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Nach der "Fakt"-Sendung zu mangelnder Geschichtsaufarbeitung:
 
Charité jetzt auch wegen
Hirschfeld-Ausstellung
 in der Kritik
 
"Medizinhistorisches Museum" der Berliner Charité  unterschlägt Nazi-Verbindungen Hirschfelds und läßt bekannte Nazi-Verteidigerin an der Ausstellung "Sex brennt" mitarbeiten --
Fachfremder "Kurator" der Ausstellung ist in Wahrheit "Agraringenieur"! In bekannter Manier wird der wahre Hirschfeld
weitgehend verfälscht dargestellt.
 
Nach der heftigen Kritik der ARD-Sendung "Fakt" am Umgang der Berliner Charité mit ihrem kolonialen und Nazi-Erbe, nach dem erst 2008 erschienenen ersten kurzen Buch über "Die Charité im Dritten Reich", das bisher weigehend unbeachtet geblieben ist, ist der anscheinend generelle Unwille der Mediziner der Humboldt-Universität, sich mit der Verantwortung der Fakultät für die Vorbereitung und Durchführung der Nazi-Verbrechen zu beschäftigen, nunmehr auch an der reißerisch angekündigten Ausstellung "Sex brennt" des "Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité" (BMM) über das "Institut für Sexualwissenschaft" des Berliner Arztes Magnus Hirschfeld zu erkennen.

Einen unsicheren und fast hilflosen Eindruck machte der Direktor des BMM, Prof. Dr. med. Thomas Schnalke, auf Zuschauer des politischen Fernsehmagazins "Fakt", das im Juli 2008 über den unwürdigen Umgang der Charité mit den menschlichen Überresten der Opfer deutscher Kolonialkriege in Afrika und verbrecherischer KZ-Experimente berichtete, die für die "wissenschaftliche" Rasseforschung nach Berlin geschafft worden waren und immer noch in den Kellern der Charité liegen. "Die Charité-Spitze ist nervös", hieß es im Fernseh-Kommentar, man wolle den Journalisten die Schädel von Afrikanern, die im ersten deutschen Völkermord an den Herero und Nama in der afrikanischen Kolonie Deutsch-Südwest hatten sterben müssen, nicht zeigen; "trotz klarer Hinweise für den verbrecherischen Ursprung der Schädel" habe sich an der Charité "noch niemand die Mühe gemacht, die eigene Geschichte aufzuarbeiten". Man habe kein Personal dafür, sagte Schnalke in die Kamera, während der kritische Kolonialhistoriker Joachim Zeller meinte, die Charité lasse keine Forscher an die Kisten ran, "da sind einfach Ressentiments, da sind Vorbehalte, an diesem Kapitel zu rühren". Der Botschafter Namibias kritisierte in der Sendung, dass es in Deutschland immer noch "Einrichtungen" gebe, die zur Aufarbeitung des Völkermords des deutschen Kaiserreiches und zur Rückgabe und würdigen Bestattung der Überreste der Opfer in ihrer Heimat "nicht mit der namibischen Regierung kooperieren wollen".
 

Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité (BMM) ...
 


... gleich gegenüber dem neuen Berliner Hauptbahnhof. Das Museum wirbt vor allem mit der Gruselshow der alten Virchow-Präparate, die jährlich angeblich 50 000 Besucher sähen.

Schlimmer noch scheint es um die Opfer der Nazi-KZ-Experimente bestellt zu sein, deren Körper (oder auch nur Teile davon, wie z. B. Augen ermordeter KZ-Häftlinge, die der KZ-Arzt Josef Mengele nach Berlin schickte) in die Charité verbracht wurden, um den Rassenwahn "wissenschaftlich" beweisen zu können. Die "Fakt"-Journalisten sah man in dem Film durch Kellerräume gehen, der Kommentator sagte adzu: "Die Schädel (der Afrikaner) wollen sie uns nicht zeigen. Dafür finden wir Hinterlassenschaften der Nazis: Kisten des Instituts für Rassenbiologie. Gibt es hier wirklich einen Willen zur Aufklärung?"

Nazi-Verbrecher an der Charité im Nürnberger Ärzte-Prozess angeklagt

In dem Buch "Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialimus", herausgegeben von Sabine Schleiermacher und Udo Schagen, wird im Jahr 2008 (!) erstmals ansatzweise der Versuch unternommen, die Verantwortung von Charité-Wissenschaftlern und -Praktikern für den Massenmord durch die Nazis zu untersuchen. Das Buch ist das Ergebnis einer Ringvorlesung des Instituts für Geschichte der Medizin der Humboldt-Universität in den Jahren 2006 und 2007, bei der Mediziner, Historiker und Sozialwissenschaftler sprachen, und macht erschreckend klar, dass in all den Jahren der antifaschistischen DDR alles unter den Teppich gekehrt wurde, was die Wiederverwendung zahlreicher Nazi-belasteter Mediziner für den Aufbau des Arbeiter- und Bauernstaates hätte behindern können. In der Tat sind ja inzwischen zahlreiche NS-Ideologen und Täter aus der Medizin bekannt geworden, die zu DDR-Zeiten "angesehene" Wissenschaftler und Praktiker waren und deren Vergangenheit unter Verschluss gehalten wurde.

In dem Buch von Schleiermacher und Schagen, das bisher erst eine einzige Rezension in einer seriösen Pubikumsveröffentlichung erfahren hat (im August 2008 im "Tagesspiegel", soweit dies für uns im Internet recherchierbar war), wird die tiefe Mitschuld vieler Charité-Mediziner an den Nazi-Verbrechen deutlich: an Euthanasie (200 000 Opfer), Sterilisation (400 000 Opfer), an Menschenversuchen an Behinderten, inklusive Kindern, KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen oder hierfür speziell und unter Vorwänden eingefangenen Menschen, Mitschuld auch an massenhafte Abtreibungen bei Zwangsarbeiterinnen, an den Schändungen der Leichen hingerichteter politisch, religiös, rassisch oder wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgter für angeblich "wissenschaftliche" Zwecke, an der scheinwissenschaftlichen, theoretischen Absicherung der Ermordung der vielen Millionen europäischer Juden, Sinti und Roma, der aus vielfältigen Gründen als "asozial" Ausgegrenzten einschließlich der Homosexuellen. Ein Drittel der Nazi-Verbrecher aus dem Nürnberger Ärzteprozess 1946/47 kam aus der Charité, freilich kein einziger der Ordinarien, die fast alle ebenfalls in die Verbrechen verwickelt waren, beste Beziehungen zu Nazi-Führern bis hin zu Hitler, Goebbels und Himmler gepflegt hatten und als "Kooperationspartner" mit den schlimmsten Verbrechern zusammen gearbeitet hatten, zum Beispiel mit Mengele und Brandt, um nur die bekannteren Namen zu nennen. Ordinarius zu sein schützt. Und für den Hauptangeklagten in Nürnberg, Karl Brandt, ein Arzt Hitlers, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS, Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen im Nazi-Staat und Initiator zahlreicher Menschenexperimente in den KZ, ein Hauptverantwortlicher für die 200 000 Euthanasie-Morde, der in Nürnberg zum Tode verurteilt und später hingerichtet wurde, schrieb der Leiter des medizinhistorischen Instituts der Charité sogar noch ein Gnadengesuch wenige Monate vor der Hinrichtung.

Besser als nichts, wenn auch unzureichend:
 
 
Der verharmlosende Untertitel "Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialismus"suggeriert Unterordnung und Servilität, gar Machtlosigkeit des Dieners gegenüber dem Herrn.In Wahrheit jedoch war die Charité-Medizin der Herr des Rassismus, der Euthanasie, der Eugenikund der "wissenschaftlichen" Begründung der NS-Vernichtungspolitik. Die mit der Charité verbundenen SS-Organisationen waren nur der praktisch ausführende Arm dieser Medizin.

Doch selbst der Mitherausgeber des Buches von 2008, das eigentlich aufklären sollte, Udo Schagen vom Institut für Geschichte der Medizin an der Charité der Humbold-Universität, sprach bei der Buchpräsentation im April 2008 nur vorsichtig von "Indienstnahme der Wissenschaft für die Ziele nationalsozialistischer Gesundheits- und Hochschulpolitik". Tatsächlich aber war die Charité seit dem Aufkommen von Biologoismus, Rassentheorie und Eugenik im 19. Jahrhundert immer auch eine treibende Kraft für die Theorien und Praxen, die schließlich zu den Nazi-Verbrechen führten. Und viele Charité-Mitglieder begrüßten die Nazi-Verbrechen als die lange ersehnte praktische Anwendung ihrer "wissenschaftlichen" Arbeiten und/oder führten sie selbst mit aus. Etliche der im Buch angesprochenen Personen waren zudem schön früh, in den Zwanziger Jahren, Mitglieder der NSDAP. Die Frage, warum denn nur "die Medizin" der Helfenden und Pflegenden, und hier ihr deutsches Leitorgan, die Berliner Charité, "so schnell" und umfassend 1933 "gleichzuschalten" war mit den mörderischen Nazi-Zielen, beantwortet sich aus dieser Sicht: sie war in Wahrheit treibende Kraft des Nazismus schon lange vor der "Machtübernahme".

Hirschfeld-Ausstellung zutiefst unwissenschaftlich

Die Hintergründe der Charité-Unwilligkeiten zu wissen, erleichtert die Einschätzung der gänzlich misslungenen Hirschfeld-Ausstellung, die seit dem 7. Mai 2008 und noch bis zum 14. September zu sehen ist. Fernab jeder historischen Realität wird in der Ausstellung, die von dem fachfremden Agraringenieur Rainer Herrn von der privaten "Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e. V." (MHG) mit Unterstützung der "Literaturwissenschaftlerin" und bekannten Verteidigerin des leitenden SS-Funktionärs Hans Ernst Schneider alias Hans Schwerte, Marita Keilson-Lauritz, erstellt wurde, der Eindruck erweckt, als sei die Bücherverbrennung durch die Nazis 1933 vor allem gegen Hirschfeld und sein öffentlich kaum beachtetes privates "Institut für Sexualwissenschaft" gerichtet gewesen. Durch die Titelgebung "Sex brennt", durch geschickte Fotomontagen und Textanordnungen erscheint Hirschfeld Besuchern der Ausstellung als das zentrale Opfer der Bücherverbrennung auf dem damaligen Opernplatz (heute Bebelplatz) in Berlin Unter den Linden, gerade so, als habe Nazi-Propagandist Joseph Goebbels sich mit der Aktion vor allem gegen den in Wahrheit weitgehend unbedeutenden Hirschfeld gewandt.

Hirschfelds eigene Verbindungen zu Rassisten und Nationalsozialisten unterschlägt die Ausstellung dagegen. So was nennt man wohl Geschichtsklitterung, mit Wissenschaft hat es jedenfalls nichts zu tun. Man fragt sich zuerst: Weshalb zeigt die Charité die Ausstellung eines Fachfremden, statt selbst eine von Fachwissenschaftlern erarbeiten zu lassen? Die Ausstellung bringt so gut wie nichts neues, sondern besteht fast vollständig aus der bereits seit vielen Jahren im Internet und auf einer CD-rom präsentierten apologetischen Hirschfeld-Ausstellung der MHG. Auch das wird den Besuchern nicht mitgeteilt. Sieht so Wissenschaft an der Humboldt-Uni aus?

Reißerische Werbung statt gründlicher Recherche



Mit einem Riesenplakat sollen Besucher vom Hauptbahnhof hergelockt werden:
 "Sex brennt" suggeriert, die Bücherverbrennung der Nazis sei wegen Hirschfelds "Institut für Sexualwissenschaft" inszeniert worden.
.
Hatte es in den 80er Jahren von interessierter Seite noch fälschlich geheißen, "die wissenschaftliche Bibliothek Hirschfelds", die dieser in Jahrzehnte langer Arbeit zusammen gesammelt habe, sei auf dem Opernplatz verbrannt worden, hat sich in den letzten Jahre sogar die MHG der historischen Realität beugen müssen: Hirschfelds interessante Sammlung über Sexualität, Eugenik und "Rassenhygiene" war, soweit er sie nicht nach Frankreich ausgelagert hatte, von den Nazis beschlagnahmt und anderweitig verwendet worden. Nur ein kleiner Teil aus der Bibliohek wurde verbrannt, darunter exemplarisch Bücher des Autoren Hirschfeld, der wie viele andere Autoren als Jude verfolgt wurde (obwohl er sich nie dem jüdischen Glauben zugehörig fühlte). Man staunt nicht schlecht, wenn man durch die Aussellung geht: Zuerst wird einem weisgemacht, das Interieur des "Instituts für Sexualwissenschaft" sei zerstört und verbrannt worden, dann liegen aber in einer Vitrine zahlreiche Bücher aus der Institutsbibliothek mit originalen Instituts-Stempeln -- von wegen verbrannt! Und dann begegnet man noch dem "Kurator" der Ausstellung, Rainer Herrn, der lauthals Besucher umherführt und ihnen erzählt, Hirschfeld habe "zwei Komma zwei Tonnen Material aus dem Institut nach Paris geschafft", das dort leider verloren gegangen sei. Das Material des Eugenik-Politikers und Rassenhygienikers Hirschfeld, dessen "Sexualwissenschaft" unter anderem die Zucht starker Deutscher zum Gegenstand hatte, war für die Nazis viel zu wertvoll, als dass sie es verbrannt hätten. Aber in den Texten zur Ausstellung heißt es suggestiv, die "Zerstörung" des Instituts sei der "Auftakt zur Bücherverbrennung" gewesen.

Charité preist Keilson-Lauritz an
 
 

Screenshot von der Internet-Seite des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charitémit der Werbung für die Hirschfeld-Ausstellung (Ausschnitt; August 2008):
Frech wird hier von "die Verbrennung der Bücher" des Instituts für Sexualwissenschaft geschrieben,aber in der Ausstellung sind etliche der Bücher mit dem Stempel des Institutsaus der Bibliothek des Instituts ausgestellt.
Für wie dumm hält die Charité die Besucherinnen und Besucher? Für dumm genug, dass sievon Keilson-Lauritz' Verteidigung des hohen SS-Funktionärs Schneider/Schwerte nichts wissen.
 
Wie man heute weiß - aber die MHG drängt es in den Hintergrund -, waren in Hirschfelds Institut schon Ende der 20er, Angang der 30er Jahre Nationalsozialisten aktiv, gab es Vortragsveranstaltungen der führenden Nazi-Rassisten- "Wissenschaftler", existierte ein "Ernst-Haeckel-Saal", den auch die Ausstellng im Foto zeigt, freilixh ohne darauf hinzuweisen, dass Haeckel als ein rechtsextremer Biologist von den Nazis posthum hoch geehrt wurde. Hirschfeld selbst war nicht nur in Haeckels "Monistenbund" Mitglied, einer Art naturreligiöser Sekte, sondern arbeitete auch immer wieder mit Rassisten, Antisemiten und Nationalsozialisten zusammen. Mit dem deutsch-amerikanischen Nazi George Sylvester Viereck, der später in den USA wegen der Verbreitung von Nazipropagnda im Gefängnis saß, war Hirschfeld sogar eng befreundet (siehe unten), mit dem Antisemiten Hans Blüher hatte er schon zu Kaisers Zeiten gemeinsam publiziert. Das alles wird in der Ausstellung des Berliner Medizinhistorischen Musems der Charité verschwiegen. Statt dessen ergeht sich Kurator Herrn in Pressetexten unter dem Briefkopf des BMM und der Charité in Sätzen wie: "Letztlich stellt sich die Frage, warum gerade mit der medienwirksam inszenierten Plünderung und Schließung von Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft als Auftakt zur Bücherverbrennung das symbolische Ende der Weimarer Liberalität markiert werden konnte", um Hirschfeld eine Bedeutung zuzuschieben, die er in Wahrheit niemals hatte.
 
Foto-Fälschung zum Auftakt?
 


Dieses Foto mit der angeblich aufgespießten Hirschfeld-Büste stellt auf der Internet-Seitedes Medizinhistorischen Museums den Auftakt zur Beschreibungder Ausstellung dar (Screenshot vom August 2008). Die Charité hat wohl nicht nachrecherchiert,sondern der seit zwei Jahrzehnten als Verfälscher des Hirschfeld-Werkes bekannten"Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft" einfach mal alles geglaubt.
 
Das Foto, mit dem das Charité-Museum auf der Internet-Seite für die Ausstellung wirbt, gib es in unterschiedlichen Versionen, und bei der schemenhaften Darstellung kann niemand sagen, ob wenigstens eine Version echt ist oder ob sie alle nur zusammengeklebt wurden. Die angeblich aufgespießte Hirschfeld-Büste soll aus Bronze gewesen sein, aus dem Institut für Sexualwissenschaft stammen, wo sie aufgestellt war, und soll von SA-Leuten und Hitlerjungen bei dem Nazi-Überfall auf das Institut Anfang Mai 1933 gestohlen worden und aufgespießt bei der Demonstration der NS-Studenten und SA-Leute am 10. Mai hin zum Opernplatz, wo die Bücher aus zahlreichen Volksbibliotheken (meist Belletristik) verbrannt wurden, mitgeführt und ins Feuer geworfen worden sein. In der Perspektive weit hinten im Bild und im Vergleich zu den Nazi-Demonstranten vorne muss sie riesig gewesen sein -- schwer und teuer: Zu schwer, um auf einem Stab hoch über den Köpefn der SA-Leute balanciert zu werden? Zu teuer, um sie einfach mal ins Feuer zu werfen, wo man sie doch zur Hitler-Büste hätte umschmelzen können?
Das Bild oben wird auch in der Ausstellung präsentiert, selbstverständlich als echt und unkritisch, mit der Quellenangabe: "Quelle nicht bekannt" und ohne Hinweis auf die vielen Fragen, die es aufwirft.

Angebliches Bild der Nazi-Demo zur Bücherverbrennung
mit Hirschfeld-Büste aus der Ausstellung:
 

   
Rückseite der Ausstellungs-Karte:



Das Bild kann man in der Ausstellung als Karte mitnehmen; auf der Rückseite der Karte (hier rechtsabgebildet) steht der Ausstellungstext zum Bild, den "Kurator" und Agraringenieur Rainer Herrn von der"Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft" verfasst hat. Über jedem Text von Herrn steht "Institut fürSexualwissenschaft" quasi als Briefkopf, obwohl es das Institut seit 1933 gar nicht mehr gibt. Da möchtewohl jemand dabei gewesen sein. Und Herrn verschreibt sich auch noch: die Bücherverbrennung habe"1993" statt 1933 stattgefunden -- bei der Charité wird nicht mal mehr Korrektur gelesen!

Allerdings gibt es das Bild, unretuschiert, ohne Seitenvertauschung und mit der Quellenangabe "Stiftung Archiv der Akademie der Künste" bereits 2003 in dem Buch "'Wider den undeutschen Geist!' Bücherverbrennung 1933" von Werner Treß im Berliner Parthas-Verlag, ein wissenschaftiliches Buch, das erstmals auch die Bücherverbrennungen der NS-Studenten außerhalb Berlins untersucht. Hier ist auch in seitenrichtiger Schreibweise oben links ein Text auf dem Bild zu lesen: "Vetenskapen i Nazi-Tyskland". Allerdings kann der angebliche Hirschfeld-Kopf auch hier hineingeklebt worden sein. In dem Buch laufen dieselben SA-Leute in die andere Richtung. Dieses Bild (unten) wird in der Ausstellung nicht gezeigt. Hat die MHG das Bild verfälscht? Den Text mal eben wegretuschiert, die Seiten vertauscht, die Quelle vertuscht?
 
Hirschfeld-Büste zum Zweiten ...
 
 
Aus dem Buch von Werner Treuß: "'Wider den undeutschen Geist'. Bücherverbrennung 1933",Berlin 2003, Seite 121.

Den Ausschnitt mit dem angeblichen Hirschfeld-Kopf auf dem Pfahl gibt es auch in einem dritten Bild, allerdings im Verhältnis zu erkennbaren Person derart überdimensional, dass sogar die MHG zugeben muss: es handelt sich um eine Collage. Dieses dritte Bild wird ebenfalls in der Ausstellung gezeigt, mit dem Zusatz "Fotomontage".

... und zum Dritten!



Rückseite der Ausstellungs-Karte:



Hirschfeld schwebt über den Fackeln, unten stehen Gaffer. Rechts: Rückseite der Karte mit Herrn-Text.
Die Hirschfeld-Büste auf dem Stock, wie bei dem Bild der "Akademie der Künste" und dem Treß-Buch nach links blickend ausgerichtet (bei den seitenverkehrten Fotos der MHG blickt sie nach rechts, s. o.), wurde unten rechts ins Bild montiert. Wenn die Bilder gefälscht wurden - bei der Bildqualität kann niemand sagen, ja oder nein, aber verschiedene Versionen eines Bildes geben Anlass zu der Vermutung -, dann schon 1933, das scheint klar zu sein. Von der anti-nazistischen Presse und dem linken Widerstand wurden damals zahlreiche "Dokumente" gefälscht; in der Zeit, als Linke und Juden auf den Straßen und in illegalen SA-Kerlergefängnissen totgeschhlagen wurden, war jedes Mittel der Gegenpropaganda recht. Die Frage ist allerding heute: Warum geht das Medizinhistorische Museum der Charité darauf nicht ein? Dass hier gleich beim Anfang der Ausstellung etwas nicht stimmt mit dem angeblichen Heroen Hirschfeld, ist doch offenkundig. Die Charité kehrt es gemeinsam mit der MHG unter den Teppich.

Es gibt noch weitere Fotos dieser Büste: mal ist sie nur faustgroß, mal sieht sie aus wie aus Gips. Auch in der Ausstellung selbst wird eine Büste in einer Vitrine gezeigt, überlebensgroß, die ist schwarz, und bis vor einigen Jahren hieß es, das sei die Büste, die die Nazis auf dem Opernplatz ins Feuer geworfen hätten. Inzwischen sagen die Hirschfeld-Apologeten, dass es sich dabei um eine schwarz angemalte Gips-Nachbildung aus der Nachkriegszeit handele --- nix jenauet weeß ma nich, wie bei der Reliquienverehrung: glauben muss man, Wissenschaft ist das jedenfalls nicht. Was haben die Verfechter der verschiedenen Glauben jedoch im wissenschaftlichen Charité-Museum zu suchen? 

Und zum Vierten ...



... Fünften ...



Für jede Größe des Gedächtnisses eine passende Büsten-Größe. Die MHG behauptet dann - wiederum ohne jeden Nachweis -, es müsse sich wohl um "verkleinerte Nachbildungen" handeln. Besonders süß und zu denobigen, angeblichen Fotos von der Demonstration zum Opernplatz in augenfälligem Kontrast stehend, istdie geradezu winzige Büste auf dem Heizkörper (Abbildung oben, unter dem roten Kreuz), bei der es sichebenfalls um die Hirschfeld-Büste handeln soll. Das Bild zeigt laut Treß (Seite 110, s.o.) eine Momentaufnahme aus der "Büchersammelstelle im Haus der Berliner Studentenschaft" beim Sichten derzur Verbrennung bestmmten Bücher. Die MHG zeigt dieses Bild auch in ihrer Internet-online- und CD-rom-Ausstellung, ohne jedoch den Ort zu erklären, so dass der Eindruck entstehen kann, es handelesich um eine Szene aus dem "geplünderten" Institutsgebäude.So schreibt die MHG "Wissenschaftsgeschichte".
Unteres Bild: Screenshot aus der Internet-online-Ausstellung der MHG: die Größe ist gar nicht erst abschätzbar.

Derartige Ungereimtheiten finden sich zuhauf in der Ausstellung des BMM, werden jedoch doch nicht problematisiert. Erwähnt sei noch die Suggestion vom BMM und MHG, Hirschfeld und Sigmund Freud hätten zusammen gearbeitet und aufeinander Wert gelegt, eine glatte Lüge, denn Freud hatte sich eindeutig mit der Aussage "dieser seltsame Doktor in Berlin" von Hirschfeld distanziert, und Hirschfelds Adlatus im Institut für Sexualwissenschaft, Arthur Kronfeld, hatte in einer wirren "wissenschaftlichen" Arbeit auf der Basis der Philosophie des Antisemiten Jacob Friedrich Fries versucht, die Psychoanalyse Freuds der Unwissenschaftlichkeit zu überführen. Statt derartiges aufzuarbeiten, werden die Besucher der Ausstellung in den Glauben versetzt, Hirschfeld sei tatsächlich die Zentralfigur der Bücherverbrennung gewesen. In Wahrheit aber war Hirschfeld, wie wir in unseren Forschungen und Analysen aufzeigen konnten, ein Propagandist der "Rassenhygiene" und Eugenik, der die "Höherzüchtung" des deutschen Volkes in Theorie und Praxis betrieb und politisch rechtsaußen stand. Er hatte eine Brückenfunktion zwischen dem rechten Flügel der Sozialdemokratie, der in den 10er und 20er Jahren ebenfalls völkisch-rassistische und eugenisch-rassistische Positionen vertrat, und den Nationalsozialisten.

Ein Nazi plante Hirschfelds Weltreise mit

Von besonderer Bedeutung werden Fälschungen durch Auslassung in der BMM-MHG- Ausstellung, wenn es um Hirschfelds 1930 begonnene Weltreise geht, von der er nicht mehr nach Berlin zurückkehrte, weil inzwischen die Nazis an der Macht waren, sondern die ihn am Ende ins französische Exils führte. Vom Tonband werden in der Ausstellung über versteckte Lautsprecher als Sound-Begleitung der Besucher einige Ausschnitte aus Hirschfelds Reisebuch "Weltreise eines Sexualforschers" verlesen, insbesondere zu seinem mehrmonatigen USA-Aufenthalt. Dieser USA-Aufenthalt wurde auf Hirschfelds Wunsch hin von dem deutsch-amerikanischen Nazi George Sylvester Viereck geplant, durchgeführt und publizistisch begleitet, mit dem Hirsch- feld seit langem eng befreundet war. Viereck war ein begeisterter Anhänger Hitlers. Von alledem erfährt man in der Ausstellung nichts.

Wir vermuten schon lange, dass Hirschfeld in den USA von der dort in den Zwanziger Jahren starken eugenischen Bewegung zu seinen Vorträgen eingeladen worden war und herumgereicht wurde. Diese Bewegung erstarkte vor allem wegen ihres Kampfes gegen die wachsende Emanzipation der Afro-Amerikaner und war stark mit dem weißen Rassismus verbunden, der sich der eugenischen Propaganda gegen "Behin- derte", die auch Hirschfeld vertrat, aus rassistischen Motiven bediente und unter den Eugenikern Verbündete für Apartheidspolitik und Ausbeutung der Schwarzen suchte. Hirschfelds USA-Aufenthalt 1930/31 ist inhaltlich bisher so gut wie gar nicht erforscht worden. In seinem Buch "Weltreise eines Sexualforschers" erzählt Hirschfeld zwar viele Reise-Anekdoten (die jetzt auch im Charité-Museum verlesen werden), jedoch nichts über die Inhalte seiner Vorträge. Bekannt sind bisher lediglich einige Zeitungsartikel, die Viereck in US-Provinzblättern über einige öffentliche Hirschfeld- Auftritte geschrieben hat bzw. Texte Hirschfelds, die Viereck dort zur Veröffent- lichung unterbrachte. Viereck war auch der Erfinder der Bezeichnung "Einstein of Sex" für Hirschfeld, die Rosa von Praunheim vor einigen Jahren als Titel für seinen Hirschfeld-Spielfilm verwandte. Hirschfeld war in den USA weitgehend unbekannt, Einstein kannte man selbstverständlich, Sex interessiert immer, also war Vierecks propagandistisch geniale Verbindung "Einstein of Sex" publikumsfördernd (hatte allerdings wegen Hirschfelds wissenschaftlicher Unbedeutendheit keine reale Basis).

Die MHG veröffentlicht auf ihrer Internetseite im Dezember 2005 einen Brief Hirsch- felds an Viereck, in dem Hirschfeld seinen alten Nazi-Freund bittet, ihm den USA-Auf- enthalt Ende 1930/Anfang 1931 zu organisieren, ein Hotel für ihn zu buchen und Kon- takte zu alten gemeinsamen Freunden, die sich in den USA aufhalten, herzustellen. Auch von diesem Brief ist in der BMM-MHG-Ausstellung nicht die Rede. Die MHG will den Brief "in einem US-amerikanischen Antiquariat" gekauft haben, finanziert aus Spenden u. a. der moralischen Verteidigerin des SS-Mannes Schneider, Marita Keilson-Lauritz (die sich als "Literaturwissenschaftlerin" für eine Fachfrau zum Werk des rechtsextremen Lyrikers Stefan George hält), dem Chef der umstrittenen Organisation "Queer Nations" Jörg Litwinschuh und des Rechtsauslegers der Redak- tion der "Tageszeitung" (taz), Jan Feddersen, ansonsten als Schlager-Fuzzi beim "Eurovision Song Contest" neben Gildo Horn oder Stefan Raab bekannt. (Die Webseite des Schlagerwettbewerbs präsentiert Feddersen mit Foto und der Einsicht "Dabeisein ist alles!")

Hirschfeld schreibt in diesem Brief an seinen Nazi-Freund: "Mein lieber Freund!" ... Ich bewundere Deine schöpferische Kraft und Deinen umfassenden Geist". Seine Reise solle "wenn möglich auch Vortragsreise sein. Über Einzelheiten berichte ich Dir besser mündlich ... Nur könntest Du vieleicht einiges für einen würdigen Empfang (Inter- views) vorbereiten. ... Besprich auch bitte mit Benjamin, wo ich am besten zuerst absteige. Am liebsten wäre mir das höchste Hotel, das es in New York gibt ... auf frohes gesundes Wiedersehen und schönes Zusammensein in Amerika ... Ich erwarte Dich bei der Landung des Columbus" (ein Passagierschiff, für das Hirschfeld bereits ein Ticket hatte) "... in alter Freundschaft Dein ..." 

Zweiseitiger Hirschfeld-Brief an Viereck auf der MHG-Internet-Seite (Ausschnitte)





Über Viereck, der von 1942 bis 1947 in den USA wegen geheimdienstlicher Tätigkeit für Nazi-Deutschland und der Verbreitung von Nazi-Propaganda im Gefängnis saß, ist in den USA viel geforscht worden. Er war ein Hauptverbindungsmann der deutschen Kriegspropaganda sowohl im Ersten als auch im Zweiten Welkrieg. Die MHG setzt auf ihrer Webseite einen Link zu einem Artikel des Viereck-Biographen Niel M. Johnson von der Universität von Iowa aus 1968, den die MHG allerdings inhaltlich nicht aus- gewertet hat; auch der Link  ist nicht gleich zu finden. Johnson porträtiert in seinem biographischen Artikel Viereck - Sohn eines rechten sozialdemokratischen deutschen Reichtagsabgeordneten, der mit der Famile Ende des 19. Jahrhunderts in die USA ausgewandert war und dort die deutschsprachige nationalistisch-propagandistische Zeitschrift "Deutsche Vorkämpfer" herausgab, die den USA das deutsche Wesen zur Genesung empfahl - als einen bekannten Lyriker, der - ähnlich wie Ernst Jünger in prosa oder Stefan George in Lyrik - Romantizismus, extremen Subjektivismus, Narzissmus und übersteigerte Selbstdarstellung, Dekadenz und Überheblichkeit mit Neuheidentum, Pantheismus und der Hinwendung zum Sexus verband -- ein echter Konservativer Revolutionär also, ein "Heroischer Realist", wie sie sich in Deutschland in den Zwanziger Jahren bei den geistigen Vor- und Nachbereitern des Nationalsozi- alismus (Jünger, George, Arthur Moeller van den Bruck und "Juni-Klub", später dann Armin Mohler, der sich auch dezidiert aus rechtsextremer Sicht mit Sexualität und einem erfüllten Sexualleben befasste) zusammen fanden, die eines ihrer Zentren in einem Haus in der Schöneberger Motzstraße mitten im schwulen Viertel des "golde- nen" Berlin hatten (und, wie Stefan George und sein Knaben- und Abiturienten-Kreis, zum Teil ja auch zur Schwulenszene der 20er Jahre gehörten). Zwar scheint Johnson die deutsche Konservative Revolution nicht zu kennen, er bewertet Vierecks literari- sche Arbeiten jedoch eindeutig. Auch scheint Viereck in seiner Bewunderung des "germanischen Barbarismus" ein Vorläufer des Nationalrevolutionärs Ernst Niekisch gewesen zu sein. Inhaltlich ist es genau das Feld, in dem sich Hirschfeld nach unse- ren Recherchen in Deutschland auch bewegte.

Vierecks Gedichtbände wurden vor dem Ersten Weltkrieg von in die USA ausgewan- derten deuschen Juden herausgebracht, die dort Kleinverlage unterhielten. Sie för- derten Viereck und machten ihn zu einem bekannten konservativ-revolutionären Lyriker in den USA der Vorkriegszeit. Das ist nicht erstaunlich, da es auch in Deutschland, zum Teil noch bis in die Dreißiger Jahre, deutschnationale Juden gab, die politisch rechtsextrem, autoritär statt demokratisch und rassistisch eingestellt waren, denen am Nationalsozialismus allenfalls der Antisemitismus und das vulgär- proletarische Auftreten der SA missfielen und die sich in der Konservativen Revolution recht wohl fühlten. Herausragend zu nennen wäre Hans-Joachim Schoeps, bei dem Keilson-Lauritz nach 1945 studierte und der den SS-Mann Schneider als "Hans Schwerte" promovierte; mit Schoeps' Sohn Julius arbeiten die MHG und auch Keilson- Lauritz heute zusammen; zu nennen wäre hier auch Lauritz' Ehemann Hans Keilson. Die Nähe Vierecks zu deutschnationalen Juden in den USA erklärt, weshalb er auch als Nationalsozialist und Propagandist Hitlers den Antisemitismus ablehnte (wie Johnson nach Angaben des Viereck-Sohnes Peter schreibt), aber ein radikaler Rassist gegenüber den Afro-Amerikanern war. Viele der in die USA eingewanderten Juden fühlten sich den Afro-Amerikanern überlegen, viele Einwanderer, insbesondere die Aufsteiger in die Mittelschicht, entwckelten einen Rassismus gegen andere und neuere Einwanderer (worunter in den USA der Jahrhundertwende auch viele irische Späteinwanderer zu leiden hatten). Das Milieu dieser Leute war anti-egalitär, elitär und insbesondere in Krisenzeiten extrem egozentrisch, was rassistische Abgrenzung und (ökonomische) Diskriminierung zur Folge hatte.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs schloss sich George Sylvester Viereck den deutschstämmigen Propagandisten der Kriegsziele des kaiserlichen Deutschen Reiches in den USA um den extrem deutschnationalen rechtsextremen Psychologen Hugo Münsterberg von der Harvard-Universität an und versuchte, publizistisch und poli- tisch Koalitionen mit den Neutralisten und Isolationisten der US-Politik zu vermitteln. Nach der Versenkung der RMS Lusitania durch ein deutsches U-Boot und dem Kriegs- eintritt der USA wurde Viereck aus den amerikanischen Schriftstellervereinigungen ausgeschlossen. Nach der deutschen Revolution 1918 (als sich Hirschfeld auf die Seite der Noske-Fraktion der Sozialdemokratie schlug) wurde Viereck eine Art Bot- schafter für den abgesetzten deutschen Kaiser Wilhelm II. in den USA. (Quellen behaupten auch eine biologische Verwandtschaft Vierecks mit der Hohenzollern- dynastie, was letztlich jedoch unklar bleibt: George Sylvesters Vater Louis (Ludwig) soll ein "illegitimer" Sohn der Schauspielerin Edwina Viereck und des preußischen Thronfolgers Wilhelm Friedrich Ludwig von Hohenzollern, dem späteren preußischen König und Deutschen Kaiser Wilhelm I. gewesen sein, was George Sylvester zu einem "Halbcousin" von Kaiser Wilhelm II. machen würde, die im "Reichsgründer" von 1871, Kaiser Wilhelm I., denselben Großvater gehabt hätten.)

Hitler-Interview und Ludendorff-Artikel

Viereck wechselte nach dem Ersten Weltkrieg zum Journalismus und gab pro-deut- sche Zeitschriften heraus, in denen er den Versaillier Friedensvertrag angriff und schon früh für Hitler und Ludendorff warb. Er schrieb politische Propaganda-Bücher und versuchte vergeblich, 1923 ein Interview, das er mit Hitler geführt hatte, als das erste englischsprachige Hitler-Interview an große amerikanische Zeitungen zu ver- kaufen; schließlich brachte er es in seiner eigenen Zeitschrift heraus. Er arbeitete auch immer wieder mit zwielichtigen jüdischen Autoren zusammen, die in ihren Schrif- ten anti-jüdische Klischees bedienten. In diese Atmosphäre hinein organisierte Vier- eck 1930/31 Hirschfelds Reise und schrieb einige Zeitungsartikel über Hirschfelds Auf- tritte in den USA; er ermöglichte es Hirschfeld, seine Ideen in Artikeln von Tageszei- tungen und Magazinen zu verbreiten, in denen Viereck selbst schrieb.

Hitler-Interview Vierecks als Broschüre 1932
 
 
Das erste englischsprachige Interview mit Hitler überhaupt,
das Viereck 1923 in seiner Zeitschrift veröffentlicht hatte,
wurde 1932 mit dem Aufstieg Hitlers erneut heraus gebracht.

1933 wurde Viereck zum direkten Propagandisten des deutschen Nazi-Regimes, in dem er die zeitgemäße Fortsetzung der Hohenzollern-Herrschaft sah. Allerdings schrieb ja auch Hirschfeld noch positive Artikel zur Nazi-Eugenik, wenngleich er, wie auch Viereck, die Zielrichtung des Antisemitismus dabei kritisierte. Viereck begann nun, direkt für nazi-deutsche Regierungsbüros in den USA zu arbeiten und unterrich- tete Vertreter des Auswärtigen Amtes Nazi-Deutschlands über die politischen Zustände und Meinungen in Amerika. Seine jüdischen Bekannten gingen auf Distanz zu ihm, auch weil er nun offen versuchte, die Judenverfolgung in Deutschland herunter zu spielen und sich an der Nazi-Unkultur, zum Beispiel bei den Reichspartei- tagen, begeisterte, wenn diese in den US-Wochenschauen in den Kinos zu sehen war. Wie schon im Ersten Weltkrieg, wurde er wegen seiner pro-deuschen Aktivitäten mehrfach gerichtlich vorgeladen. Es saß deshalb ein Jahr in Untersuchungshaft, wurde durch Freundesvermittlung 1943 kurzzeitig entlassen und saß nach seiner rechtskräftigen Verurteilung bis 1947 wegen nicht den US-Behörden angemeldeter Unterstützung Nazi-Deutschlands (geheimdienstliche Tätigkeit) eine fast vierjährige Haftstrafe ab. Seine Frau trennte sich schließlich von ihm, weil er die Nazi-Verbre- chen nicht verurteilen wollte, sein Sohn Peter hatte schon 1940 ein Buch gegen den Nationalsozialismus geschrieben und sich von seinem Vater abgesetzt (der Sohn schrieb gegen NS und gegen den Kommunismus, aus US-konservativer Sicht, auf den Werten des Judao-Christentums fußend, die die Vertreter der Konservativen Revolu- tion so hassen; der Historiker Peter Viereck trennte sich jedoch später vom funda- mentalistischen US-Konserativismus, wie der "New Yorker" 2005 in einer Rückschau auf Peter Vierecks Wirken als Historiker berichtete). In den 50er Jahren verurteilte George Sylvester Viereck immer noch öffentlich die Nürnberger Kriegsverbrecherpro- zesse, schloss sich amerikanischen Neonazis an und brachte 1955 noch ein Buch über den angeblichen Bankrott der westlichen, auf dem Christentum fußenden Zivili- sation heraus, die die Verantwortung für die Atombombe trage (übrigens eine ver- breitete Kritik auch im deutschen Neofaschismus dieser Zeit). George Sylester Vier- eck war ein Nazi durch und durch, mindestens seit seiner Begegnung mit Hitler 1923, vorher ein Kaiser-Anhänger und Propagandist der deutschen Kriegsziele des Ersten Weltkriegs, wie auch andere Mitarbeiter Hirschfelds im Berliner Institut für Sexualwis- senschaft -- dennoch (oder gerade deshalb) bejubelte Hirschfeld ihn 1930 in seinem Brief immer noch überschwänglich und "bewunderte" dieses Nazi "schöpferische Kraft".

Aber das alles verschweigt die "Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft" auf ihrer Internet- Seite, verschweigt auch das "Berliner Medizinhistorische Museum der Charité", das nicht einmal auf Viereck hinweist, wenn es Hirschfelds USA-Reise in der Ausstellung "Sex brennt" darstellt, verschwiegt auch der fachfremde "Kurator" der Charité-Aus- stellung, Rainer Herrn von der MHG, der eigentlich Agraringenieur ist. Von der MHG aber läßt er sich im Internet als "Natur- und Sozialwissenschaftler" darstellen; unsere E-Mail-Anfrage, welche Natur- und Sozialwissenschaften er denn wo studiert habe, ließ Herrn leider unbeantwortet. Und die paar Hanseln des privaten Vereins "Magnus- Hirschfeld-Gesellschaft e. V." geben sogar großkotzig vor, eine "Forschungsstelle" zu haben, deren "wissenschaftlicher Leiter" der Agraringenieur Herrn sei. Warum immerzu diese Verfälschungen, wenn es um Magnus Hirschfeld geht?  

 
(Screenshot von der Internet-Seite der "Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e. V." im August 2008.)
 
(August 2008)
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