren DUR-Mitgliedern zur Kommunalwahl für die "Kiele Liste für Ausländerbegrenzung". Er gehört auch mit dem herausragenden "Deutschen Unitarier" Rolf Hoffmann - auf dessen "Öko-Hof" in Großenaspe sich die DUR-Gemeinde Schleswig-Holsteins heute öfter trifft - und mit dem kriminellen Nazi-Terroristen Manfred Roeder sowie mit Jürgen Rieger, Dieter Vollmer, Baldur Springmann und dem "Thule-Seminar"-Verleger Rolf Bohlinger von den Ludendorffern zu den Unterzeichnern einer Anti-AKW-Klage des "Hartmut-Gründler-Klägerverbandes für Volksgesundheit und biologische Sicherheit", der von dem damaligen Ludendorffer Walter Soyka dominiert wird. Else Castagne wird noch 1990 in eine führende Funktion der DUR-Gemeinde Kiel gewählt. 1983 schreibt Präsident Prem im Nachruf auf Fritz Castagne: "Wir verlieren in ihm nicht nur einen tüchtigen, stets einsatzbereiten Mitarbeiter, sondern auch einen aufrechten Kameraden und liebenswerten Freund. Mit Trauer über sein plötzliches Hinscheiden verbindet sich unser Dank für sein unermüdliches Wirken." (438)

Friedrich Ehrlicher trat 1930 in die NSDAP ein, wurde bis 1933 Mitglied der SS, 1933 HJ-Bannführer für Schwaben in Augsburg, 1937 HJ-Hauptbannführer, 1938 Direktor des Stadtjugendamtes München. 1938 arbeitete er an dem Buch "Der nichtseßhafte Mensch. Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- und Menschenordnung im Großdeutschen Reich" mit, daß Vorarbeiten zur Erfassung der Nichtseßhaften, ihrer Zwangssterilisierung bzw. Ermordung im KZ Dachau enthielt - Arbeiten also, die später Viktor von Weizsäcker zugute gekommen sein mögen. Ehrlicher trug damit - wie der Himmler-Heydich-Proteg‚ Albert Hartl - zu den verbrecherischen bevölkerungspolitischen Maßnahmen der Nazis bei. Ehrlicher kämpfte ab dem 28. April 1945 - wahrscheinlich als "Werwolf"-Mann - gegen Antifaschisten der "Freiheitsaktion Bayern" und sitzt deshalb bis Ende 1948 in Haft. 1955 wird er Landesgemeindeleiter der DUR in Bayern, später mehrfach "Leiter des Geistigen Rates" und in den siebziger Jahren Präsident der DUR. (439)

Es muß angesichts der heutigen Quellen- und Forschungslage angenommen werden, daß der damalige SS- und Gestapo-Funktionär Albert Hartl, der das KZ Dachau mit katholischen Geistlichen zu füllen half und vor allem auch bis Ende 1941 als der unmittelbare Vorgesetzte Adolf Eichmanns im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) fungierte, hier bereits Kenntnis von den "Endlösungs"-Plänen der Nazis gegen die europäischen Juden hatte. Die Pläne wurden jedenfalls 1941 auf den höchsten SS-Ebenen bereits diskutiert. Die Massenerschießungen von Juden in Osteuropa begannen bereits im Juli 1941, gleich nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Eichmann selbst sagte in seinem Prozeß in Jerusalem aus, spätestens im Spätsommer 1941 habe der RSHA-Chef Heydrich zu ihm gesagt: "Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen." Es ist von Hartl in seiner Aussage vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal, wo er als Zeuge auftritt, selbst überliefert, daß er die Massenexekutionen durch SS-Einsatzkommandos in Osteuropa als Inspekteur des RSHA überwacht und ihnen sogar beigewohnt hat. Er hat dabei auch die Massengräber bei Kiew besichtigt, wo in wenigen Tagen 34000 Juden erschossen worden waren. Bereits in der Zeit vor dem Beginn der "Endlösung" war Eichmann unter Hartl damit befaßt, den Apartheid-Plan der Aussiedlung der Juden nach Madagaskar auszuarbeiten. Während die DUR Hartls Tätigkeit bei den Einsatzgruppen der SS immer wieder als angebliche Strafversetzung darzustellen versucht, erklärt Raul Hilberg die Tatsache, daß zahlreiche Funktionäre aus dem Berliner RSHA auch zu den Einsatzgruppen "vor Ort" der Verbrechen abkommandiert wurden, mit dem Konzept der "Blut-Sippschaft": Niemand aus der SS-Terrorzentrale sollte später als Ankläger auftreten können, weil er selbst an den unmittelbaren Taten etwa nicht beteiligt gewesen wäre.

Hartl, der selbst niemals wegen Verbrechen angeklagt wird, aber anscheinend viele SS-Verbrecher kennt, da er oft als Entlastungszeuge in Gerichtsverfahren auftritt, hatte am Ende des Krieges Kontakte zu dem Nazi-freundlichen Bischof Alois Hudal im Vatikan, der zahlreichen NS-Verbrechern die Flucht nach Südamerika und in den Nahen Osten ermöglichte. Hartl taucht erst ab 1960 bei der DUR auf, dann aber sogleich als ihr wichtigster Ideologe der sechziger Jahre. Wo er sich zwischen seiner Aussage vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal und seinem Erscheinen bei der DUR aufhält, ist nicht bekannt. Hartl wird von Horst Prem in einem Nachruf als "Wegweiser" der DUR bezeichnet, der der Sekte fehlen werde. (440)

Erich Keller kommt von den "Deutschen Christen" her und publizierte schon in Hauers Zeitschrift "Deutscher Glaube". Er hielt Ende der dreißiger/Anfang der vierziger Jahre an der Hochschule für Lehrerbildung in Esslingen Vorlesungen über "nationalsozialistische Weltanschauungslehre" und arbeitete 1938 an einem "Entwurf eines Stoffplanes für den weltanschaulichen Unterricht" mit, dessen Themenkreise aus Rosenbergs "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" entlehnt waren und Überschriften trugen wie "Vom Erahnen Gottes in der Natur", "Vom Erleben der Blutsgemeinschaft", "Göttermythen und Heldensagen" usw. In "glaube und tat" empfiehlt Keller in den sechziger Jahren mehrfach Bücher Hans F. K. Günthers und unternimmt zahlreiche Vortragsreisen durch DUR-Gemeinden. Nach seinem Tod schreibt DUR-Präsident Prem im Nachruf, Keller habe sich "als Sprecher (eine Art DUR-Prediger, P. K.), als Mitglied des Geistigen Rates und durch schriftstellerische Tätigkeit um die Religionsgemeinschaft verdient gemacht. Wir danken ihm dafür." (441)

Martin Krüer kommt aus den "Deutschen Christen" und verkörpert in der DUR-Spitze jahrelang den Einigungsversuch, der 1933 noch scheiterte. Karlheinz Küthe kam von Hauer und den Ludendorffern her und schloß sich 1937 der "Deutschen Glaubensbewegung" an. Ab 1939 baute er in Salzburg die Ortsgruppe des "Kampfringes deutscher Glaube" auf. Er wird 1950 der erste Präsident der DUR und bis ans Ende der achtziger Jahre einer der bedeutendsten Organisatoren der Sekte als Landesgemeindeleiter in Hessen. Thomas Leutkart wurde bereits 1930 von Hauer für die "Deutschgläubigen" geworben und gehört bis heute zu den wichtigsten Ideologen der DUR. Sein Buch "Weg und Ziel bist du selbst" ist heute neben dem Buch Achterbergs und den Werken Hunkes die von der DUR am meisten genannte Schrift zu ihrer Ideologie.

Herbert Böhme wird der erste "theologische" Chef der Sekte. Er bringt als früherer "Fachschaftsleiter für Lyrik der Reichsschrifttumskammer" des Josef Goebbels, als Mitglied der obersten SA-Führung in der Funktion des Referenten im Erziehungshauptamt mit dem Rang des Hauptsturmführers und als Lektor des Zentralverlags der NSDAP die nötige ideologische Festigkeit und Propaganda-Erfahrung mit. Sein peinliches Führer-Geburtstags-Dichter-"Talent" wurde von Hans Blunck entdeckt, der Böhme in die Goebbels-Behörde holte. "Dieser Mann vermochte mitzureißen, und immer wieder gelangen ihm Bilder, die Wesentliches einfingen", schreibt Kahl noch 1989 begeistert über Böhme. Kahl meint damit Böhmes Erklärung der Selbstvergöttlichung des "Ariers", als er den Ausruf tat: Zwischen den ausgestreckten Armen, die zur Tat riefen, stehe immer der, "den wir den Mut haben, 'Gott' zu nennen" (Böhme). "Das sind Augenblicke, die man nicht vergißt!", so Kahl als amtierender "Leiter des Geistigen Rates" der DUR 1989 ehrfurchtsvoll. Böhme schrieb z. B. über Adolf Hitler: "Du schreitest in das Volk als ein Erlöser" und "Wir glauben an unseren Führer als an eine Offenbarung dieses Gesetzes für uns, sein Volk." Diese Sätze jedoch bringen Böhme den Unwillen der Hauer-Hunke-Fraktion ein, die "Erlösung", "Offenbarung" und "Gesetz" als jüdische Konzepte des Alten Testaments für die "Arier" verworfen hat. (442)

In den Gerichtsverfahren gegen Antifaschisten 1989-1991 behauptet die DUR unter der Regie von Rechtsanwalt Ralf Abel wissentlich falsch, Böhme habe sich in der DUR mit seinem Nazismus nicht durchsetzen können und habe sich 1954 resigniert zurückgezogen. In Wahrheit zeigt jedoch die DUR-Zeitschrift "glaube und tat", daß Böhme auf Vortragsreisen durch die Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren zahlreiche Vorträge hält, um DUR-Gemeinden aufzubauen und "Feierstunden" in Ortsgemeinden der Sekte abzuhalten, seine Schriften werden in dieser Zeit von der DUR verkauft bzw. als Buchprämien an Abonnentenwerber für DUR-Zeitschriften verschenkt. 1967 wird er von dem bis heute verehrten Eberhard Achterberg zu seinem 60. Geburtstag in "glaube und tat" als "Sänger des Vaterlands" und als der eigentliche Gründer der DUR, dem zu danken sei, gepriesen. Mit Böhme wird im selben Jahr auf dem "Unitariertag" der zwanzigsten Wiederkehr der DUR-Gründung auf dem Klüt gedacht. Böhme habe die DUR "ganz entscheidend geprägt und bestimmt", schreibt Achterberg 1971 in einem flammenden Nachruf auf Böhme in "glaube und tat": "Herbert Böhme: Der Name weckt bei vielen ein helles Klingen in ihren Herzen." Von angeblicher Distanz zu dieser Zentralperson des bundesdeutschen Neofaschismus ist hier nichts zu merken. (443)

In Böhmes anderweitigen politischen Aktivitäten seit seiner Entlassung aus dem alliierten Internierungslager, die ihm diese zentrale Rolle verschaffen und ihn noch zehn Jahre nach seinem Tod in den Verfassungsschutzbericht 1980 bringen, finden sich immer wieder auch DUR-Prominente. So werden die früheren Nazi-Dichter, die sich seinem "Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) angeschlossen haben, auch von den DUR-Blättern bis weit in die achtziger Jahre immer wieder gedruckt: Will Vesper, Hans Grimm, Erwin Guido Kolbenheyer - der als führender NS-Dichter Dramen bzw. Romane über Meister Eckhart, Giordano Bruno, Jakob Böhme und Paracelsus verfaßte und von den Alliierten ein fünfjähriges Schreibverbot erhält -, Hans Blunck, Hans Venatier, Hermann Noelle, Gerhard Schumann, der Himmler-Schützling Werner Jansen und vor allem Erich Limpach und der NS-Literaturpreisträger Wilhelm Pleyer, zwei Lieblinge des DKEG und der DUR gleichermaßen. Bücher aus Böhmes "Türmer-Verlag" von dem DKEG-Autor Hans W. Hagen - der mit Otto Ernst Remer den Putsch vom 20. Juli 1944 gegen Hitler niederschlug - werden 1967 in "glaube und tat" in der Rubrik "Unsere Mitarbeiter empfehlen Ihnen" angepriesen.

Gemeinsam mit dem Hunke-Verleger Alfred Manke - der "Jugendreferent", später "Vizepräsident" des DKEG ist, für die NPD zum Bundestag kandidiert und 1989 als "Feuerredner" bei Sonnwendfeiern mit Mitgliedern der "Freien Humanisten Niedersachsen" auftritt - gründet Böhme 1965 den "Arbeitskreis Volkstreuer Verbände" (AVV), eine neofaschistische Sammlungsbewegung, und 1970 die "Aktion Widerstand" gegen die sozialliberale Ostpolitik. Die "Aktion Widerstand" wird zu einem Durchlauferhitzer der Nationalrevolutionäre um Henning Eichberg, die schließlich in den achtziger Jahren die neofaschistische Szene bestimmen und sich auch in der DUR wiederfinden, wo Eichberg auf dem "Unitariertag" spricht. 1989 behauptet Hans-Dietrich Kahl voller Stolz, der Erfinder des Namen "Klüter Blätter" gewesen zu sein, den die DEKG-Zeitschrift bis 1980 trug. (444)

Zu gemeinsamen Auftritten mit AVV und "Aktion Widerstand" finden sich auch Aktivisten der "Wiking-Jugend" (WJ) - die nach eigener Aussage 1952 von der deutsch-unitarischen Jugend mitbegründet wurde - und des "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ) ein, der 1960 als Ableger des international arbeitenden, kriminellen österreichischen Neonazi Konrad Windisch gegründet und ideologisch vom kürzlich verstorbenen stellvertretenden DKEG-Präsidenten Reinhard Pozorny mit betreut wurde. "Ehrenmitglied" des BHJ, der vom Bundesinnenminister Anfang der sechziger Jahre mit Uniformverbot belegt wird, ist DKEG-Präsident Böhme. Der BHJ gilt dem Verfassungsschutz lange Zeit als inoffizielle Jugendorganisation der DKEG. (445)

Manke und Windisch sprechen noch am 18. Juni 1977 gemeinsam mit dem ehemaligen Goebbels-Adjutanten Wilfried von Oven auf einer Sonnwendfeier. Hunke veröffentlicht eine Zeitlang ihr Buch "Am Anfang waren Mann und Frau" im Verlag des kriminellen Neonazi Peter Wegener, der wie Windisch wegen neonazistischer Straftaten im Knast saß. Das auf dem Werbeprospekt den Hunke-Buches verzeichnete Postfach des "Verlag Peter Wegener" ist identisch mit dem Postfach aus dem Impressum des "La Plata-Ruf", einer Zeitschrift für alte Nazis, die Wilfried von Oven in seinem argentinischen "Exil" Buenos Aires am Rio de La Plata herausgibt. Der "La Plata-Ruf" dient anscheinend auch dem internationalen Kontakt der "legal" lebenden alten Nazis mit den in Südamerika untergetauchten SS-Mördern. Im Rahmen der DUR-Hartl-Hudal-Verbindung ist diese Hunke-La Plata-Linie ein weiterer Mosaikstein, der die Frage nach der Rolle der DUR und ihrer Zugehörigkeit zur internationalen freireligiösen Bewegung bei der Flucht von Nazi-Verbechern aufwirft. Oven veröffentlicht übrigens auch im Grabert-Verlag und dessen Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart".

Windisch bildet bereits in den fünfziger Jahren den "Kameradschaftsring nationaler Jugendverbände" (KNJ), dem auch die WJ angehört und der feste Verbindungen zum DKEG hat. Gemeinsam mit Bernhard C. Wintzek, dem Herausgeber des damals WJ-nahen Blattes "MUT", dessen Österreich-Redakteur Windisch ist, veröffentlicht er 1967 das Buch "Protest". Wintzek gehört mit Böhme und Manke 1970 zu den Gründern der "Aktion Widerstand". 1983 schreibt in "MUT" dann der neue DUR-Chefideologe Hubertus Mynarek. Texte von Windisch drucken die DUR-Zeitschriften "glaube und tat" und "unitarische blätter" vielfach, die "ub" noch 1987 unter der Verantwortung der heutigen DUR-Top-Funktionäre. Für Bücher des BHJ-nahen Kieler "Arndt-Verlages" werben die "ub" in den achtziger Jahren, zur selben Zeit schreibt der frühere BHJ-Aktivist Karl Höffkes als Autor und "aktiver Unitarier" in den "ub". 1983 sitzt Höffkes auf dem Podium des "Unitariertages", heute ist er beim "Verlag Heitz und Höffkes", der nazistische und "esoterische" Literatur vertreibt, darunter Schriften zu Hermann Wirth und dem Armanen Lanz von Liebenfels. Höffkes ist Autor in "Nation Europa" und gründet die Henning-Eichberg-Zeitschrift "wir selbst" mit. Der "wir selbst"-Verleger Siegfried Bublies taucht dann wieder im Umkreis von Max Otto Bruker auf, Höffkes ist anfänglich Teilhaber an seinem Verlag. Die "Bundesmädelführerin" des BHJ und REP-Kommunalwahl-Kandidatin in Kiel wohnt sogar 1990 im Kieler Haus der DUR.

Ein Böhme-Vertrauter ist auch Gerhard Bednarski, der den Klüt-Treff von 1947 organisiert und sofort zu einer Art Sekretär der DUR wird. Er ist in den fünfziger Jahren im rechtsneutralistischen Bereich aktiv, wird Pressereferent des Landesverbandes Niedersachsen des "Bundes der Vertriebenen Deutschlands" (BdV), wie er damals heißt, und beteiligt sich am "Reichsruf", dem Blatt der rechtsextremistischen "Deutschen Reichspartei" (DRP). Er geht dann zur "Deutschen Friedens-Union" und zu "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher" des Konservativen Revolutionärs August Haußleiter. Seine Tochter Freya Bednarksi-Stelling ist heute in den "unitarischen blättern" und bei der Hamburger ÖDP aktiv, sein Sohn Wolfram Bednarski gehört zu den Nationalrevolutionären um die frühere Partei "Die Weißen", die "Unabhängigen Ökologen Deutschlands" und die Zeitung "Junge Freiheit". (446)

Auch Richard W. Eichler gehört der Böhme-Richtung an. Seit Jahrzehnten ist er ein gern gesehener Referent bei der DUR, zeitweise "Fachreferent für Kunst" beim "Geistigen Rat" der Sekte. Seine peinlichen Kunstbücher und Artikel, die teilweise im Grabert-Verlag und dessen Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" erscheinen, werden 1985 in den "unitarischen blättern" als "Fundgrube unitarischen Denkens und Fühlens" bezeichnet. Eichler ist der überall anzutreffende Kunstspezialist des Neofaschismus. Er betreibt Kunstkritik nach Art der Nazis. Seine Artikel aus "Nation Europa" oder dem "Ostpreußenblatt" der Ostpreußischen Landsmannschaft des BdV stehen dem Katalog von Hitlers Ausstellung "Entartete Kunst" in nichts nach. Die schlimmsten Eichler-Bücher werden immer wieder in "glaube und tat" und in den "unitarischen blättern" positiv besprochen und empfohlen. Die Vorliebe der DUR für ihn erstaunt nicht, waren doch bereits 1930 Rosenberg, Goebbels, Darré, Sauckel und der HJ-Jugendführer Baldur von Schirach im "Kampfbund für deutsche Kultur" aktiv, dem anfänglich auch Othmar Spann angehörte und den neben Kolbenheyer auch Philipp Lenard und Felix Krueger unterstützten. Die "1. Wanderausstellung rein deutscher Kunst" wurde im April 1933 vom Braunschweiger NSDAP-Ministerpräsidenten Dietrich Klagges eröffnet. 1981 schreibt Eichler in dem "Thule-Seminar"-Buch "Das unvergängliche Erbe", im Juni 1989 spricht er mit Dieter Vollmer und dem langjährigen Landesgemeindeleiter der DUR Bremen, Hermann Thiele, bei Riegers "Nordischem Ring". Im November 1989 ist er zu einer Tagung der "Unitarischen Akademie" der DUR eingeladen. Eichler ist Generalsekretär der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste der Sudetendeutschen Landsmannschaft und - wie Sigrid Hunke - Träger des "Schillerpreises" des DEKG. (447)

Von Böhmes "Aktion Widerstand" her, aber auch über das Studium faschistischer Autoren aus der Konservativen Revolution angezogen, treten ab den siebziger Jahren mehr und mehr Nationalrevolutionäre in der DUR auf. Die rechtsextreme Antwort auf die Studentenbewegung hat Jugendliche und Burschenschaftler zu den Büchern der Konservativen Revolution geführt. Mohlers Sammelwerk von 1950, das die meisten der DUR-Ahnen aufführt, mag Interesse an der Sekte geweckt haben. Ihre jungen Mitglieder mögen über Organisationen des nun vehement anwachsenden Neofaschismus - von der "Wiking-Jugend" und den auf Strasser-Linie einschwenkenden "Jungen Nationaldemokraten" der NPD bis zu nationalrevolutionären Burschenschaften - am Lagerfeuer und in der Universität die Hitler-oppositionelle Linie des Faschismus als scheinbar unbelastete Alternative kennengelernt haben. Als Kinder der alten Generation der "Deutschen Unitarier" können sie damit im persönlichen Generationskonflikt nun etwas scheinbar Neues als ihr Eigenes und Junges in die Sekte einbringen, ohne wirklich die gemeinsamen Positionen zu verlassen. Sie zerstreiten sich nicht mit den Alten, sondern gewinnen ihre Sympathie. Ein Beispiel dafür ist der langjährige Landesgemeindeleiter der DUR in Nordrhein-Westfalen, Otto Wetzel. Er war NSDAP-Mitglied der ersten Stunde (1922) und später Nazi-Reichstagsabgeordneter. Er kandidiert dann für die NPD und kümmert sich in den siebziger Jahren immer wieder darum, daß die Jugendlichen der "Deutschen Unitarier" die rechte Schulung bekommen.

Umgekehrt beginnen auch viele der Alten Nazis der DUR ab dem Ende der siebziger Jahre, sich mit der entstehenden "Neuen Rechten" zu befassen und ihre Bücher zu diskutieren. Dies geschieht sicher auch im Gefolge Hunkes, die den Neofaschismus theoretisch zu fundieren vermag, ohne die bekannten Faschisten explizit zu nennen. Etliche Artikel in "ub" zeigen die neue Entwicklung. Die Bücher von Alain de Benoist werden in der DUR heiß diskutiert, sobald sie - im Grabert-Verlag - auf deutsch erschienen sind, man entdeckt hier richtigerweise die eigene alte Weltanschauung wieder. Henning Eichberg wird mehrfach zu DUR-Veranstaltungen eingeladen, auch in "ub"-Artikeln bezieht man sich jetzt auf ihn. Eichberg, der in den Sechzigern als Neonazi anfing, trifft den Ton der veränderten, neuen Zeit. Er ist jung, sanft, scheinbar grün-alternativ und zeigt den Altvorderen, wie man mit den seit Jahrzehnten eigenen Themen - nun modern verpackt - die Jugend anspricht. Er und seine Nationalrevolutionäre sind auch für die DUR am Anfang der achtziger Jahre Hoffnungsträger auf eine Zukunft. Bei allem New Look gibt Eichberg jedoch kein Jota der faschistischen Grundpositionen preis.
 

Das spätere DUR-Zeichen auf den "Jul-Leuchter" der SS (unten). Auf und in dem Leuchter, der in SS-Familien als religiöses Symbol diente, wurden zur Wintersonnenwende (Weihnachten) Kerzen entzündet. Das Bundesarchiv besitzt einen solchen Leuchter.
(Abbildung aus "SS-Leithefte" nach Ackermann 1970, vgl. Anmerkung 468.)

Diese neue Generation von "Deutschen Unitariern", als Jugendliche von den alten Nazis geschult, dann nationalrevolutionär belehrt, kommt unter der Präsidentschaft von Horst Prem ab 1977 in die Führungspositionen der Sekte. Sie soll die DUR-Zukunft zur Jahrtausendwende hin als ideologisches U-Boot im breiten Strom des New Age aufbauen. Doch der anwachsende Neofaschismus in der bundesdeutschen Gesellschaft lenkt die Aufmerksamkeit der Antifaschisten nun auch auf die DUR und ihr Umfeld. Zu viele auch der jungen Generation der DUR sind bereits wegen eigener neofaschistischer Tätigkeit bekannt und können dingfest gemacht werden: Thomas Darsow (NPD-Umfeld), Karl Höffkes (BHJ, "Nation Europa", "wir selbst"), Peter Bahn (Ex-NPD), Holger Schleip ("Nation Europa"), um nur einige zu nennen. Schleip, seit den sechziger Jahren in der DUR aktiv, versucht 1986 mit seinem Buch "Zurück zur Natur-Religion?" alte Bande neu zu knüpfen: Barbara Seitz- Weinzierl verfaßt das Vorwort zu dem Buch, in dem Bahn, Eichberg, Haverbeck und Mynarek schreiben und Schleip selbst sich mehrmals offen auf die "Deutschen Unitarier" und besonders auf Eberhard Achterberg stützt. Ein Artikel des Ehemannes von Barbara Seitz-Weinzierl, Hubert Weinzierl, damals noch nicht Chef des "Bund für Umwelt- und Naturschutz" (BUND), stand bereits 1966 - neben Artikeln von Mathilde Ludendorff und über Hans F. K. Günther - in "glaube und tat". Nachdem Schleip und seine Mitautoren enttarnt sind, distanziert sich prompt ein türkischer Autor des "Naturreligion"- Bändchen, auch Seitz-Weinzierl wird mulmig.

Die ÖDP-, "Weltbund zum Schutz des Lebens"- und "Collegium Humanum"-Grüppchen in der DUR, die auf der Grünen-Schiene zu fahren versuchen, haben ebenfalls auf Pferde gesetzt, die weithin als braun gefärbt gehandelt werden. Das Thema "Nationale Identität" ist bereits als der Weg des Neofaschismus zur geistigen Hegemonie enttarnt - man denke an die Position von Jürgen Habermas im "Historikerstreit". Da kann die DUR mit dem Stichwort "religiöse Identität" kaum noch täuschen. Weil der Übergang zum New Look eben noch nicht geschafft ist, weil zu viele alte Härte-Nazis nach wie vor in der Sekte unangefochten ihre Rollen spielen, scheitert das Projekt, die DUR mit Hilfe der "neuen sozialen Bewegungen" zu verjüngen: Die richtige und gelungene Denunziation der DUR als Nazi-Sekte bringt Prem und seine Schützlinge nun auch gesellschaftlich zu Fall, ihre Verteidigung gegen den Nazi-Vorwurf treibt zudem einen Großteil alter Nazis aus der DUR hinaus, denn sie wollen keinen Grund sehen, sich verteidigen zu müssen. Am Ende bleibt ein Scherbenhaufen, den überraschenderweise ausgerechnet prominente Sozialdemokraten flicken. Die "Deutschen Unitarier" selbst sind zu Beginn der neunziger Jahre auf den eigenen Stamm einiger ehemaliger deutsch- unitarischer Jugendlicher angewiesen und haben kaum Nachwuchs außer dem eigenen biologischen, der nun in der zweiten Generation der Kahl, Prem, Schöll, Achterberg, Ehrlicher, Witzel, Kaufmann den Laden als Familienerbe weiterführt. Die Personalnot führt in einer DUR-Schwerpunktgemeinde wie in Kiel sogar dazu, daß mangels Kandidaten zeitweise die satzungsmäßigen Selbstverwaltungsfunktionen der Gemeinde nicht voll besetzt werden können. Mit den bisher genannten Namen ist die Personaldecke der DUR-Funktionäre und -Prominenz im wesentlichen abgedeckt.

An Geld scheint es der DUR immer noch nicht zu fehlen. Ob es aus Industriespenden kommt, wie bei Böhmes DKEG, oder aus nun zahlreich anfallenden Nachlässen der ehemaligen Nazi-Top-Funktionäre, die ja als Teil der NS-Staatselite kaum als Hungerleider aus ihrem "Dritten Reich" hervorgegangen sein werden, konnte bisher nicht recherchiert werden. Geld ist Geheimsache. Wer hier etwa an die ökonomische Ausplünderung der europäischen Juden vor und nach ihrer Ermordung oder an die großen Kunstraub-Aktionen der Goebbels-Leute, der SS und des "Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg" denken möchte, wird bisher keine konkrete empirische Evidenz vorzuweisen haben. Man kann zwar annehmen, daß die genannten DUR-Top-Nazis aufgrund ihrer Funktionen im NS-Staat von den Plünderungen ihrer "Kollegen" wußten, doch wurde bisher in keinem Fall bekannt, daß die DUR hiervon ökonomisch profitiert hätte. Es kann aber als sicher angenommen werden, daß die Sekte von den Pensionen der ehemaligen Top-Nazis, die ja nach 1945 kräftig flossen, auf die ganz normale Weise der Mitgliedsbeiträge und Spenden profitiert hat, über deren Höhe selbstverständlich ebenfalls nichts bekannt ist. Die DUR und ihrer Zweigorganisationen besitzen heute in bundesdeutschen Großstädten zahlreiche Häuser und Grundstücke, deren Herkunft und Vorbesitzer erst noch aufzuklären wären, bevor hier Aussagen gemacht werden können. Bisher ist klar, daß die Sekte aktuell sowohl aus Steuergeldern als auch aus Wohlfahrtsgeldern des "Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes" unterstützt wird.

Auch die interessante Sekten-Institution eines "Auslandsamtes" der DUR, von dem in den öffentlich zugänglichen Publikationen lediglich die Existenz, kaum aber etwas über die tatsächliche Aufgabe bekannt wird, scheint streng geheim zu sein. Daß Alfred Rosenberg auch Chef des "Außenpolitischen Amtes der NSDAP" war und in dieser Funktion weltweit seine Leute umherschickte, daß die "Auslandsorganisation" der NSDAP Rudolf Heß unterstand, dessen Schicksal der DUR so sehr am Herzen lag, wird bei der Frage nach der Funktion des DUR-"Auslandsamtes" sicher bedeutsam sein. Die Linien, die wir von Hartl und Hunke in die Exil-Regionen der Nazi-Verbrecher zeichnen konnten, werfen Fragen auf. Ist es tatsächlich denkbar, daß der unmittelbare Vorgesetzte Eichmanns, Albert Hartl, der eigene Verbindungen zu Bischof Hudal hatte - welcher wiederum der "Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen" (ODESSA) als Fluchthelfer diente und Adolf Eichmann nach Südamerika schleuste -, nach 1945 nur ein einfacher Schriftsteller ist? Die Frage, ob Hartl von Eichmanns und anderer Nazi-Größen Aufenthalt in Südamerika zumindest wußte, drängt sich förmlich auf. Ist es bei den zahlreichen Spitzen-Nazis in der DUR tatsächlich denkbar, daß die Sekte und ihre Prominenten keine Verbindungen zu den exilierten Verbrechern im Ausland pflegten, obwohl diese doch bis zum 8. Mai 1945 oft genug ihre direkten Kollegen und Freunde waren und andere neofaschistische Organisationen zu ihnen kontinuierlich Kontakt hielten?

Wenn die Position der DUR aufgrund der antifaschistischen Recherchen heute inmitten eines neofaschistischen Netzes darstellbar ist, dann erscheint es sogar eher als abenteuerlich, die Knotenpunkte des Netzes als unverbunden anzusehen. Die Beziehungen der Nazi-Organisation "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e. V.", die weltweit die NS-Verbrecher in den Gefängnissen betreut, zu Thies Christophersen sind seit langem bekannt. Der von DUR-Prominenten geschätzte Christophersen arbeitet selbst international, in den siebziger Jahren organisiert er in Deutschland auch Veranstaltungen der NSDAP-AO des weltweit tätigen US-Nazi Garry Rex Lauck. Die Geschäftsführerin der "Stillen Hilfe", Adelheid Klug, sagt selbst: "Ich kenne Thies Christophersen sehr, sehr gut." Ihre Organisation hat nach ihrer Aussage auch Kontakte zur "Wiking Jugend" und zu den "Unabhängigen Freundeskreisen" und ihrer Zeitschrift "Unabhängige Nachrichten", die wiederum mit dem DUR-Prominenten Thomas Darsow in Verbindung standen. Wenn Sigrid Hunke bei einem Verlag veröffentlicht, über den man den in Südamerika erscheinenden "La Plata-Ruf" erhält, so wirft auch dies Fragen nach der Qualität der internationalen Kontakte der "Deutschen Unitarier" auf, die sich wohl kaum so einfach mit dem Hinweis auf den religiösen Charakter des "Weltbundes für religiöse Freiheit" (International Association for Religious Freedom, iarf) beantworten lassen, dem die DUR - wie andere, christliche Unitarier auch - angehört. Die "iarf" bietet ihren unverdächtigen und scheinbar unverdächtigen Funktionären seit Jahrzehnten die Möglichkeit zu unverdächtigen Auslandsreisen. (448)


Der Fall Thomas Darsow

Thomas Darsow, Jahrgang 1953 und zeitweise einer der Hoffnungsträger der DUR, ist bis 1984 gemeinsam mit Günter Pahl "Schriftleiter" der "unitarischen blätter". Sein Vorgänger im Amt ist der Schleswiger CDU-Funktionär Ralf Abel. Darsow arbeitet bisweilen als Seminarleiter in der "Unitarischen Akademie". Ab 1985 macht er im Innenministerium von Schleswig-Holstein Karriere, wo er zuerst Pressesprecher des letzten CDU-Innenministers Carl Eduard Claussen wird und ab 1986 eineinhalb Jahre lang ausgerechnet im Verfassungsschutzbereich arbeitet. 1991 wird er im Innenministerium des neuen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern Ministerialdirigent, hier Abteilungsleiter der Kommunalabteilung und damit auch dafür zuständig, wie ausländische Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern untergebracht und betreut werden. Seine anstehende Berufung auf diesen Posten wird dank antifaschistischer Proteste der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" zu einem öffentlichen Skandal. Zahlreiche norddeutsche Zeitschriften berichten, "Der Spiegel" bringt Darsow im Bild und spricht von Barschel-Seilschaften, der Sender Schwerin des im Aufbau befindlichen Rundfunks in dem neuen Bundesland strahlt ein Interview mit der "Bonner Initiative" aus. In den Landtagen von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern stellt die SPD im Frühjahr 1991 parlamentarische Anfragen zu Darsows rechtsextremen Bezügen, der Kieler SPD-Fraktionschef Gerd Börnsen spricht von "Patronage", die Parlamentarische Kontrollkommission für den Verfassungsschutz im Kieler Landtag befaßt sich auf einer Sondersitzung mit dem Fall. Der damalige Schweriner Ministerpräsident Alfred Gomolka und sein damaliger Innenminister Georg Diederich, beide CDU und inzwischen wegen ständiger Querelen von der eigenen Partei fallengelassen, stellen sich öffentlich vor Darsow: Er sei kein Rassist.

Sein früherer Chef Claussen aus Kiel aber distanziert sich energisch: Darsow hätte zwischen 1986 und 1988 nicht im Landesamt für Verfassungsschutz arbeiten dürfen, ihn dort zu beschäftigen, sei ein "Fehler" gewesen, äußert er in den "Kieler Nachrichten" vom 24. April 1991. Claussen entschuldigt sich aber selbst damit, Darsows rechtsextreme Aktivitäten nicht gekannt zu haben. In diesen Auseinandersetzungen werden die Aktivitäten Darsows in aller Breite und überregional öffentlich, nachdem er erst im September 1990 wegen ausländerfeindlicher Äußerungen über Asylbewerber, die er als Bürgermeister des Ortes Kronshagen bei Kiel tat, bereits Proteste in den "Kieler Nachrichten" hervorgerufen hat. Den Posten in Schwerin bekommt er trotzdem.

In den siebziger Jahren ist Darsow Redakteur der norddeutschen Jugendzeitschrift "Tendenz", die nach Verfassungsschutzauskünften als Ableger der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) gilt, bereits im Verfassungsschutzbericht des Bundes 1973 als rechtsextremistisch aufgeführt wird und auch Beobachtungsobjekt des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes ist. Darsow Privatadresse ist auch Redaktionsadresse der Zeitschrift. In "Tendenz" finden sich zahlreiche Autoren, die auf die nationalrevolutionäre Linie der JN eingeschwenkt sind. Hier schreib Jürgen Rieger auch schon mal einen zustimmenden Leserbrief, ebenso der spätere GDS-Vorsitzende Hans-Ulrich Höfs und der aus Verfassungsschutzberichten bekannte Neonazi-Aktivist Hans-Michael Fiedler. Für den von Fiedler dominierten "Unabhängigen Schülerbund" Göttingen wirbt "Tendenz", gegen das Grundgesetz hetzt die Zeitschrift ungeniert. Hier wird die "Auschwitz-Lüge" verbreitet - neben einem Text von Antoine de Saint-Exupéry -, rassistische Solidarität mit den Weißen Südafrikas wird gepflegt. Darsow selbst referiert bei einer Veranstaltung des neofaschistischen "Hilfskomitees Südliches Afrika" des "Nation Europa"-Herausgebers Dehoust. Hitlers Bildhauer Arno Breker - mit dem der langjährige DUR-Funktionär Rudolf Beinhauer aus Düsseldorf bis zu seinem Tod befreundet ist - wird in "Tendenz" interviewt, Dieter Vollmer schreibt hier über "Lebensschutz". Anzeigen für "Nation Europa", die im Verfassungsschutzbericht damals als "neonazistisch" bezeichneten "Unabhängigen Nachrichten" - ein Informationsdienst der "Unabhängigen Freundeskreise" führender Funktionäre neonazistischer Gruppen - und für Riegers rassistische "Neue Anthropologie" werden gedruckt. Bücher von Sigrid Hunke, Armin Mohler, Henning Eichberg, Wilhelm Pleyer, Hans Grimm, Konrad Windisch, Rolf Kosiek und dem früheren Sekretär Alfred Rosenbergs, Heinrich Härtle, sowie Bücher aus den rechtsextremen Verlagen Grabert, Vowinckel, Arndt werden angepriesen und auch Veranstaltungen der "Deutschen Unitarier" angekündigt. Hier schreibt bereits 1978 der heutige "Öko-Hof"-Besitzer Rolf Hoffmann, der 1991 zu den Autoren der Kieler DUR-Zeitschrift "Blick" zählt. Im Dezember 1979 lädt "Tendenz" zu einer "Reichsgründungsfeier" für den Januar 1980 ein, auf der Bernhard Wintzek von "MUT", Dietmar Munier vom BHJ und "Arndt-Verlag" und als Krönung der Wehrsportgruppenführer "Kamerad Hoffmann" sprechen sollen, wie es auf der "Tendenz"-Einladung heißt. Wegen des Verbots der "Wehrsportgruppe Hoffmann" durch den Bundesinnenminister kommt es nicht mehr zu dieser "Reichsgründungsfeier", auch das Dasein von "Tendenz" ist nun beendet.

Unter Pahls und Darsows Regie nehmen die "unitarischen blätter" einen neuen rassistischen Aufschwung, der besonders gegen die Ausländer zielt. Neben eigenen rassistischen Artikeln und Darsows fortwährendem Bezug auf Henning Eichberg bildet das erste Heft der "ub" aus 1982 mit dem Titel "Die Ausländer - Belastung oder Bereicherung" einen Höhepunkt rassistischer Hetze unter Darsows politischer Mitverantwortung. Auch der KLA-Gründer Fritz Castagne arbeitet an diesem Heft mit. Holger Schleips Artikel darüber, daß die Afrikaner doch im warmen Süden bleiben sollen, statt in Mitteleuropa ökologisch schädlich die Atmosphäre aufzuheizen, erscheint hier, Horst Prem schreibt ein Grußwort. Schleips Artikel wird später von "Nation Europa" nachgedruckt.

Darsow selbst spricht hier davon, die "Erbanlagengemeinschaft" und "volklichen Homogenität" der Deutschen sei durch einen drohenden "Umvolkungsprozeß" gefährdet. Unter dem Titel "Ein deutscher Standpunkt" wettert ein Autor gegen die "fremdvölkische soziale Unterschicht" und die "Andersartigkeit" der "Südeuropäer, Türken, Afrikaner und Asiaten", die in hundert Jahren als "lauter Mustafas, Mohammeds und Ali Babas hier herumlaufen. ... Die Orientalisierung und Afrikanisierung unseres Landes macht mich zusehends trauriger und aggressiver." Eine Liste von "Ausländer raus!"-Forderungen - mit großzügigen Ausnahmen für nordeuropäische Ausländer - wird abgedruckt und findet hier eine religiöse Begründung: "Teil meines Glaubens an das Leben über den individuellen Tod hinaus ist - neben der Einbettung im All-Leben - auch die Hoffnung, in den Kindern und Enkeln weiterleben zu können. Darin ist eingeschlossen, daß ich mich in meiner Enkelgeneration sowohl im Aussehen als auch im Wesen, im Charakter wie im Empfinden noch wiedererkennen möchte. Ich beharre auf dem Recht auf eigene Identität, sowohl biologisch als auch kulturell ... Ich gebe daher - ohne Ressentiment - zu, daß ich die Ausländer in ihrer Masse hier nicht will."

Darsow hat schon 1980 in den "ub" - in denen er nun auch den früheren presserechtlichen Verantwortlichen von "Tendenz", Harry Addicks, öfter schreiben läßt - fast wortgleich gemeint, es bedeute "für die nordeuropäischen Menschen bei anhaltender Zuwanderung von Millionen Südeuropäern, Afrikanern und Asiaten aufgrund der Rezessivität ihrer artspezifischen Erbanlagen gegenüber jenen Menschen langfristig eine nicht mehr rückgängig zu machende Umwandlung." Offene Grenzen seien eine "biologische Waffe gegen die Völker Nordeuropas. ... Völkermord muß nicht unbedingt immer in Vernichtungslagern stattfinden." Multifunktionär Darsow ist 1989 schließlich auch stellvertretender Vorsitzender des "Vereins für das Deutschtum im Ausland e. V.", dessen Vorläufer von den Alliierten verboten wurde, und Präsidiumsmitglied des "Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes", für den er ein Seminar mit den Nationalrevolutionären Wolfgang Venohr und Harald Rüddenklau veranstaltet. (449)

Nachdem all dies 1991 Presse, Rundfunk und Landesparlamente Norddeutschlands wochenlang beschäftigt, verteidigt Darsow sich zuerst mit indirekten Stasi-Verdächtigungen gegen seine Kritiker und zieht dann gegen die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" vor Gericht, wo er vergeblich das Verbot der Äußerung verlangt: "Herr Dr. Darsow hat bei einer Zeitschrift mit Namen 'Tendenz' als Redakteur mitgearbeitet, die als rechtsextremistisch bekannt ist und die in der Zeit, wo Herr Darsow noch in der Redaktion dieser Zeitschrift war, z. B. den Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann, zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen hat, die unter dem Thema `Reichsgründungsfeier' gelaufen ist. Das war im Jahre 1979." Die Äußerung stammt aus dem Schweriner Rundfunkinterview mit der "Bonner Initiative". Die letzte Ausgabe von "Tendenz" mit Darsow als Redakteur erscheint im Mai 1979, die Hoffmann-Einladung von "Tendenz" trägt das Datum des 28. Dezember 1979. Darsow, seine Frau Mareike und Mitstreiter Addicks - letzterer inzwischen Verwaltungsrichter - geben in dem Gerichtsverfahren zahlreiche falsche eidesstattliche Versicherungen darüber ab, daß die letzte "Tendenz"-Ausgabe bereits 1978 erschienen sei. Weil sie die Falschaussagen alsbald wieder korrigieren, bleiben die drei schließlich straffrei. Es wird ein Vergleich zwischen den Antifaschisten und Darsow geschlossen, in dem es lediglich heißt: Wenn die Äußerung aus dem Radio-Interview so verstanden worden sei, daß Darsow noch am 28. Dezember 1979 Mitglied der Redaktion gewesen sei - die nach Darsows eigener Aussage da schon nicht mehr bestanden haben soll -, dann sei dies nicht gemeint gewesen und werde auch in Zukunft nicht behauptet. Das gewünschte Äußerungsverbot bekommt Darsow jedoch von den Richtern nicht.


Der Fall Helmut Lölhöffel

Helmut Lölhöffel ist Redakteur der "Frankfurter Rundschau" in deren Bonner Büro und bis 1991 Vorsitzender des Bonner Ortsvereins der IG Medien. In Wahrheit heißt er Helmut Lölhöffel von Löwensprung und ist der älteste Sproß eines ostpreußischen Junker-Geschlechts, das südlich von Königsberg seit der Romantik auf dem mütterlichen Gut Tharau saß, einem Privat-Dorf mit eigener Kirche, eigenem Pfarrer bzw. Kantor, eigener Schule und circa zwanzig Gebäuden. Die militaristischen und nazistischen preußischen Junker von Tharau werden 1945 von den Sowjets enteignet, nachdem Vater Erich Lölhöffel von Löwensprung als Offizier für Kaiser und Führer in zwei Weltkriegen vergeblich gegen die Russen kämpfte und Mutter Hedwig - eine geborene von Olfers aus westfälisch-baltischer "Blutsmischung", wie ihre Nazi-Freunde sagen - noch in den dreißiger Jahren über mehr als 150 Menschen ihr Regiment führte. In Tharau wußte man vor dem 8. Mai 1945 noch, was der Deutsche Ritterorden der Stauferzeit bedeutete: Als glückliche "Herrenjahre" bezeichnet Hedwig von Lölhöffel - so nennt sie sich nun - 1987 ihre ostpreußische Zeit in ihrem Buch "Tharau liegt woanders". Auf den Gütern östlich der Elbe hielten sich vielfach die feudalen Zustände trotz der nach-napoleonischen Reformen. Auch die Patrimonialgerichtsbarkeit der Gutsherren, die über ihre Landarbeiter Geldstrafen in Form von Lohnentzug verhängen konnten, bestand bis zur Novemberrevolution 1918, als der sozialistische Rat der Volksbeauftragten die preußische Gesindeordnung von 1810 endgültig außer Kraft setzte. "Ohne straffe, selbst strenge Hand, kommt das Volk außer Rand und Band", hieß die alte Junker-Devise auf den preußischen Gütern. (450)

Die Junker, die 1933 die "Machtübernahme" der Nazis als Sieg über die "Novemberverbrecher" der Weimarer Republik bejubelten, fliehen 1945 vor der Roten Armee aus Ostpreußen. Der reale Sozialismus richtet auf Gut Tharau die Sowchose Vladimirow ein. Die Lölhöffel von Löwensprungs lassen sich in München nieder, wo Erich und seine Frau Hedwig - eine fanatische Neuheidin - sowie ihre Kinder in der DUR-Gemeinde verkehren, die von Herbert Böhme und später von Friedrich Ehrlicher geleitet wird. (451)

In den achtziger Jahren bietet die Bonner Linke dem vom Sozialismus verhinderten Gutsherrn Helmut Lölhöffel - wie er sich nun nennt - Unterschlupf, ohne die Wahrheit seiner Verbindungen zu den "Deutschen Unitariern" zu kennen: Er war in den sechziger Jahren ein führender Neonazi des "Bund Deutsch-Unitarischer Jugendlicher" (BDUJ), kennt aus dieser Zeit die meisten Personen der heutigen DUR-Spitze, gibt auch 1990 zu, "zu einzelnen Freunden aus jener Zeit bis heute Kontakte zu halten." Vor allem aber unterstützt Lölhöffel noch im Mai 1990 unter Hinweis auf sein Gewerkschaftsamt und seine Redakteurstätigkeit für die "Frankfurter Rundschau" die DUR in einem ihrer Prozesse gegen Antifaschisten, den die DUR dann aber trotzdem verliert. Lölhöffel ist anscheinend ungeachtet seines Redakteurspostens bei der linksliberalen "Frankfurter Rundschau" eine besondere Vertrauensperson für die DUR, denn er erhält von der Sekte Teile der Akten des Berliner Prozesses, den die DUR gegen die Bezeichnung als "völkisch-rassistische Sekte" führt, aber gerade verloren hat. Es muß wohl niemand befürchten, daß der Journalist in der "FR" daraus einen Artikel macht. Lölhöffel revanchiert sich mit einem Brief an den DUR-"Justitiar" Ralf Abel, in dem er die Bezeichnung "völkisch-rassistisch" für seine alte geistige Heimat scharf zurückweist und über die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" nach Art religiöser Fanatiker und in beleidigender Weise herzieht. Die "Bonner Initiative" macht dies im Oktober 1990 öffentlich und löst einen Sturm im linken Bonner Wasserglas aus, denn niemand will ihr glauben. (452)

Doch da begeht Lölhöffel den Fehler, Klage zu erheben gegen einen Antifaschisten. Zu tief sitzt die patrimoniale Herrlichkeit längst vergangener Zeiten im eigenen Bewußtsein, als daß der Journalist und IG Medien-Funktionär der Pressefreiheit in seinem eigenen Falle den Grundrechtsstatus zugestehen möchte. Er will einen Maulkorb für Antifaschisten, niemand soll mehr öffentlich über ihn als rechten Sekten-Mann reden dürfen. Lölhöffel belügt seine Gewerkschaft über die wahren Ausmaße seiner Nazi-Aktivitäten bei den "Deutschen Unitariern" und bekommt von der IG Medien daraufhin Rechtsschutz, obwohl die Satzung der Gewerkschaft das in diesem Fall gar nicht zuläßt. Dies ist ein noch größerer politischer Skandal als die Maulkorb-Forderung eines "FR"-Redakteurs. Im Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzungen werden Lölhöffels Sekten-Aktivitäten in aller Breite publik. Vor dem Oberlandesgericht Köln verliert er seine eigene Klage gegen den Antifaschisten. Zur Wiederwahl für sein Gewerkschaftsamt tritt er erst gar nicht mehr an. Für die IG Medien endet der Prozeß in einem Fiasko: Die Gewerkschaftsmitglieder müssen aus den Mitgliedsbeiträgen, die wohl zur Finanzierung antifaschistischer Arbeit besser angelegt gewesen wären, die hohen Prozeßkosten für zwei Instanzen aufbringen. Die ansonsten als links bekannte Mediengewerkschaft steht nun auch in dem Ruch, einen Maulkorb- und Zensurprozeß mit verfassungswidrigen Forderungen nach Einschränkung der Meinungsfreiheit gegen einen Antifaschisten und zugunsten der Vertuschung der früheren Neonazi-Aktivitäten eines ihrer Funktionäre geführt und verloren zu haben.

Bevor der BDUJ gegründet wird, bestehen einzelne Gruppen von deutsch-unitarischen Jugendlichen, die zumindest teilweise Verbindungen zum Neonazismus haben. Die "Wiking-Jugend" schreibt in ihrer Bundessatzung, sie sei von der "deutschen-unitarischen Jugend" her mitbegründet worden. Der WJ-Gründer Walter Matthaei war bis 1945 Referent in Rosenbergs "Ministerium für die besetzten Ostgebiete". Dieter Vollmer ist 1956 "Bundesführer der Jungunitarier". Die DUR-Zeitschrift "glaube und tat" verfügt jetzt über Jugendseiten unter dem Titel "Der Sturmvogel", auf denen auch schon mal ein Sinnspruch von Julius Langbehn präsentiert wird. In den siebziger Jahren schicken DUR-Eltern ihre Jugendlichen auf ein Zeltlager der WJ, weil ein solches des BDUJ nicht zustande kommt. Der BDUJ als eingetragener Verein der "Deutschen Unitarier"-Jugendlichen wird 1956 auf Anregung von Dieter Vollmer gegründet. Das geben die "glaube und tat"-Jugendseiten, die unter dem neuen Namen "Weggefährte" weiterhin als unselbständiger Teil der DUR-Zeitschrift erscheinen, 1960 zu: "Seien wir dankbar, daß durch die Initiative Dieter Vollmers dieses erste Lager stattfand", heißt es dort.

Der Jugendverband ist formalrechtlich unabhängig, aber als Jugendorganisation der DUR und damit als Teil der Gesamtsekte gedacht. Immer wieder betonen die BDUJler ihre prinzipielle Übereinstimmung mit der DUR. Der Verband wird in der Öffentlichkeit sofort als rechtsextreme Jugendorganisation erkannt und behandelt, der Bundesjugendring distanziert sich von dieser Szene. 1959 schreibt Helmut Kramer - heute Landesgemeindeleiter der DUR in Hamburg - im "Weggefährten", daß man all diesen "gleichgesinnten Jugendlichen" öffentlich vorwerfe, in der Tradition Alfred Rosenbergs zu stehen, und weist den Vorwurf zurück. 1960 beklagt sich "glaube und tat" über "politische Diffamierungen unseres unit. Jugendbundes." 1963 beschwert sich ein Mitglied, in der Öffentlichkeit würde es heißen: "Der BDUJ ist rechtsradikal." Nach seiner Satzung dürfen nur Deutsche Mitglieder des BDUJ werden, zu den "Leitworten", die "wichtiger Bestandteil unserer Satzung" sind, gehören die Sprüche "Geschlossene Gemeinschaft", "Ehrfurcht vor dem Göttlichen um mich und in mir", "Echtes und natürliches Leben nach eigener Bestimmung" und "Deutsches Volk"; sie werden in Gebetform auf dem Titel des "Weggefährten" im August 1963 abgedruckt.

In den sechziger Jahren ist Helmut Lölhöffel - der sich jetzt mal "Otto", mal "Helmut von Lölhöffel" nennt - Mitglied der "Bundesleitung" des BDUJ, einer Art Bundesvorstand. Der Begriff "Leitung" ist noch aus der NSDAP und ihren Untergliederungen übernommen. Lölhöffel ist verantwortlich für den "Weggefährten" und schreibt darüber hinaus auch im sonstigen redaktionellen Teil von "glaube und tat". Als Mitglied der "Bundesleitung" arbeitet er eng mit dem ehemaligen "Hitler-Jugend"-Gauführer Heinz Müller zusammen. Müller ist immer noch in der Jugendarbeit tätig, nun praktischerweise als "Referent für Jugendfragen" der DUR und wie Lölhöffel wohnhaft in München und Mitglied der Böhme/Ehrlicher-Gemeinde der Sekte. Mit Müllers Witwe Anneliese Müller, die auf dem "Unitariertag" 1991 einen Festvortrag hält und eine ehemalige "Bund Deutscher Mädel"-Gauführerin ist, will Lölhöffel bis heute Kontakt haben.


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In größter Offenheit präsenierte die DUR in den 60er, 70er und 80er Jahren, was sie heute zu vertuschen versucht: Altnazis gemeinsam mit gelehrigen Schülern. Hier auf dem Unitariertag 1967 in Hameln; oben linkes Bild: Achterberg (rechts), oben rechtes Bild: Prem, noch im Publikum, unteres Bild: Albertz (links), Helmut v. Lölhöffel 23-jährig (rechts) auf dem Podium.
Aus "glaube und tat" 1967.

Der BDUJ leitet teilweise die ihm anvertrauten Jugendlichen mit dem bekannten Trick der Lagerfeuer-Romantik zum Rechtsextremismus hin, oft durchaus im Sinne der Eltern, die selbst alte Nazis sind: zum Beispiel die Tochter der Müllers, der Sohn der Grunskys, die Tochter der Neugebohrns sind wieder Funktionsträger im BDUJ. Arnold Neugebohrn ist ab 1970 Chefredakteur der DUR-Zeitschrift "Ruf und Widerhall", hierin gibt er sich als Anhänger des völkischen Schriftstellers Hans Grimm - "Volk ohne Raum" - zu erkennen und kandidiert 1988 für die REP. Diese "Sippen"-Kontinuität bei "Deutschen Unitariern" ist heute nicht anders, wie die Aktivitäten von Hans-Dietrich Kahls Verwandte Andrea Kahl zeigen oder die von Horst Prems Sohn Rüdiger Prem, den die BDUJler "Rübe" nennen. Die BDUJ-Zeltlager heißen "Thing" bzw. "Bundesthing", der Verband hat zu Lölhöffels Zeiten ähnlich der Hitler-Jugend "Jungenführer" und "Mädelführerinnen", die "Führer" treffen sich beim "Führerthing", sogar "Nichtführer" gibt es hier, man veranstaltet den "Fackelzug zum Thingfeuer" und trägt dabei ausgerechnet "das braune Fahrtenhemd". Einzelne Ortsgruppen des Verbandes tragen Namen, die an Divisionen der Waffen-SS erinnern: "Condor", "Beowulf", "Wikinger", "Florian Geyer" usw. "glaube und tat" veröffentlicht all dies.

Lölhöffel, Jahrgang 1944, ist in den sechziger Jahren nicht nur als Mitglied der "Bulei" (Bundesleitung) mit der Organisation all dessen befaßt, er schreibt auch offen neonazistische Artikel unter dem Pseudonym "Otto", das er allerdings eitel selbst aufdeckt, indem er einmal die gerade aktuelle Version seines richtigen Namens ("Helmut v. Lölhöffel") in Klammern hinter "Otto" setzt. Während manch ein BDUJ-Mitglied sich mit Besorgnis über den Rechtsextremismus-Vorwurf äußert, langt "Otto" kräftig zu, wenn es darum geht, die demokratische Presse von der katholischen "Christ und Welt" über den "Münchner Merkur" und Springers "Welt" bis zum "Spiegel" oder "pardon" zu kritisieren. Allesamt hätten sie schlecht über den "Meißnertag" berichtet, wo sich der BDUJ als rechtsextremer Rand der bündischen Jugend präsentierte, so klagt "Otto" 1963: "Lediglich die 'Deutsche Wochenzeitung' läßt einige gute Haare an uns." Die "Deutsche Wochenzeitung" ist damals überwiegend im Besitz des Bundesvorstands der "Deutschen Reichspartei" (DRP), der Vorläufer-Partei der NPD; ihr Chefredakteur ist Adolf von Thadden, späterer NPD-Vorsitzender, ihr Verleger und Herausgeber ist Waldemar Schütz, Ordensjunker der NSDAP, Waffen-SS, SS-Hauptsturmführer, Verleger der "letzten Aufzeichnungen" Alfred Rosenbergs, die dieser im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis kurz vor der Hinrichtung geschrieben hatte - es ist tatsächlich eben immer dieselbe Szene von Härte-Nazis.

Während Lölhöffels Altersgenossen beginnen, Bob Dylan zu hören, philosophiert "Otto" über den Hitler-Jugend-Marsch. Unter der Überschrift "Unser Wimpel" schreibt er: "'Die Fahne ist mehr als der Tod' hat einmal der Wahlspruch eines bedeutenden Mannes gelautet. Doch darin sind wir uns wohl einig, daß uns ein Menschenleben mehr bedeutet als ein Stück Tuch - auch, wenn dieses ein Symbol darstellt. Aber ist unser Wimpel nicht doch mehr als ein Stück Tuch? ... Auf der einen Seite des Wimpels sind die beiden sich überdeckenden Runen aufgenäht, das Symbol unseres Bundes. ... Und darum wird unser Wimpel zum sichtbaren Ausdruck unseres gemeinsamen Strebens. Überall, wo sich Mädel und Jungen zu unserer Sache bekennen, wird der Wimpel mit unserer Rune auf seiner einen Seite wehen. ... Darum ist er uns mehr als ein Stück Tuch. ... Er wird immer Sinnbild unserer Gesinnung sein - ein Symbol unseres Strebens zur Gemeinschaft! Otto." "Die Fahne ist mehr als der Tod" ist der letzte Satz des Refrains des "Hitler-Jugend- Marsches", der "bedeutende Mann" muß demnach der "Reichsjugendführer" der Nazis sein: der Kriegsverbrecher Baldur von Schirach, der das Lied eigens für den NS-Propagandafilm "Hitler-Junge Quex" dichtete, mit Rosenberg, Sauckel und Heß in Nürnberg verurteilt wurde und später mit Heß im Spandauer Gefängnis saß. In den sechziger Jahren hätte man in einer für Jugendliche frei zugänglichen Publikation kaum ein deutlicheres Bekenntnis zum Nationalsozialismus abgeben können, ohne mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten. 1967 sitzt Lölhöffel dann auf dem Podium des "Unitariertages" neben der DUR-Prominenz Achterberg, Ludwig und Hegels, im Publikum lauscht ihm Horst Prem. So zeigt es eine Fotofolge in "glaube und tat". (453)

Daß es bisher - mit Ausnahme des Falles Darsow - nicht gelang, die DUR-Geschichte in die Presse zu bringen, ist eine interessante Tatsache, deren Hintergrund noch unaufgehellt ist. Frühere "Deutsche Unitarier" haben heute im bundesdeutschen Pressewesen wichtige Funktionen inne, ohne daß daraus sogleich Rückschlüsse auf eine organisierte Nachrichtensperre gezogen werden könnten. Der heutige "Frankfurter Rundschau"-Redakteur Lölhöffel arbeitete vorher beim "Kölner Stadt-Anzeiger" (Verlag Neven DuMont, Boulevard-Zeitung "Expreß") und bei der "Süddeutschen Zeitung" und ist als ehemaliger Bonner IG Medien-Vorsitzender mit seinen Kollegen aus dem Bonner Pressehaus bestens bekannt, wo die bundesdeutsche und internationale Presse zusammensitzt. Mit ihm im BDUJ waren weitere Personen aktiv, die heute wichtige Redaktionsstellen haben: Ulrich Rosenbaum, damals Autor in "glaube und tat", später bei den sozialdemokratischen Zeitungen "Vorwärts" und "Berliner Stimme", beim "stern" und der "Bild-Zeitung", ist heute stellvertretender Leiter des Bonner Büros der Springer-Zeitung "Die Welt", die in den vergangenen Jahren immer wieder Kolumnen der DUR-"Ehrenpräsidentin" Sigrid Hunke druckte, die seit Jahrzehnten in Bonn wohnt. Einen ausländerfeindlichen Leserbrief des früheren DUR-Gemeindeleiters in Detmold, Dr. F. W. Stapperfenne, druckt "Die Welt" am 19. Juli 1993. Stapperfenne fungiert in der Vergangenheit als Erste-Hilfe-Arzt bei BDUJ-Lagern und schreibt 1973 in "glaube und tat" zum Thema "Ausländer", es sei "vor lauter ... Durchmischungseuphorie der gesunde Menschenverstand wieder einmal auf der Strecke geblieben". (454)

Claus Lutterbeck, ebenfalls ein früheres Mitglied der BDUJ-"Bundesleitung" und Nachfolger Lölhöffels als Chef des "Weggefährten", sitzt heute als Redakteur im Büro des "stern" in Paris; er ist momentan einer der begehrtesten Autoren der Illustrierten. Sein Vater Ernst Lutterbeck war nicht nur ebenfalls in der DUR aktiv, sondern auch leitender Ministerialbeamter ausgerechnet im Bonner Bundesinnenministerium. Ob solche Netze tatsächlich bis heute funktionieren, mag man annehmen oder nicht; Antifaschisten sitzen nicht in den Telefonleitungen. Das Bonner Landgericht allerdings hielt es in seinem Urteil im Lölhöffel-Prozeß keineswegs für ungewöhnlich, daß "Freundschaften, zumal wenn sie in jugendlichem Alter gegründet worden sind, ... auch dann fortbestehen, wenn sich die Beteiligten politisch extrem auseinanderentwickeln."

Der BDUJ besteht heute nur noch aus wenigen Mitgliedern. Sein Antrag an den Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 1991, als förderungswürdig im Sinne des Jugendwohlfahrtgesetzes anerkannt zu werden, scheiterte nicht am Neofaschismus, sondern an der zu geringen Mitgliederzahl des Verbandes. Er ist eine Untergliederung des "Ringes junger Bünde", der als Nachfolgeorganisation der Bündischen Jugend 1963 auf dem "Meißner-Treffen" entstand, das Lölhöffel im obigen Zitat ansprach. Als solche unterzeichnete der BDUJ im Januar 1993 einen Aufruf gegen die ausländerfeindlichen Pogrome, was jedoch angesichts der völkischen Wirklichkeit des BDUJ als Teil der breit angelegten Verschleierungsoffensive der "Deutschen Unitarier" gewertet wurde.
(Zur weiteren Karriere Lölhöffels im Jahr 2001 vgl. die BIFFF...-Flugblätter
"Ex-Neonazi ist Senatssprecher in Berlin" und weitere sowie unseren zusammenfassenden Text vom Januar 2009 zu seiner Karriere als Herausgeber des SPD-nahen Pressedienstes "Blick nach rechts".)


Der Fall Horst Prem

Horst Prem, Jahrgang 1940, kommt wie die meisten der jüngeren DUR-Leute über die ältere Verwandtschaft zu der Sekte und schreibt bereits in den sechziger Jahren in "glaube und tat". Er heiratet Anke Porsche, die Tochter des langjährigen Bremer DUR-Landesgemeindeleiters Martin Porsche, betätigt sich als eifriger Ideologe der Sekte, steigt in den siebziger Jahren zum "Leiter des Geistigen Rates" auf und wird 1977 zum Präsidenten der DUR gewählt. Für die rechtsextremen Vorkommnisse in der DUR ist er seitdem politisch verantwortlich. Ende 1990 legt er das Präsidenten-Amt auf Druck seines Arbeitgebers nieder, des Rüstungs- und Weltraum-Konzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB, heute Deutsche Aerospace Aktiengesellschaft - DASA), der überwiegend im Besitz der Daimler-Benz AG ist. Prem ist Leiter der geheimen Forschungs- und Entwicklungsabteilung von MBB/DASA in Ottobrunn (genau: Leiter des Bereichs Entwicklung im Zentralbereich Technik) und damit einer der führenden Rüstungs- und Weltraummanager in der Nato. Für die Prozesse der DUR nutzt er die Büro-Infrastruktur von MBB und tritt auch schon mal öffentlich in seiner Doppelfunktion als DUR-Präsident und MBB-Manager auf, als ob dies zusammengehöre: Die "Kieler Nachrichten" berichten am 16. April 1985 über eine Veranstaltung der Kieler DUR-Gemeinde zum Thema "Religiöse Begründungen für den Leistungswillen", auf der Prem das Eingangsreferat hält: Er wird als "Präsident der Deutschen Unitarier und Vorstandsmitglied von MBB" vorgestellt. Prem meint hier, um der japanischen Konkurrenz Herr zu werden, brauche Europa eine neue religiöse Fundierung.

Wochen später verleiht er die Ehrenpräsidentschaft der DUR an die Neuschöpferin der "europäisch eigenen Religion", Sigrid Hunke, die von 1971 bis 1983 Vizepräsidentin er DUR ist. Prem meint in seiner Laudatio auf die neofaschistische Ideologin: "Mit dem von Ihnen geprägten Begriff 'Europas andere Religion', der zu einem Buchtitel wurde, aber auch mit dem Begriff 'Europas eigene Religion', wie Sie ihn später nannten, haben Sie auf einen selbständigen, religiösen Daseinsentwurf hingewiesen, der in Europa immer virulent war. ... Sie gehen in Ihrer Vision so weit und machen die Zukunft Europas davon abhängig, ob es gelingt, zu diesen Quellen europäischer Eigenständigkeit zurückzufinden. ... Liebe Frau Dr. Hunke, Sie haben diese geistigen Strömungen, die für uns so wichtig sind, in systematischer Arbeit aufbereitet." Hunke hat kurz vorher auch den "Schiller-Preis" des rechtsextremistischen DKEG verliehen bekommen, was Prem erwähnt, als sei dies tatsächlich ein ehrenvoller Preis. Schon auf dem vorhergehenden "Unitariertag" 1983 nennt Prem in einer Ehrung Hunke die "Richtschnur" der DUR. (455)

Prems Bekenntnis zum Faschismus, als das man seine Hunke-Laudatio und seine dreizehnjährige Präsidentschaft über eine Nazi-Sekte verstehen kann, überrascht nicht angesichts der Vergangenheit seines Arbeitgebers. Eher überrascht es, daß MBB Prem zwingt, die DUR-Präsidentschaft aufzugeben, nachdem die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" im Herbst 1990 in einer Information an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages die Frage aufgeworfen hat, ob bei den Beziehungen von DUR-Prominenten zum internationalen Nazismus nicht die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland betroffen seien, wenn Prem etwa Zugang zu den geheimen Entwicklungsprojekten des Verteidigungsministeriums habe. Wegen Waffenlieferungen vor allem in die Krisengebiete des Nahen und Mittleren Ostens bereits in der Schußlinie - es findet gerade der Aufmarsch zum Zweiten Golfkrieg statt, MBB hat an dem Irak auch Raketentechnik geliefert -, will die teilweise im Staatsbesitz befindliche Firma MBB wohl nicht noch ein weiteres Feld der Auseinandersetzung eröffnet sehen, erst recht nicht auf dem Terrain des Komplexes Auschwitz.

Dabei war Firmengründer Willy Messerschmitt einer der kräftigsten Unterstützer Hitlers, der Zweite Weltkrieg wäre ohne Messerschmitts Flugzeuge sicher nicht möglich gewesen. Seine Flugzeuge wurden zum Teil von KZ-Zwangsarbeitern gebaut wurden - Sinti und Roma insbesondere - und von den Nazis nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern dann auch im Nahen und Mittleren Osten eingesetzt, um nationalistische Araber gegen die Briten und ihre Pläne zur Errichtung eines jüdischen Staates zu unterstützen. Die treibende Kraft der Nazis war hier einmal mehr Alfred Rosenberg. Mit Messerschmitt-Maschinen wurde vor allem das antibritische Regime in Bagdad unterstützt, wo bereits Anfang der dreißiger Jahre eine arabische Schwesterpartei der NSDAP gegründet worden war. Eine ähnliche in Kairo folgte wenig später. (456)

Messerschmitt durfte das "Führerflugzeug" bauen, ein Langstreckenflieger mit Daimler-Benz-Motoren, der Hitler als ersten Menschen im Nonstopflug von Berlin nach Tokio zur Olympiade 1940 bringen sollte - die Olympiade fiel dann aus. Er konstruierte schließlich noch kurz vor Kriegsende den ersten Düsenjäger, die "Me 262", Hitlers "Wunderwaffe", mit der der Zweite Weltkrieg nach dem Scheitern von Heisenbergs Atombomben-Programm und dem Raketenprojekt des späteren NASA-Technikers Wernher von Braun doch noch für Nazi-Deutschland gewonnen werden sollte. In den fünfziger Jahren ist es Willy Messerschmitt, der ehemalige Nazi-Leute in der Nähe von Kairo seine Militärflugzeuge bauen läßt und damit das Ägypten des Nationalrevolutionärs Gamal Abd-el Nasser gegen Israel aufrüstet. In Kairo war einmal - nach Buenos Aires - die zweitgrößte Auslandsgruppe der NSDAP, die von dem Rudolf Heß-Bruder Alfred geleitet wurde, hierhin flüchten sich nach dem 8. Mai 1945 etliche Nazi-Größen mit Hilfe des Bischofs Alois Hudal, zu dem wiederum der DUR-Funktionär Albert Hartl beste Kontakte hatte. (457)

Der Rücktritt Prems bei der DUR kommt schnell und überraschend angesichts der Tatsache, daß doch die DUR-Chefideologin Sigrid Hunke als einzige Frau und als einziges europäisches Mitglied wegen ihrer Arbeiten über den arabischen Einfluß auf das mittelalterliche Heilige Römische Reich Deutscher Nation in einem obskuren "Obersten Rat für Islamische Angelegenheiten" sitzt. Den Rat richtet Nasser 1960 in Kairo als Institution zur Unterstützung der "ägyptischen Kampfziele" ein, an seiner Spitze steht ein Militär, nicht etwa ein Geistlicher; als erster ist dies Nassers späterer Nachfolger Anwar al-Sadat. (458)

Läßt man sich solche Verbindungen so einfach entgehen, wenn man Waffen verkaufen will? Die DUR unter Prem pocht in dem Berliner Prozeß gegen Antifaschisten immer wieder auf Hunkes Nahost-Kontakte als einer Art Leumundszeugnis für ihre vormalige "Ehrenpräsidentin" und für die Sekte selbst. Prem ist im Gerichtstermin selbst anwesend, man ist sich der großen Bedeutung der Kairo-Connection wohl sehr bewußt. Andererseits: MBB ist nicht nur der legitime Nazi-Rüstungs-Erbe in der Luftfahrt - auch die alten Junkers-Werke gehören dazu - und dem Raketenbau. Der Neonazi-Terrorist Udo Albrecht wird in Presseberichten mit Nahost-Verkaufsverhandlungen für eine unverkäufliche MBB-Panzerfaust-(Fehl-)-Entwicklung in Verbindung gebracht. Die Frage, ob er im offiziellen MBB-Auftrag handelte, bleibt letztlich ungeklärt. Albrecht gehört zum Umfeld der "Wehrsportgruppe Hoffmann", deren Mitglieder teilweise von nationalrevolutionären Arabern im Libanon ausgebildet werden, ist selbst Leiter des "Freikorps Adolf Hitler" und 1970 mit der palästinensischen Terrororganisation "Schwarzer September" in Jordanien aktiv. Für den von MBB mit dem Segen der Bundesrepublik Deutschland aufgerüsteten Saddam Hussein machen sich 1990/91 gerade die Nationalrevolutionäre um Marcus Bauer und Hans Rustemeyer stark. Rustemeyer repräsentiert die Linie zur ÖDP und der Partei "Die Weißen", bei denen wiederum Verbindungsleute der "Deutschen Unitarier" sitzen: Wolfram Bednarski zum Beispiel. Während Michael Kühnen "Kriegsfreiwillige" für den Irak sammelt - man erinnert sich an seine Verbindungen zum "Collegium Humanum" des Werner Georg Haverbeck, wo nicht nur Sigrid Hunke spricht, sondern auch Kühnens "Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum hundertsten Geburtstag Adolf Hitlers" unter dem Deckmantel eines Seminars über Naturreligionen tagt -, während die "Unabhängigen Nachrichten" 1991 eine angebliche jüdische Weltverschwörung und eine Prophezeiung des Alten Testamentes für den Zweiten Golfkrieg verantwortlich machen - für die "Unabhängigen Nachrichten" wirbt Jahre vorher die Zeitschrift "Tendenz" des Prem-Schützlings Darsow -, läßt Saddam die politische Elite der europäischen "Neuen Rechten" in Bagdad aufmarschieren. In der rechtsextremen Zeitschrift "Europa Vorn", die 1993 beim Düsseldorfer DUR-Chef Kurt Winter Unterschlupf findet, schreibt Manfred Rouhs im März 1991 einen Aufruf "Für deutsch-arabische Solidarität!", der Nationalrevolutionär Marcus Bauer unterstützt hier ebenfalls Saddam Hussein. Schon in den sechziger Jahren bildet der BHJ Windischs ein "Hilfskorps Arabien", das gegen Israel kämpfen soll, aber wie Kühnens Truppe dann doch nicht zum Einsatz kommt. (459)

Bei all dem mag es für MBB unerträglich sein, wenn der Forschungs- und Entwicklungs-Chef des Konzerns, auf den man auch in Zukunft nicht verzichten will, nun auch noch öffentlich und gegenüber dem Verteidigungsausschuß als Präsident der Nazi-Sekte "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft e. V." verhackstückt wird. Zumal, wo doch der MBB-Mehrheitseigentümer Daimler-Benz heute mit Edzard Reuter von einem Neffen des "deutschgläubigen" Hauer-Mitstreiters Otto Sigfrid Reuter geführt wird und damals Insassen des KZ Dachau als Zwangsarbeiter beschäftigte, das nun wiederum der spätere DUR-Funktionär Albert Hartl mit Häftlingen zu füllen half. (460)

Der belastete Prem muß also die Präsidentschaft der DUR niederlegen, nicht etwa seinen Job bei MBB/DASA. Und in der DUR bleibt er weiterhin eine zentrale Person, wenn auch ohne nominelle Ämter. Er vertritt die DUR nun eben "informell" - und gemeinsam mit Helmut Kramer und dessen Frau Christa, Vizepräsidentin der DUR - im "Dachverband freier Weltanschuungsgemeinschaften" (DFW). Im Februar 1993 leitet Prem in einem DUR-Haus bei Kiel das DFW-Seminar "Arbeitsethos und Wertvorstellungen in Deutschland" - es bleibt hinter den Kulissen alles so, wie es zu Prems Präsidentschaft war.

Ist der Rücktritt nur eine Finte, um den Waffenkonzern aus der antifaschistischen Schußlinie zu holen? Besteht etwa eine "Kairo-Ottobrunn-Connection für den Waffenhandel in den Nahen Osten, in der die DUR-Prominenz eine Rolle spielt?", fragen Bonner Antifaschisten. Horst Prem will allein schon diese Frage verboten haben und zieht ein weiteres Mal mit einem Unterlassungsbegehren vor Gericht, wo er wiederum verliert. Das Oberlandesgericht Köln gibt letztinstanzlich der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus" recht und meint sogar, das dies eine "die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage" sei. Eine Antwort von MBB/DASA auf diese Frage steht allerdings bis heute aus.

Man weiß inzwischen, daß die Nazi-Fluchthelfer-Organisation "ODESSA" zur Tarnung zahlreiche Import-Export-Firmen im Mittelmeerraum unterhielt, die auch Waffenhandel betrieben. Der ehemalige Gruppenführer im Reichssicherheitshauptamt Walther Rauff - ein Günstling Heydrichs wie sein Kollege Gruppenführer Albert Hartl, aber im Unterschied zu letzterem als Erfinder der Vergasungswagen wegen 97000-fachen Mordes gesucht - kann mit Hilfe von ODESSA und Bischof Hudal in den Nahen Osten fliehen und soll auch Kontaktperson der "Stillen Hilfe" gewesen sein. 1960 besucht er als "Maschinenimporteur" ungehindert die Hannover-Messe, ab 1973 baut er den Geheimdienst DINA des faschistischen Chile unter Pinochet auf, das kräftig mit deutschen Waffen aufgerüstet wird. Wenn auch bis heute eine Mittlerposition der DUR bei der NS-Fluchthilfe und im Waffenhandel nicht als Tatsache bewiesen werden kann, so ist doch sicher: Hartl und Rauff waren vom Reichssicherheitshauptamt her gute Bekannte. (461)

In seinem Konzern ist Prem als Diplomingenieur für Raumfahrttechnik tätig und in den siebziger Jahren für das Programm der "Helios"-Sonde zuständig, bei dem MBB mit der US-amerikanischen NASA zusammenarbeitet - wie praktisch für einen Ideologen "kosmischer Religion". Heute gehört zu den herausragenden Entwicklungspojekten des Konzerns der wiederverwendbare europäische Raumtransporter "Sänger", bezahlt von den deutschen und europäischen Steuerzahlern und benannt nach dem deutschen Raketenkonstrukteur Eugen Sänger, der Anfang der sechziger Jahre für Ägypten Raketen baut. Deshalb wird er von der Bundesregierung gemaßregelt und um seinen Job als Leiter des Forschungsinstituts für Physik der Strahlenantriebe in Stuttgart gebracht.

Prem und seine Nazi-Getreuen wissen um den ideologischen Nutzen "kosmischer" Weltanschauung zum Verkauf der MBB-Technik. Dieter Vollmer und der von Prem gern zitierte Baldur Springmann, der im BHJ-nahen Arndt-Verlag veröffentlicht, sind Anhänger germanischer Sonnen-Gläubigkeit. In "glaube und tat" schreibt Prem 1974 über "die Sonnensonde Helios" und übernimmt den naturwissenschaftlich-technischen Teil. Direkt anschließend sorgt Fritz Castagne fürs Ideologische: "Mensch und Sonne in 4000 Jahren" heißt sein Artikel über die antiken Sonnenreligionen des Nahen und Mittleren Ostens und der Germanen. Das alte Gottesbild der Bibel paßt nicht zur Weltraumtechnologie, wohl aber das pantheistische einer abstrakten Göttlichkeit des Kosmos und seiner Gesetze, die durch den Menschen und insbesondere den Techniker wirken soll. Die religiös legitimierte Vision der Mitherrschaft Europas im Kosmos kommt dem deutsch geführten europäischen Kapital in seiner Konkurrenz zum US-amerikanischen und japanischen Kapital gerade recht. Auch hier kann man auf Tradition zurückgreifen: Der kosmische Imperialismus auf der Basis einer mythisch-naturreligiösen "deutschen" Technik war schon in der völkischen Science-Fiction-Literatur der NS-Zeit vielfach Romanthema.

1992 tritt der DASA-Manager Karl Dersch aus dem Vorstand des Unternehmens zurück, weil er in seinem Garten das Symbol der alten Freikorps und des neuen Nazismus, die Reichskriegsflagge, gehißt hatte. 1992 verschickt die DASA an alle Bundestagsabgeordneten die Zeitschrift "new-tech news. Das Magazin über neue Technik", "Herausgeber: Deutsche Aerospace AG, Beirat: Horst Prem" heißt es im Impressum. Rolf Engel, "Raumfahrtpionier der ersten Stunde", wird darin interviewt. Engel baute in Peenemünde Raketen für Hitler und in Ägypten Raketen für Nasser. In dem Interview erzählt er, wie er dem Kriegsverbrecher und Nazi-Rüstungsminister Albert Speer klarmachte, "wie man Raketen baut und wo diese eingesetzt werden können." Und Engel hat eine ökonomische Perspektive, die auf der New Age-Vision basiert: "Man muß den Menschen an den Gedanken gewöhnen, eines schönen Tages nicht nur den Mond, sondern auch den Mars zu betreten. Allein was die Rohstoffe angeht: Auf dem Mond stolpert man nur so über Titan! ... Zur Zeit dauert eine Reise zum Mars noch ein ganzes Jahr, aber später wird man Triebwerke haben, die das schneller können - wir werden eines Tages ganz sicher Raketen mit Atomantrieb haben." Faust läßt grüßen. (462)

...weiter im Text dieses Kapitels 5:  Zweiter Teil

Anmerkungen:
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(404) R. Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt a. M. 1990, S. 1080.
(405) In Wirklichkeit fand das Landgericht Berlin lediglich eine Äußerung nicht in Ordnung wie: "Bis weit in die 70er Jahre ließen sich regelmäßige gemeinsame Zeltlager von Wiking-Jugend und Deutsch-Unitarischer Jugend nachweisen", weil für die siebziger Jahre nur ein einziges solches Zeltlager nachgewiesen werden konnte - eine Nebensächlichkeit. Beim Landgericht Hamburg kam es noch toller: Hier hatten die Richter offenbar gerade ihre Brillen vergessen und lasen ein Semikolon für ein Komma und die Jahreszahl 1989 für 1988. Zwei Sätze, die angeblich aus einer antifaschistischen Presseerklärung gegen die DUR stammten, wurden wegen Komma und "1988" verboten, obwohl die Presseerklärung das Semikolon und "1989" enthielt. Die richtig gelesenen Sätze dürfen auch heute weiterhin geäußert werden, denn das Gericht verbot nur die eigenen Lesefehler! Aber die DUR hatte nun ihre "Verbote", mit denen sie bis heute hausieren geht, weil ein paar Hamburger Antifaschisten das Prozeßrisiko scheuten und die einstweilige Verfügung der schlecht bebrillten Richter akzeptierten. So macht man Politik. Die angeblichen "Strafen" allerdings hatte Kramer ohne jede Basis einfach erfunden.
(406) Vgl. P. Kratz: Neuheidnische Sekte mit Öko-Profil, in: SPD-Pressedienst "blick nach rechts", 22. 12. 1986, S. 2-4; A. Pfreimdt (d. i. P. Kratz): Vom Antisemitismus zur "ökologischen Religion", "taz" 29. 10. 1988, S. 12; P. Kratz: FaschistInnen wollen mit New Age-Image leichtgläubige Menschen ködern, hrsgg. von der "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus", Bonn 1990.
Die Kieler Broschüren "Der völkische Rassismus in der Weltanschauung der Deutschen Unitarier" ("Avanti" 1991) und "Stellungnahme des Antifaschistischen Forums Kiel" (1991) sowie Artikel in "ATZE - Antifaschistische Zeitung Kiel" sind erhältlich bei "ATZE" und "Avanti" im "Initiativenzentrum" Kiel.
Die hier vorliegende zusammenfassende Darstellung der DUR ist auch deshalb nötig, weil die zentrale Position dieser Sekte im Neofaschismus in bisher erschienen Kurzdarstellungen fast gänzlich ausgeblendet wurde, vgl. z. B. H. Reller und M. Kiessig (Hrsg.): Handbuch religiöse Gemeinschaften, Gütersloh 1985; H. Krüger et al. (Hrsg.): Oekumene-Lexikon, Frankfurt a. M. 1983; F. Heyer (Hrsg.): Religion ohne Kirche. Die Bewegung der Freireligiösen, Stuttgart 1979. Das unwissenschaftliche Buch von Seibert versucht sogar ausdrücklich und entgegen der gesamten Forschungslage, die DUR vom Vorwurf des Faschismus reinzuwaschen.
(407) Ausgewertet wurden die von der DUR offiziell herausgegebene Zeitschriften seit 1949 sowie Broschüren und Bücher der Sekte selbst bzw. prominenter Funktionsträger der Sekte. Eine Reihe interner Publikationen hält die DUR jedoch unter Verschluß und gibt sie nicht einmal für wissenschaftliche Arbeiten heraus. Es ist zu vermuten, daß es sich hierbei um Schriften handelt, in denen die Interna des (Neo-) Faschismus behandelt werden.
(408) Klie-Riedel in "ub" 1985, S. 161. Prem in "ub" 1986, S. 182. Vgl. "ub" 1988, Heft 4.
(409) Kahl in "ub" 1989a, S. 116 f. Herder zit. in "ub" 1986, S. 176. Schöll zit. in "ub" 1990, S. 30. Kahl in "ub" 1990, S. 76. "g+t" 1966, S. 70.
(410) Moshammer in "ub" 1988, S. 139 f.
(411) Die Angaben entstammen dem Vereinsregister des Amtsgerichts Worms, wo die Sekte 1902 unter der Nummer VR I-7 eingetragen wurde und heute unter der Nummer VR 364 registriert ist. Alle anderen Angaben, die sich in DUR-Schriften finden, sind nachweislich falsch.
(412) H.-D. Kahl: Strömungen. Die Deutschen Unitarier seit 1945 - ein kritischer Rückblick, München 1989b, S. 33 f; S. 4.
(413) DG-Flugblätter zit. n. Deutschlandberichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SoPaDe) 1934-1940, Frankfurt a. M. 1980, Bd. 1935, S. 238; Conway, S. 127. Vgl. Cancik: "Neuheiden" und totaler Staat, in: ders. (Hrsg.), a. a. O., S. 176-212; Scholder 1977, S. 573 ff, S. 699.
Zur DG vgl. die umfassende Arbeit von U. Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung, Marburg 1993; BFGD S. 122; Schlachtruf zit. 239; Hauer als "Christus" S. 120.
Nanko gibt auch einen Überblick über die verschiedenen Sekten der ersten "New Age"-Bewegung. Seine Einschätzungen wirken jedoch bisweilen naiv, weil ihm ein Großteil des Wissens über die politischen Hintergründe vor und nach 1945 zu fehlen scheint und er zu Vermutungen Zuflucht nimmt. Er nennt die DUR nur in einem Satz und mit dem falschen Namen "Deutsch-unitarische Religionsgemeinschaft" (S. 252), bringt sogar widersprüchliche Angaben: So soll Hauer einmal den Vorsitz des BFGD "niedergelegt" haben (S. 160), ein andermal aber "nicht wiedergewählt" worden sein (S. 206).
(414) Zit n. "Politische Ökologie. Zeitschrift für Theorie. Praxis, Diskussion und Dokumentation ökologischer Politik", Nr. 4/1984, S. 40.
(415) W. Hauer: Deutsche Gottschau. Grundzüge eines deutschen Glaubens, Stuttgart 1934, S. 4; S. 22; S. 27; S. 45; S. 16; S. 246; S. 238; S. 57; S. 174; S. 211; S. 238; S. 224.
(416) W. Bonneß in "Deutscher Glaube", Jg. 1939, S. 471; Jg. 1940, S. 125 ff.
(417) H. Grabert (Hrsg.): Wilhelm Hauer: Was will die Deutsche Glaubensbewegung?, 1935, S. 18; S. 43; S. 41. G. Pick: Werkstatt der Schöpfung. Vom Atom zum Weltstaat, Prien am Chiemsee 1966, S. 246 f.
(418) H. Grabert: Der protestantische Auftrag des deutschen Volkes, Stuttgart 1936; zu Teilhard vgl. S. 277; zit. S. 15; S. 267; S. 260 f.
Vgl. W. Deppert: Systematische philosophische Überlegungen zur heutigen und zukünftigen Bedeutung der Unitarier, in: ders. et al. (Hrsg.): Der Einfluß der Unitarier auf die europäisch-amerikanische Geistesgeschichte, Frankfurt a. M. 1990.
Grabert-Empfehlung in Krebs 1981, S. 453.
(419) Vgl. K. Meier: Die Deutschen Christen. Das Bild einer Bewegung im Kirchenkampf des Dritten Reiches, Göttingen 1964, S. 4, S. 305, S. 313.
Zu Sauckel vgl. J. Friedrich: Die kalte Amnestie. SS-Täter in der Bundesrepublik, Frankfurt a. M. 1984.
(420) Recherchematerial bezüglich einiger Aktivitäten von Lothar Stengel-von Rutkowski hat Frank L. Schütte vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten dem Verf. überlassen; der Bund veröffentlicht Gedichte der Rassistin Kriemhild Klie-Riedel.
Zu Stengel-von Rutkowski vgl. Nanko, S. 267.
Zur "Nordischen Bewegung" vgl. H.-J. Lutzhöft: Der Nordische Gedanke in Deutschland, Stuttgart 1971; L. Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalsozialismus, Wien 1971, der auch die religiös-rassistische Linie aufzeigt, die wir im 3. Kapitel behandelten; M. H. Kater: Das "Ahnenerbe" der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1974; M. Billig: Die rassistische Internationale. Zur Renaissance der Rassenlehre in der modernen Psychologie, Frankfurt a. M. 1981; A. Bramwell: Blood and soil: Walther Darré and Hitler's Green Party, Abbotsbrook 1985. Zur herausragenden Bedeutung von Günther und Clauß im NS-Rassismus vgl. C. F. Graumann, S. 4; J. Hermand, S. 147, S. 229.
(421) Vgl. Lutzhöft, S. 41.
(422) Nach Augenzeugenberichten, vgl. Lützhöft, S. 47.
(423) H. W. Hammerbacher behauptet dagegen nach einem Bericht der antifaschistischen Zeitschrift "Der Rechte Rand" (Nr. 10, S. 10), Sigrun Schleipfer sei nicht mit ihm verwandt, sondern sei die Tochter eines E. F. Standt - da mag wohl einigen Rassisten ihre Abstammung nicht recht klar sein.
(424) Zit. n. G. Heidenreich: Die organisierte Verwirrung. Nationale und internationale Verbindungen im rechtsextremistischen Spektrum, in: W. Benz (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Frankfurt a. M. 1984, S. 181.
(425) Zu Reuß und Wirth vgl. Kater, S. 15. Zu Reuß und Darré vgl. Bramwell, S. 46 f.
(426) Clauß im Ahnenerbe vgl. Kater, S. 209. Abel als Augustin-Schüler vgl. "g+t", Nr. 2/1977, S. 51.
(427) Kummer zit. n. L. Poliakov: Das Dritte Reich und seine Diener. Dokumente, Berlin 1956, S. 208. Vgl. Mohler 1950, S. 81 f.
(428) Vgl. W. Scharf: Nationalsozialistische Monatshefte (1930-1944), in: H.-D. Fischer (Hrsg.): Deutsche Zeitschriften des 17. bis 20. Jahrhunderts, Pullach 1973, S. 409-419; G. Berglund: Der Kampf um den Leser im Dritten Reich. Die Literaturpolitik der "Neuen Literatur" (Will Vesper) und der "Nationalsozialistischen Monatshefte", Worms 1980.
(429) Stengel-von Rutkowski in "NS-Monatshefte", Nr. 161, 1944, S. 83. Vgl. S. Hunke: Kamele auf dem Kaisermantel, Stuttgart 1976.
(430) Vgl. J. Billig: Alfred Rosenberg dans l'action idéologique, politique et administrative du Reich hitlérien, Paris 1963, S. 326. Hier heißt es: "Achterberg, Eberhard. Rédacteur en chef des 'Nationalsozialistische Monatshefte' (Cahiers mensuels nat. soc.); rédacteur de la revue 'Sigrune'; ensuite chef de la section 'Judaisme et Franc-Maconnerie' de la DBFU". DBFU heißt "Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP" (ebd., S. 29).
Achterbergs Sohn Gerd bestreitet nach dem Tode seines Vaters in einem Brief an die Kieler Antifa-Zeitschrift "ATZE", daß Eberhard A. diese Funktion im "Amt Rosenberg" inne gehabt habe.
(431) "NS-Monatshefte", 1930, S. 202; 1942, S. 533; S. 539; S. 542. Kahl 1989b, S. 5.
(432) Vgl. Baumgärtner, S. 38 f, S. 85. Zu Ziegler in der DG vgl. Nanko, S. 147.
(433) Vgl. R. Rietzler: "Kampf in der Nordmark". Das Aufkommen des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (1919-1928), Neumünster 1982.
Der Wirtschaftstheoretiker Klagges zit. n. Barkai, S. 33.
Der Erziehungstheoretiker Klagges zit. n. J. Thierfelder: Die Auseinandersetzungen um Schulform und Religionsunterricht im Dritten Reich zwischen Staat und evangelischer Kirche in Württemberg, in: M. Heinemann (Hrsg.): Erziehung und Schulung im Dritten Reich, Bd. 1, Stuttgart 1980, S. 255 ff.
Klagges vor Gericht zit. n. M. Jenke: Die nationale Rechte. Parteien, Politiker, Publizisten, Berlin 1967, S. 194.
(434) Hegels in "ub", 1981, S. 61.
(435) Zu den Wahlergebnissen vgl. Jürgen Falter: Hitlers Wähler, München 1991, S. 155, S. 159; R. Stöss: Rechtsextremismus und Wahlen in der Bundesrepublik, in: "Aus Politik und Zeitgeschichte", Nr. B 11/93, 12. März 1993; "Der Rechte Rand", Januar 1994, S. 12 f.
Achterberg in "g+t", 1951, Heft 8.
Der Bundesminister des Innern: Erfahrungen aus der Beobachtung und Abwehr rechtsradikaler und antisemitischer Tendenzen im Jahre 1964, Bonn 1965, S. 14 f.
(436) Hegels in "ub", 1986, S. 163.
(437) Zur Biographie von Schäfer-Hansen vgl. E. Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im 3. Reich, Kiel 1985, S. 373. Das Buch erscheint im rechtsextremen "Arndt-Verlag". Prem in "g+t", 1977, S. 142.
(438) Prem über Castagne in "ub", 1983, S. 232.
(439) Vgl. E. Hansen: Wohlfahrtspolitik im NS-Staat, Bremen 1991, S. 383 f.
(440) Eichmann zit. n. J. Billig: Die Endlösung der Judenfrage, New York und Paris 1979, S. 71; vgl. S. 66.
Vgl. K. Pätzold: "Die vorbereitenden Arbeiten sind eingeleitet." zum 50. Jahrestag der "Wannsee-Konferenz" vom 20. Januar 1942, in: "Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament", 3. 1. 1992; H. Graml: Zur Genesis der "Endlösung", in: W. H. Pehle: Der Judenpogrom 1938. Von der "Reichskristallnacht" zum Völkermord, Frankfurt a. M. 1988.
Zu den Massengräbern in Kiew vgl. Hilberg, S. 333, S. 408.
Hilberg zur "Blut-Sippschaft" S. 1082.
Prem über Hartl in "ub", 1982, S. 31.
(441) Zu Keller vgl. Thierfelder, S. 243 f. Prem über Keller in "ub", 1978, S. 24.
(442) Kahl 1989b, S. 30. Böhmes Hitler-Texte zit. n. F.-W. Haack 1983, S. 48.
(443) Achterberg über Böhme in "g+t", 1967, S. 307; 1971, S. 372.
(444) Vgl. J. Lütge: Der Mensch als Material. Erwin Guido Kolbenheyers "Bauhütten"-Konzept, in: Schwedhelm, S. 228-242.
Farías berichtet: "Bei den Feierlichkeiten zu Ehren von E. G. Kolbenheyer ..., die 1954 von der Kolbenheyer-Gesellschaft, der Sudetendeutschen Landsmannschaft und dem Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes begangen wurden, begrüßte Kolbenheyer die Anwesenden mit dem nationalsozialistischen Gruß. Burte (ebenfalls ein völkischer Schriftsteller, P. K.) beglückwünschte ihn unter allgemeinem Beifall dazu und sagte, er sei ein Mann und kein Kriecher" (S. 121).
Das DKEG wurde gegründet mit einer 100 000 DM-Spende des Stifterverbandes der Deutschen Industrie, vgl. H.-J. Schulz (Hrsg.): Sie sind wieder da! Faschismus und Reaktion in Europa, Frankfurt a. M. 1990, S. 146.
Tauber dagegen benennt den Spender als "Kulturkreis" der deutschen Industrie: K. P. Tauber: Beyond Eagle and Swastika. German Nationalism Since 1945, Middletown 1967, S. 659. Tauber, der niemals ins Deutsche übersetzt wurde, bei dem sich aber fast alle Autoren über den bundesdeutschen Neofaschismus bedienen, gibt über Böhme und dessen Organisationen umfassend Auskunft (S. 624-666).
Vgl. B. Engelmann: Das "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes", "Pflegstätte" der "Aktion W", Schriftenreihe der Demokratischen Aktion, o. O., o. J.
Zu Böhme vgl. R. Stöss (Hrsg.): Parteien-Handbuch, Bd. 2, Opladen 1986, S. 1146.
Hagen in "g+t", 1967, S. 246. Kahl 1989b, S. 31.
(445) Zu Windisch und dem BHJ vgl.: Wie kriminell ist die NPD?, Hamburg 1980, S. 63. Vgl. Tauber.
(446) Zu der Bednarski-"Sippe" vgl. Kratz 1990.
(447) Vgl. H. Brenner: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus, Reinbek 1963, S. 11, S. 17, S. 38. Vgl. zum langjährigen Chef der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Walter Becher, Kap. 3; Becher war wie Böhme, Pozorny und andere DKEG-Leute auch im Witiko-Bund aktiv.
(448) Zu Lauck vgl. ID-Archiv (Hrsg.): Drahtzieher im braunen Netz. Der Wiederaufbau der 'NSDAP', Amsterdam o. J. (1992), S. 14 f. Zur "Stillen Hilfe" vgl. J. Pomorin, R. Junge und G. Biemann: Geheime Kanäle. Der Nazimafia auf der Spur, Dortmund 1982; Klug zit. S. 44 f.
(449) "ub"-Ausländer-Zitat in "ub" 1982, Nr. 1, S. 17 ff. Darsow in "ub" 1980, Nr. 2, S. 59. Zu Rüddenklau und Venohr vgl. Kratz 1990.
(450) Vgl. F. L. Carsten: Geschichte der preußischen Junker, Frankfurt a. M. 1988.
(451) Helmut Lölhöffels Schwester, die sich Margret von Löwensprung nennt, hältt noch 1987 ein Seminar bei der "Unitarischen Akademie" ab. Ein weiterer Verwandter, der sich Lutz von Lölhöffel nennt, schreibt im März 1989 in der rechtsextremen Zeitschrift "Lebensschutz-Informationen LSI", die gemeinsam vom "Weltbund zum Schutz des Lebens", der "Akademie für Umwelt und Lebensschutz e. V." und dem nazistischen "Collegium Humanum" des Werner Georg Haverbeck herausgegeben wird. Erich von Lölhöffel, auch durch seine zweite Niederlage vom 8. Mai 1945 noch nicht klug geworden, schreibt 1964 in der revanchistischen Zeitschrift "Der Deutsche Osten" (der hier bis über das Baltikum hinaus reicht!) Artikel über "den roten Krieg im Äther"; in der Zeitschrift schreibt zeitgleich auch Richard W. Eichler. Den Stammbaum der "Sippe" mit zahlreichen Verzweigungen seit 1516 beschreibt E. v. L. stolz im "Genealogischen Handbuch des Adels" des "Deutschen Adelsarchivs e. V.", Limburg 1972, Bd. 52, S. 292-303 (Druck posthum).
(452) In einem "Offenen Brief" stellen sich Prominente, die anscheindend glauben, auf den "FR"-Journalisten angewiesen zu sein, vor Lölhöffel, ohne aber die wahren Hintergründe auch nur annähernd zu durchschauen. Die Wahrheit aber spielt hier keine Rolle mehr: "Versuche, ihn (gemeint ist Helmut Lölhöffel, P. K.) als Sympathisanten, gar als Helfer oder Zuträger rechter und reaktionärer Gruppen oder Sekten zu denunzieren, entspringen reinen Hirngespinsten", meinen die Prominenten, die ihre eigene Wahrheit definieren, als wären sie zu den Selbstgöttlichen übergelaufen. Zu den Unterzeichnern dieses "Offenen Briefes" zählen die SPD-Bundestagsabgeordneten Norbert Gansel (Kiel) und Horst Ehmke (Bonn), in deren lokalen bzw. Landes-Parteigremien in den achtziger Jahren selbst DUR-Leute bzw. DUR-Mitstreiter sitzen, die Landtagsabgeordneten der NRW-Grünen Roland Appel (dessen Mitarbeiter Martin Böttger eine Zeitlang zu den Funktionären des New Age-Beerdigungsinstituts "Begleitung" zählt) und Michael Vesper sowie der Pressesprecher der Bundestagsgruppe des Bündnis 90/Die Grünen Heinz Suhr. Auch die Käufer des Pahl-Rugenstein-Verlages, Arnold Bruns und Hartmut Löschke, die nun im Verlag Pahl-Rugenstein Nachfolger die antifaschistischen Bücher des verstorbenen Reinhard Opitz verlegen, solidarisieren sich öffentlich mit Lölhöffel gegen die "Bonner Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus", die in der Tradition von Opitz und in persönlicher Bekanntschaft mit ihm seit Jahren ihre antifaschistische Politik betreibt. Selbst nach Lölhöffels Niederlage in dem Gerichtsprozeß hat sich niemand von den Unterzeichnern, etwa wenigstens nachträglich eines Besseren belehrt, von dem "Offenen Brief" distanziert.
(453) Langbehn in "g+t" 1956, S. 613. BDUJ-Gründung in "g+t" 1960, S. 99. Kramer in "g+t" 1959, S. 33. "g+t" 1960, S. 35; 1963, S. 284. Lölhöffel in "g+t" 1963, S. 282 f; S. 262 f; 1967, S. 176 f.
(454) Stapperfenne in "g+t" 1973, S. 377.
(455) Prem in "ub" 1985, S. 156.
(456) Vgl. B. Ph. Schröder: Deutschland und der Mittlere Osten im Zweiten Weltkrieg, Göttingen 1975; L. Hirszowicz: The Third Reich and the Arab East, London 1966.
(457) Vgl. "Der Spiegel", Nr. 47/1962: Von der Heydte: General-Anzeiger; Nr. 19/1963: Deutsche Raketen für Nasser. Zu Alfred Heß vgl. D. M. McKale: The Swastika Outside Germany, Kent 1977.
(458) Vgl. G. R. Warburg: Islam and Politics in Egypt: 1952-80, in: Middle Eastern Studies, 1982, Jg. 18, S. 131-157, besonders S. 140 f; B. M. Borthwick: Religion and Politics in Israel and Egypt, in: The Middle East Journal, 1979, Jg. 33, S. 145-163, besonders S. 157; M. Berger: Islam in Egypt Today. Social and Political Aspects of Popular Religion, Cambridge 1970.
(459) Über eine interessante Episode, Saddam Husseins "Superkanone", die ursprünglich zur Beschießung Großbritanniens über den Žrmelkanal hinweg von der SS als Alternative zu den V 1- und V 2-Raketen Wernher von Brauns entwickelt wurde und Jahrzehnte später auf Umwegen in den Irak gelangt, berichtet die britische antifaschistische Zeitschrift "Searchlight" im Mai 1992 ("From the Third Reich to Iraq. The secret history of the supergun"). Zu Windisch vgl. B. Hoffman: Right-Wing Terrorism in West Germany, Santa Monica (RAND Corporation) 1986, S. 17.
(460) Der aus politischen Gründen von den Nazis verfolgte Ernst Reuter war ein Halbbruder Otto Sigfrid Reuters. Edzard Reuter ist der Sohn Ernst Reuters. Sein Image als Mitglied der SPD und einer jüdischen Gemeinde ist den ökonomischen Interessen von Daimler-Benz sicher nützlich, die sich seit den dreißiger Jahren, als auch diese Firma die Nazi-freundlichen antijüdischen Araber im Nahen und Mittleren Osten aufrüstete, nicht geändert haben.
Interessant im Zusammenhang mit der Südamerika-Connection und der Frage nach den Auslands-Verbindungen der DUR ist auch, daß der Nazi-Oberst Hans-Ulrich Rudel in den fünfziger Jahren in Argentinien als Vertreter von Daimler-Benz fungiert haben soll, vgl. Pomorin u. a., S. 113.
(461) Zu Rauff vgl. Pomorin, S. 61, S. 91 f.
(462) Zu Sänger vgl. "Der Spiegel", Nr, 36/1962, "Nassers Zigarren", und Nr. 40/1962, "Freunde der Braut". Zur NS-"Science Fiction" vgl. Hermand, S. 293-311.

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