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Herbstmode 2008:
 
Fascism Time
International
 
Das Rettungsprogramm im Nacktscanner:
Nationalisierung + Privateigentum = Faschismus.
Der schöne Schein des "Alle Macht geht vom Volke aus" wird in Krisenzeiten regelmäßig aufgegeben. Vorteil 2008 gegenüber 1922 und 1933: offener Terror ist im Zeitalter des Realityfernsehens, der staatlich geförderten Internet-Flatrate-Pornographie und des "Neuen Denkens" durch esoterischen New Age-Kleister überflüssig und kontraproduktiv.

Die Rackets wollen selbst entscheiden, weg mit dem Demokratiegedusel! Es müsse ja nicht alles in Gesetzesform gegossen werden, was die Krise der Finanzmärkte lösen soll, Abkommen zwischen den unmittelbar Beteiligten würden reichen, wenn sich alle daran hielten, meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Krise. "Bill of Rights"? Am Parlament fast vorbei - niemand hatte genügen Zeit nachzudenken, Diskussion und Widerspruch unerwünscht: 500 Milliarden Euro, fast das Doppelte eines deutschen Bundeshaushaltes, wurde in einem einmaligen Gesetzgebungs-Eilverfahren an die Rackets verschenkt, während normale Etatberatungen jedes Jahr monatelang andauern und die Abgeordneten sich zäh um kleinste Millionenbeträge streiten. Und die Einzelheiten der Verteilung des fast doppelten Bundesbudgets, das die Vielen erarbeiten müssen, an die Wenigen werden ohne jede parlamentarische Kontrolle durch Rechtsverordnungen geregelt; die Kontrolle der tatsächlichen Verwendung dieser Steuermittel, die in den nächsten Jahren überall im öffentlichen Sektor - von der Schienenreparatur der Bahn über die Renovierung der Schulen bis zur Personalausstattung der Altenpflege - fehlen werden, wird in einem niemandem verantwortlichen "geheimen" Gremium des Bundestages erfolgen, so will es dieses ENT-mächtigungsgesetz, also gar nicht.  

Die Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs, der sich auch in anderen Ländern wiederholt, kann gar nicht drastisch genug betont werden. Auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus haben sich die Rackets des Kapitals im Kalten Putsch den volkswirtschaftlichen Reichtum angeeignet und Verteilungsdiskussionen obsolet gemacht. Im Handstreich, ohne große öffentliche Diskussion, ja, ohne dass die breite Bevölkerung bereits gemerkt hätte, was es bedeutet. Ein  Koordinierungsgremium zur Verteilung und Verwaltung der Hunderte Milliarden tagt nun in Frankfurt am Main - geheim. Was es berät und entscheidet, erfährt die Bevölkerung nicht, nicht einmal der Bundestag.

Die Londoner "Financial Times" brachte Anfang Oktober neben einem Bild vom Menschenauflauf an der New Yorker Börse im Oktober 1929, während des großen Crashs, lange Artikel über die aktuelle "Krise der politischen Führung" in den USA, bei der die Spitzen der Gesellschaft ein "leadership vacuum" zeigten und Zweifel an der Stärke der viel gerühmten amerikanischen Institutionen nährten. Es gebe in den USA zur Zeit eine breite Revolte gegen das Establishment, und der Erfolg der Obama-Kampagne basiere auf dieser Haltung: "kick the bastards out" - eine Haltung, die auch die Stimmung breiter Teile der Bevölkerung im Deutschland der frühen 30er Jahre beschreibt.

Merkel hält dagegen, mit einer Führung raus aus der parlamentarischen Kontrolle. Die Krise beweise, sagt Merkel: "Man kann einiges national machen, aber das Allermeiste muss international vereinbart werden"; man müsse ja nicht immer gleich neue Gesetze machen, vielmehr sollten die Wirtschaftsakteure Vereinbarungen treffen, an die sich alle dann auch halten, so zitierte "Spiegel online" die Kanzlerin. Die Herrschaft der Rackets. Ordnungspolitik ist neben der Marktfreiheit ein Lieblingswort des Neokonservatismus und der "Neuen Rechten", auch schon der alten antidemokratischen Rechten der Weimarer Republik, von den Deutschnationalen über die demokratische, aber letztlich kapitulierende Rechte bis zu den Konservativen Revolutionären. Das gilt im übrigen auch für die Rechte in Italien, Frankreich, Polen oder Österreich, von je her, und für "Neocons" und "New Right" in den USA. "Der Staat greift jetzt hart durch", sagte Merkel vor dem Bundestag. Eine klare Ansage, wenn anschließend der gesellschaftliche Reichtum, den die Bevölkerung erst noch in den nächsten Jahren erarbeiten muss, im Eilverfahren an die Rackerts verschenkt wird. "Der Staat" steht hier im Gegensatz zu den Bürgerinnen und Bürgern.

In einem überraschenden Anfall plötzlicher Geistesklarheit erinnerte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle beim Stichwort Rechtsverordnungen an die Notverordnungen der Regierungszeit des letzten demokratisch gewälten deutschen Reichskanzlers Heinrich Brüning 1930 bis 1932, der in der letzten vergleichbaren Krise am Reichstag vorbei ohne Gesetze regierierte, eine Krise, die schließlich in den terroristischen Faschismus mündete. Auch in diese Zeit wurden in Deutschland kriselnde Banken "verstaatlicht", Milliarden aus dem Reichshaushalt flossen, um die Banken zu stützen, Steuergeld, das dann für die rasant wachsende Zahl der Arbeitslosen fehlte. Doch Westerwelle wurde sofort von Merkel zurückgepfiffen; wer unter ihr Außenminister werden will, muss auch schweigen können. Die "Berliner Morgenpost"/"Die Welt" aus dem Hause Springer erinnert zwar an "die NS-Machtergreifung" als Folge des Bankenkrachs von 1929 und der folgenden Wirtschaftskrise, warnt aber sogleich: "So weit wird es diesmal nicht kommen", und fragt: "Ist die Bewältigung einer Weltwirtschaftskrise ohne Diktatur ein abwegiger Gedanke?" Auch wenn das Blatt die Frage verneint und beruhigen will, man habe doch schließlich dazugelernt, schwingt in Fragestellung und Wortwahl etwas wie eine Drohung der Rackets mit, eventuell könnten Eso und Porno dann doch nicht ausreichen, um die "offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" (Dimitrow) diesmal zu vermeiden.

Auch wenn sich einige Elemente der Dimitrowschen Faschismusdefinition schon länger erledigt haben im globalisierten Unterhaltungskonsum-Kapitalismus und wir schon früher auf ihre Mängel verwiesen haben, die mit der Entwicklung des Islamofaschismus noch deutlicher geworden sind, ist keineswegs ausgemacht, dass sich eine tiefgreifende Krise der Kapitalverwertung und der Marktkonkurrenzen "friedlich" bewältigen ließe. Statt "chauvinistisch" geht es jetzt wohl mehr um den international zu bedienenden Entertainment-Markt, und gegen den stehen heute auch die "reaktionärsten" Kräfte, ob Islamismus oder europäische völkische (Un-) Kulturbewegungen. Die Herrschaft der Rackets wird sich diesmal kaum provinzieller Tümlichkeiten bedienen, auch wenn Berlins Innensenator Erhart Körting zu mehr Beten und mehr Moscheen aufruft und "Spiegel-online" von "würdigen" Goldbronzegeländern in der gerade eingeweihten Moschee in Duisburg-
loh, der größten in Deutschlands, faselt, die aber nur die Männer von den Frauen trennen sollen. Die Rackets des Kapitalismus wissen längst, dass der Gewinn beim Verkauf von Absperrgittern niemals den beim Verkauf von Sex erreichen kann. Die Elenden werden - vorerst jedenfalls - nicht mit Terror eingeschüchtert, sondern als Darsteller und Konsumenten der Pornoindustrie rekrutiert (das macht ja niemand, der und die eine gesellschaftliche Perspektive auf Familie im Mittelschichtswohlstand hat). Die Frage wird sein: wie lange werden die Kreditkarten-Bankrotteure ihre Internet-Flatrate bezahlen können? Die Antwort ist zentral für die aktuelle Form von Kapitalismus und Racket-Herrschaft.


Die wahre Dimension der heutigen Umwälzung wird an zwei Zahlen deutlich. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte zu Beginn der Krise Mitte September 2008 der "B.Z. am Sonntag" aus dem Springer-Verlag, die Krise der Finanzmärkte werde die deutschen Steuerzahler nun "rund 1,8 Milliarden Euro kosten" -- drei Wochen später wurden 500 Milliarden beschlossen! Und die folgende Krise der Realwirtschaft kommt erst noch. Sicher wird nun manch ein Lohnschreiber der Rackets sagen: Gut, dass solche Parlamentarier entmachtet wurden!

Eckhard Fuhr, früher Innenpolitik-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ, jetzt Feuilleton-Chef der Berliner "Welt", immer schon auf dem rechten, anti-egalitären, anti-liberalen "Dritten Weg", kann jetzt auch Ökonomie. Er findet Kapitalismus Marke "amerikanische Finanzwirtschaft" und Sozialismus Marke "real existierend" gleichermaßen gescheitert. Bleiben eigentlich nur nur die antidemokratischen korporativistischen Ideen der Zwanziger Jahre, "Konservative Revolution" im weiteren Sinne. Fuhr münzt die aktuelle Krise in ein Argument gegen die Freiheit schlechthin um: "Der Leuchtturm Amerika hat sich selbst abgeschaltet. ... Als robuster Exporteur von Demokratie und Marktwirtschaft wollte Amerika sich in der Welt dominierenden Einfluss und Vertrauen sichern. Damit ist es gescheitert. Das Bild Amerikas in der Welt ist das eines Exporteurs von Unsicherheit." In der Welt oder nur in Springers "Welt"? Kennt der "Welt"-Redakteur die ganze Welt? Oder doch nur korporativistische Zirkel in Berlin und Frankfurt? "Gute alte Kaufmannsmoral" soll nach Fuhr die Welt retten, "also eine  Kulturrevolution, die wie jede wirkliche Revolution reaktionär ist und aus der Vergangenheit schöpft. Das ist der einzige Brunnen, den wir haben." Und: "Die Zeiten der Staatsverachtung sollten vorbei sein." Er meint es aber nicht wie Rousseau als Assoziation der Freien, sondern deutsch als triefende Gemeinschaft: "Eine auch politisch artikulierte Vorstellung von der guten Ordnung der Gesellschaft ist eine kulturelle Errungenschaft, die man dem bloß individuellen Streben nach Glück nicht opfern darf." Ein Konservativer Revolutionär und kleinbürgerlicher "Deutscher Sozialist"? Ein Ideologe für die ängstliche Mittelschicht, wie ihn die Rackets jetzt brauchen, scheint durch diese Worte hindurch.

Auch die kleinbürgerlichen Elemente der FDP stimmen hier ein: der frühere Vorsitzende Wolfgang Gerhardt fordert eine "Rückbesinnung" auf "die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns", der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei Rainer Brüderle fordert einen "Ehrenkodex" für die Finanzwirtschaft. Und der sich "Chefökonom" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nennende Dierk Hirschel stimmte Fuhr und Gerhardt bei "Anne Will" Anfang Oktober zu, ohne sie zu nennen: "Banken sollen wieder wirtschaften wie ehrbare Kaufleute." Deutschland ist sich wieder mal einig. Nicht nur Otto Strasser hätte seine Freude, Oswald Spengler, Ortega y Gasset, Giulio Evola mit ihm.

"Staatliche Handlungsspielräume" (Merkel) minus demokratische Kontrolle gleich autoritäre Herrschaft, das ist eine alte Weisheit, für die man keinen Brunnen braucht. "Vor einigen Jahren war es in Mode, die Rolle der Politik in einer globalisierten Welt immer schwächer zu zeichnen. Ich habe diese Ansicht nie geteilt", sagte Merkel. Das antidemokratische Konzept der "Formierten Gesellschaft" stammt vom 60er-Jahre-Zeichentisch des Modemachers Ludwig Erhardt und seiner neokonservativen Berater, der, bevor er CDU-Wirtschaftsminister, CDU-Bundeskanzler und "Vater" der von Merkel so heiß verfochtenen "Sozialen Marktwirtschaft" wurde, für die "Wirtschaftsführer" des Nazistaates plante. "Wenn wir den Bürgern die soziale Marktwirtschaft verständlich machen wollen", so Merkel im September 2008, "dann müssen wir deshalb auch bestimmte Rahmenbedingungen setzen." Und dazu zählen nun einmal nicht Verteilungskämpfe um die Höhe von Krankenschwesterngehältern. Das weiß auch SPD-Politiker Klaus Wowereit im Tarifkampf gegen die Gewerkschaften. Dem Volk erklärte es Merkel in der "Bild am Sonntag" in gewohnt ruhigem Ton: "Wir tun das nicht im Interesse der Banken, sondern im Interesse der Menschen". Die Rechnung jedoch wird diesen erst in einigen Jahren präsentiert werden, wie damals, und dann muss sich der Einsatz für die Freiheit von Porno und New Age erst noch richtig bewähren.

Staatsbetriebe für Privatprofit

Man muss ja nicht gleich wieder die privaten Gemälde- oder Antikensammlungen rauben wie weiland Göring und Rosenberg. Bringt auch zu wenig ein. "Verstaatlichung" zugunsten privater Profite geht auch anders. Der weit rechts stehende französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy fordert soeben die breite Beteiligung der Staaten der Europäischen Union an Industrieunternehmen über staatliche Geldfonds und erneut die Errichtung einer eigenen "Wirtschaftsregierung" für die Euro-Zone, während doch schon die bürgerlich-demokratische Kontrolle der EU-Kommission im Ansatz stecken blieb. Seine Begründung ist EU-national: die einheimische Industrie müsse in der Krise vor ausländischen Übernahmen durch Länder geschützt werden, in denen es bereits kapitalstarke Staatsfonds gibt, aber noch nie eine bürgerliche Demokratie gab. Also lieber die eigenen Rackets als fremde. In solcher Not will man sich auch in einem Mutterland der Demokratie keine Abstimmungsspielchen zwischen gesellschaftlichen Interessens- und Konfliktgruppen mehr leisten. Trotz europäischer Proteste, die sich um den freien Zugang aller zum Markt sorgen, macht Sarkozy seinen Staatsfonds jetzt national. Die breite Verteilung der Profite der teilverstaatlichten Betriebe - an die "Beurre" zum Beispiel, die armen Einwanderer, zur Verbesserung ihrer Wohnungen, Schulen usw. - fordert der Milliardärsfreund Sarkozy, der gerne auf Privatjachten und an Privatständen befreundeter Kapitalisten Urlaub macht, nicht.

"Nichts wird mehr so sein wie früher", zitierte "Spiegel online" einen Wall-Street-Broker am Beginn der Krise, "die Welt, wie wir sie kennen, geht unter!" Dass Gesellschaften veränderbar sind, kann nur den schrecken, der bisher an ihre naturhafte Gegebenheit glaubte. Im Ausnahmezustand aber gilt die Ideologie des Biologismus, die die Sprachrohre der Herrschenden allerorten - von der Hirnforschung über die "Namensforschung" und die "Naturreligionen" bis zum Homosexuellen-Gen - schon lange wieder propagieren, nichts mehr, dann muss die energische Tat ausgeführt werden, geführt werden. Um den anderen zuvor zu kommen, machen die Herrschenden schnell selbst Revolution. Ein Wirtschaftsnobelpreisträger sagt, gegen wen: die immensen Kosten, die kein Privater mehr tragen will, werden "dem Steuerzahler aufgedrückt" mit einer klaren Folge: "Unser Lebensstandard wird sinken".

Den Niedergang der USA und den Aufstieg Europas prophezeit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Stile Oswald Spenglers vor dem Deutschen Bundestag, aber Barack Obama hat in seiner Siegessäulen-Rede das Gegenteil aufgezeigt: die Rückkehr der USA als Führungsmacht der Welt! In seinem Wahlkampfbuch "Change We Can Believe In" schreibt Obama ein Kapitel über "Rebuilding Americas Leadership, Restoring Our Place in the World" und "Rebuild a Strong Twenty-first-Century Military". Steinbrück ergänzt noch eine Woche später, die "ausländischen Steueroasen" müssten weg, darauf hätte der "ehrliche deutsche Steuerzahler" einen Anspruch; was soll der Nationalismus darin? Reichte nicht auch "Steueroasen" und "ehrliche Steuerzahler"? Und was entsteht aus solchen Konkurrenzen, wie sie sich aus dem von Obama formulierten Anspruch des US-Kapitals und der von Steinbrück formlierten Hoffnung auf das Zusammengehen der (früheren) Schwellenländer mit "Europa"? Spengler wusste es, die Nazis exekutierten es: Krieg. Nicht heute, nicht 1929 beim Börsenkrach, nicht notwendig in Europa. Wer hat die Zeit, abzuwarten, wie es China ergehen wird, nachdem es sich nun mit der EU gegen die USA zusammentut? Die Finanzkrise ist wohl erst der Einstieg; hier fordern die Vormächte Europas und Asiens bereits einmütig "mehr Macht" für einen von ihnen kontrollierten Weltwährungsfonds.

Obamas Pläne fürs US-Kapital als Bestseller:



Glaube versetzt bekanntlich Berge und Ufos, I Want to Believe. "Change" -- aber alles bleibt beim alten: Die Eine Welt (rechts, Berliner Siegessäulen-Rede) unter der militärischen Stärke der unangefochtenen Führungsmacht USA (links Mitte),
"Yes We Can":




Nach dem Vorpreschen Europas musste die US-Regierung die Fahne des freien Marktes aufgeben und sich ebenfalls zu Nationalisierungen und staalicher Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen durchringen. Die Beschlagnahme von Banken und Betrieben der Schlüsselindustrien durch den ideellen Gesamtkapitalisten Staat geschah freilich in den USA in Krisen- und Kriegszeiten schon oft, entgegen ideologischem Irrglauben. "Ideology is a luxury good in times of crisis", zitierte die "New York Times" dieser Tage die Wirtschaftshistorikerin Nancy Koehn von der Harvard Business School. Neben den Banken und Versicherungen sind in den USA jetzt auch "Teilverstaatlichungen" von Industrieunternehmen durch Ankauf von Aktien mit Steuergeldern zugunsten des privaten Profits der Eigentümer im Gespräch, "blown away any notion of fiscal limitations" (NYT). US-Finanzminister Henry Paulson wurde von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, der verfassungsmäßig dritten Machtperson der USA nach Präsident und Vizepräsident, bereits als "Diktator des Finanzsystems" bezeichnet, dem in der Krise eine "noch nie dagewesene Machtfülle" übertragen wurde - zuerst gegen den Protest des US-Parlaments, dann selbstverständlich mit seiner Zustimmung. Ein Diktator, dessen Entscheidungen und Geldverteilungen im Gegensatz zum normalen "Bailout" von keinem Gericht überprüft werden sollen. Ein Parlament, das sein einziges wirkliches Machtmittel, das Budgetrecht, aus der Hand gibt. Bye bye, Bill of Rights.

Der größte Hammer ist jedoch: von den Milliarden der US-Steuerzahler, die über die "Teilverstaatlichungen" nun an die Bankenkonzerne fließen und für die Sanierung der fast bankrotten Geldinstitute gedacht waren, genehmigen sich nun die Kapitalisten, die Shareholder, die Aneilseigner, die den Konzernen ihr Kapital gaben in der Hoffnung auf hohe Rendite, satte Dividenden. (Und ein viertel Jahr später berichtet die New York Times, dass die Banken den Großteil des "bailout" gebunkert haben, statt das Geld dem Geldmarkt zuzuführen.) Auch beim deutschen Eilgesetz-Rettungspaket können die Banken weiter Gewinne ausschütten, wenn sie "nur" Bürgschaften des Bundeshaushaltes für ihre Geschäfte in Anspruch nehmen (aus Steuergeldern also "nur" dann an Banken gezahlt wird, wenn diese Geschäfte schief gegangen sind und der Bürgschaftsfall eintritt); bei direkter finanzieller Unterstützung der Banken "kann" die Bundesregierung Gewinnausschüttungen verbieten. Es ist also - jedenfalls in den USA, für Deutschland eingeschränkt - tatsächlich nichts anderes als der Griff des Kapitals und der Rackets in die Staatskasse - übrigens von Anfang an mit der vollen Unterstützung Obamas, der sich schon vehement für diesen "Bailout"-Vorschlag der Bush/Paulson-Administration aussprach, als Obamas Konkurrent John McCain und die Mehrheit der republikanischen Politiker/innen noch dagegen waren.

"Haltet den Dieb!"

Die Rackets lassen Sündenböcke ausrufen und opfern sogar ein paar, denn im Konkurrenzkapitalismus gibt es keine Solidarität. Korruption und Gier, die persönliche Unfähigkeit von namentlich festgemachten Managern und politischen Gremienkontrolleuren sollen Schuld sein an einer Misere, die gerade erst angefängt. Die Krise folgt in Wahrheit nur den rationalen Regeln der Kapitalverwertung, doch es wird die angeblich fehlende Moral einzelner Individuen verantwortlich gemacht - die klassische faschistische Propaganda wiederholt sich flächendeckend. Willkürliche und rechtswidrige Verhaftungen im SA-Stil fordert man bereits aus der weit nach rechts gerückten Lafontaine-Partei. Gegen "Zocker" hetzt sie, aber im Ernst: Wer hat nach 1945 mehr verzockt als die SED?

Und wenn die Bank oder der Bankenchef noch jüdische Namen oder geographisch deplaziert alttestamentalische Vornamen tragen - "die Lehman-Brothers!"; und "Spiegel online" schreibt: "die Wut ist grenzenlos" auf den isländischen Zentralbankchef David Oddsson -, dann passt es auch dem "Kleinen Mann". Zur Zeit werden die europäischen Folgen des Zusammenbruchs der Lehman Brothers Bank breit ausgewalzt, auf "Spiegel online" zum Beispiel durch Filmchen über alte deutsche Rentnerinnen, denen mit nun wertlosen Lehman-Zertifikaten auch noch die Rücklagen für ein würdiges Begräbnis genommen wurden, oder über Kranken- und Rentenkassen, die zig Millionen Euro durch Geldanlagen bei der Lehman Brothers Bank verloren hätten. Hayun, Mendel und Maier hießen die jüdischen Lehmann-Brüder, bevor sie im 19. Jahrhundert aus Würzburg wegzogen, weil in Deutschland mal wieder eine Antisemitismus-Welle schwappte, und in Amerika als Henry, Emmanuel und Mayer eine Bank gründeten. "Amerika" ist schuld, wenigstens aber anonyme "Heuschrecken", ein Begriff aus dem NS-Film "Jud Süss": "Wie die Heuschrecken kommen sie über unser Land", wird in dem antisemitischen Film aus der Goebbels-Propagandamaschine der Einzug der Juden in die brave Stadt Stuttgart kommentiert; am Ende wird der wegen seiner angeblichen Geldgier verhasste Finanzmakler des württembergischen Herzogs, Joseph Süß Oppenheimer, nach einem Scheinprozess staatlich legitimiert ermordet, weil er eine protestantische Bürgerstochter vergewaltigt haben soll. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering soll neuerdings Erfinder des Wortes "Heuschrecken" sein, der IG Metall-Mitliederzeitung wurde ihre "Heuschrecken"-Titelbild- Karikatur als "antisemitisch konnotiert" vorgeworfen: Anonymisierung der Bedrohung und Personalisierung von Sündenböcken.

Vom System der Gewinnmaximierung, das als gesetzmäßiger Zwang des Kapitalismus jeden in den Untergang treibt, der ihm nicht folgt, spricht man nicht (nur Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sprach davon und wies die Anklage persönlicher Schuld von Managern zurück ein Lapsus linguae gab willkommenen Anlass, ihn drastisch zurückzupfeifen), statt dessen werden moralische Kategorien eingeführt, so dass sich eine jede Bürgerin entrüsten kann. Es waren aber die Clinton-Administration und die rot-grüne Schröder-Regierung, und ebenfalls die SPD-Vertreter bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU zur Großen Koalition, die erst die gesetzlichen Grundlagen für die jetzt geschmähten Finanzprodukte schufen und den Handel und die Spekulation mit faulen Krediten rechtlich zuließen, nicht aus Bosheit, sondern aufgrund global wirkender Gesetze der Kapitalverwertung (die zu fesseln Hans-Werner Sinn weiterhin naiv fordert, bis zur nächsten Krise). Zum System gehören auch Städte und Landkreise, die kommunale Infrastrukturen an internationale Kapitalanlagegesellschaften verkauften und anschließend zurückmieteten und dabei tatsächlich glaubten und den beschließenden Stadträten und Kreistagen vorrechneten, einen guten Schnitt für die Allgemeinheit gemacht zu haben; für die Kommunalhaushalte der nächsten Jahre zeichnen sich nun jedoch Katastrophen ab, weil die neuen Eigentümer von Abwassersystemen, Müllabfuhr oder Fernheizungen in der Finanzkrise die Mieten erhöhen müssen, um ihre Verluste zu senken. Zum System gehören die politisch kontrollierten Landeszentralbanken, die öffentliche Haushalte mit den Erlösen aus globalen Spekulationsgeschäften aufzubessern versuchten, und damit auch eine Zeit lang Gewinne machten für die deutschen Bürger auf Kosten anderer anderswo (Stichwort Imperialismus), und nun mal selbst im Loch sitzen.

Statt zu dieser Verantwortung zu stehen, sind die Heuschrecken immer die anderen. Merkel griff die US-Regierung an, aus ideologischer Sturheit die Welt in die Krise hinein gezogen zu haben. Der britische Premier Gordon Brown sagte: "Wir zahlen den Preis für das, was in den USA passiert ist",  obwohl doch die Hedgefonds in der Londoner City sitzen und ihre windigen Riesengewinne, die das industriell marode Vereinigte Königreich mitfinanzieren, ein Grund für den Erhalt des britischen Pfundes und die Ferne zum Euro war.

Auch SPD-Fraktionsvize und Finanzfachmann Joachim Poß verteilt die Rollen: "Die Amerikaner können jetzt nicht für ihr Versagen und ihre Arroganz Deutschland in die Haftung nehmen". Ein Milliarden-Rettungspaket wie in den USA sei "in Deutschland weder geplant noch erforderlich", befand Poß zuerst kurz und bündig. Das 500-Milliarden-Paket gab es aber dann trotz dieser deutschen sozialdemokratischen anti-amerikanischen Arroganz, und zwar - pro Kopf der Steuerzahler-Bevölkerung gerechnet - in einem weitaus größeren Maße als in den USA.

DGB-Chef Sommers Anstand gegenüber Eigenen und Fremden

Den Vogel des Ein-Volk-Ein-Staat-Eine-Wirtschaft schoss DGB-Chef Michael Sommer Mitte Oktober mit seinem pauschalisierenden "Tagesspiegel"-Interview ab. Nicht nur erklärte er die "Marktwirtschaft" zum "besten Wirtschaftssystem, das es gibt", in dem "Gewinne" "selbstverständlich" seien. Gegen dieses Gute, unser Eigenes, stünde der "angloamerikanische Kapitalismus, der nichts anderem verpflichtet ist als der grenzenlosen Gewinnmaximierung. Werte wie wir sie aus dem Grundgesetz kennen, die gesellschaftliche Verpflichtung von Eigentum etwa", habe der Amerikaner ja nicht. Ob man einem DGB-Chef die Kenntnisnahme der US-amerikanischen Geistesgeschichte abverlangen darf? Zumindest Solidaritätserklärungen mit den von der Krise gebeutelten US-amerikanischen Arbeiterinnen und Arbeitern, aber auch die brachte Sommer nicht hervor. Statt dessen eine deutsche Philosophie, mit der sich die freien Gewerkschaften schon 1933 einem phantasierten nationalen Kollektiv gleicher Interessen anbiederten, mit der sie gleichwohl schnell untergingen, die sie aber, scheint's, nicht missen möchten in einer Krise, die erneut zur fremdverschuldeten umgedeutet wird: "Das alte kontinentaleuropäische Wertesystem der Marktwirtschaft, wie wir es als soziale Marktwirtschaft aus 40 Jahren Nachkriegsgeschichte kannten, ist systematisch ausgehölt und zum Auslaufmodell erklärt worden." Vergessen die 40-jährige Opposition aus den westdeutschen Gewerkschaften gegen dieses Wirtschaftssystem, vergessen die Herkunft der Erhardt-Konzepte aus den Denkfabriken des deutschen Kapitals der frühen 40er Jahre, als der Untergang ihres europäischen Hegemonie-Modells "Nazideutschland" unaufhaltsam geworden war.

Und dann bringt Sommer auch noch die Fünfte Kolonne der Fremden, statt dem Bekenntnis zur Mitverantwortung: "Die Regierung Schröder hat den angloamerikanischen Kapitalismus gewissermaßen nach Deutschland imporiert und der Deformation der sozialen Marktwirtschaft den Weg bereitet." Erst sei von ihr das fremde "System Amerika weitgehend reibungslos übernommen" worden, dann seien auch noch "die Heuschrecken ins Land geholt" worden. "Und danach öffnete man das Land für börsenorienierte Immobilienfonds."

Die Denkkonzepte Sommers erweisen sich so als die der Überfremdung und der Ausbeutung der Deutschen und ihres Landes durch finanzkräftige Undeutsche -- das klassische Schema des Antisemitismus, auch wenn Sommer keinen Juden beim Namen nennt, sondern den Ausdruck "angloamerikanisch" für sich stehen lässt. Mit fast denselben Denkfiguren argumentierte der Antisemismus des 19. und 20. Jahrhunderts: jüdische Bankiers seien durch die Herrschenden, damals der Adel, ins Land geholt worden und beuteten nun die deutsche Bevölkerung aus. Der Nazi-Propagandafilm "Jud Süss" basiert hierauf, und nicht von ungefähr stammt der Ausdruck "Heuschrecken" aus diesem Film und nicht etwa vom unbedachten Nachbeter Münte. Erschreckend, dass Sommers "Tagesspiegel"-Interview streckenweise so wirkt, als habe der DGB-Chef zur Vorbereitung noch einmal den Goebbels-Film angesehen.

Sommer phantasiert über die Mechanismen des Kapitalismus: Hätte man auf die Vorschläge des DGB, die schon lange vor dem Weltwirtschaftsgipfel von Heiligendamm vorgetragen worden seien, gehört, "wäre uns diese Krise erspart geblieben." Und dann bekennt er, wie seine Vorgänger 1932 und erst recht 1933, die Solidarität der deutschen Gewerkschaften mit der aktuellen Krisenpolitik der Rackets: "Ich unterstütze, was die Regierung tut." Punktum. Und er ergänzt, peinlich den Ziegefinger hebend wie der Papa der Familie: "Danach ist aber eine politisch-moralische Aufarbeitung fällig." Damals begann sie erst 1945; Sommers Vorgänger Theodor Leipart suchte 1933 noch den Schulterschluss mit den Nazis, trat dann aber 1946 in die SED ein.

Bei so viel  Bekenntnis zum System durch Michael Sommer müssen die "Schuldigen", sofern nicht ohnehin als Fremde ins Land gelassen und daher auszuweisen, individuell dingfest gemacht werden. Bei der "Aufarbeitung" müsse auch "geprüft" werden, "ob Manager, die sich schuldig gemacht haben, in Zukunft schneller persönlich und finanziell zur Rechenschaft gezogen werden können", meint er. Und "entschuldigen", die neue deutsche Demütigung des Bösen seit 1989! "Entschuldigen" müssen sie sich! "Ich vermisse bis heute das klare Eingeständnis, dass unverzeihliche Fehler gemacht wurden. Eine Entschuldigung haben die Menschen mindestens verdient. So viel Anstand muss sein." Davon kann man sich auch viel kaufen. (Und nebenbei: Was nützt eine Entschuldigung, wenn die Tat doch gerade "unverzeihlich" ist, wie Sommer sagt? So viel Logik muss sein.)

Und den noch: "Außerdem müssten Finanzprodukte verboten werden, die niemand verstehen kann." Warum nicht auch Gebrauchsanweisen verbieten, die niemand verstehen kann? Zumal die meistens doch auch aus dem Ausland ins Land gelassen wurden! Oder Fernbedienungen? Oder Videorecorder und elektronische Armbanduhren, die niemand programmieren kann!

"Schuldig gemacht" des Amerikanismus. Statt sie gleich zu verhaften von SA- oder "Reichsbanner"-Horden oder Lafontaine-Partei-Kommissaren - dafür ist es wohl noch zu früh -, wirft man dem Volk ein paar Tantiemen vor: als ob die Begrenzung der Manager-Gehälter auf 500 000 Euro irgend ewas an den Ursachen der Krisen des Kapitalismus ändern würde. Und so viele Manager gibt's ja auch gar nicht, dass sich diese Grenze irgendwie nennenswert volkswirtschaftlich auswirken würde. Sie bedient nur die Rachegelüste eines aufgehetzten Volkes, dem man keine Juden mehr vorwerfen kann, weil es die schon beim letzten Mal gefressen hat, weil es die nicht mehr in nennenswerten Machtpositionen gibt. (Tatsächlich wurden ja, entgegen der Anti-Sinn-Hysterie, 1929 bis 1932 in Deutschland, aber auch international, als "jüdisch" identifizierte Bankiers für die Finanz- und Wirtschaftskrise verantwotlich gemacht, genau wie heute; weil Sinn dies wahrheitsgetreu ansprach und kritisierte, und er im Gegenzug  das System des Kapitalismus als Verursacher der Krise kompetent kritisieren kann - freilich mit naiven Schlussfolgerungen -, wurde ihm der öffentliche Prozess gemacht und er zum Widerruf genötigt. Die Rackets haben kein Interesse an der Kritik eines Systems, das den Kapitalisten, den Shareholdern, wie Sinn richtig sagte, riesige Gewinne einfährt; sie opfern lieber ein paar ihresgleichen als persönliche Versager und machen selbstverständlich weiter.) Wie in aller Welt könnte der BMW-Sportwagen, den man der Tochter eines Bankmanagers nach dem Abitur gleich wieder abnähme, die Billionen Euro Verluste der weitgehend doch noch normalen kapitalistischen Krise aufwiegen!? Der DGB-Chef will keine Gesellschaftsveränderung, er will "im Namen des Volkes" Volkes Rache an Individuen vom Zügel lassen -- nach Marx nicht nur ein schwerer Fehler linker Politik, sondern auch völlig sinnlos, weil die nächste Krise mit neuen Charaktermasken des Kapitals so sicher folgt wie die jetzige auf die vorherige.

"Ausmerze" hat in der Krise wieder Konjunktur

In einem "Spiegel-online"-Interview legte Sommer im Dezember 2008 nach und forderte eine Zwangsabgabe von "Reichen" an den Staat, die er als die persönlich Schuldigen der Krise ansieht. Keineswegs liegt's am Wirtschaftssystem, keineswegs sind es strukturelle Probleme, so der DGB-Vorsitzende, der keine Gesellschaftsveränderung will, sondern sich in diesem Interview als Kleinbürger outete: "Die Gewerkschaften standen und stehen immer für den kleinen Fortschritt und für das kleine Glück. Denen, die das am besten hinkriegen, denen stehe ich wirlich nahe", bekennt er. Aber "diejenigen, die die Krise verursacht haben", so Sommer, sollten jetzt persönlich bluten.

Diese Personalisierungen der Gesetze des Kapitalismus sind aus der faschisischen Ideologie bekannt. Der Vorsitzende der IG Metall Bertold Huber - ein früherer K-Grüppler, der sich selbst rechts gewendet hat - hatte vorher schon und noch drastischer als Sommer eine Tonlage angeschlagen, die man zuletzt nach dem November-Pogrom 1938 gehört hatte, als die deutschen Juden, denen man die Schuld an den Schäden der "Kristallnacht" zuschob, zu einer Zwangsabgabe gezwungen wurden, als Wiedergutmachung. War bisher das "Heuschrecken"-Titelbild der Gewerkschafts-Zeitung "Metall" der Tiefpunkt gewerkschaftlichen Denkens nach 1933, so kann Huber dies noch drücken: "radikale Methoden", so "Spiegel-online", "eine Zwangsabgabe von 100 Milliarden Euro für wohlhabende Bundesbürger -- da waren die Nazis ja geradezu bescheiden! "Alle privaten Geld- und Immobilienvermögen über 750 000 Euro" sollen diese Zwangsabgabe zahlen; Huber sieht darin "neue Wege", die man in der Krise gehe müsse. Doch wer Zwangsabgaben von angeblich schuldigen Personen einfordert und dabei auf deren  Vermögen verweist, der denkt tatsächlich wieder in den Kategorien des alten Antisemitismus.

Sommer wurde dann noch einmal rührselig, als er die "Chicago Boys" um Milton Friedman für alles Schlechte verantwortlich machte. Chiles Diktator Pinochet habe sie nach dem Putsch gegen Allende ins Land geholt, damit habe das Übel des Neoliberalismus angefangen. Statt rationaler Analyse der Gesetze des Kapitalismus bringt der DGB-Chef Jugenderinnerungen: Man könne mit ihm "nicht rational (darüber) reden, ... weil Allende meine Idee von demokratischem Sozialismus verkörpert hatte. Deswegen war er für viele Menschen meiner Generation ein wirklicher Held." Eine wirre vorurteilsbeladene Suada über die angebliche Geschichte des Neoliberalismus folgt, der man anmerkt, dass beim DGB heute jedes Ressentiment Platz findet, aber keine Kritik der politischen Ökonomie in der geradezu klassischen Überprodutionskrise. Heldenverehrer Sommer verschwendet keinen Gedanken an die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Äußerungen Allendes gegen Juden und gegen Behinderte, die er gleichermaßen "ausmerzen" wollte -- eine schmerzliche Erkenntnis für alle, die dabei einen Helden ihrer Jugend los wurden. Sommer scheint dies nicht weiter gestört zu haben: er habe sich "nicht besonders oft korrigieren" müssen.

Auch SPD-Chef Müntefering, der die "Heuschrecken"-Metapher aus dem antisemitischen Nazi-Film "Jud Süß" als erster wiederbelebt hatte, sieht offenbar keinen Grund zur Korrekturen an Sprache und Konzept. Auf die Steueroasen in Ozeanen und  Alpentälern hat er es abgesehen, martialische Drohungen stößt er aus: "Dieses Piratentum muss mit aller Radikalität verboten und ausgemerzt werden", fordert er. Atombomben auf Liechtenstein statt auf den Iran? Und fast wörtlich den Nazi-Text wiederholend, erinnert er an die "Heuschrecken": "Das sind die Hopper, die ohne Rücksicht auf Verlust und ohne Rüchsicht auf die langfristigen Strukturen von Unternehmen von einem Ort zum anderen springen, schnell das Geld abschöpfen, weiterziehen auf das nächste Feld und auch das abgrasen." Münte braucht keine Namen zu nennen, seine Deutschen verstehen ihn auch so.

Bischof Marx jedoch (Reinhard, der von München und Freising, der jetzt tatsächlich ein Buch geschrieben hat mit dem Titel "Das Kapital", siehe rechts) pflichtet dem DGB-Vorsitzenden bei: Spekulation sei "Sünde" - freilich ohne auf Luther zu verweisen, den alten Antisemiten, der es ähnlich sah, aber der war ja nicht Katholik, sondern Lutheraner. Dieser neue Marx ruft gescheiterte Banker zur Buße auf. Wohlgemerkt, nur die gescheiterten! Dass man den DGB nicht mehr braucht, wenn man schon die katholische Kirche hat, zeigt des Bischofs Appell: "Die soziale Marktwirtschaft ist ein Zivilisationsprodukt. Das haben viele vergessen." Kapitalismus ohne einen Rahmen ethischer und rechtlicher Ordnung sei "menschenfeindlich".

Der Erbfeind aus dem Wilden Westen

Der Berliner "Tagesspiegel" verkündet selbstbewusst "das Ende des amerikanischen Traums" und den "Sturz der USA in moralische und finanzielle Not", "Washington" sei "pleite". Die Redaktion glaubt es ihrem Autoren blind, denn der "lebt als Publizist in Washington D.C." Freilich drängen nach wie vor Millionen Migranten in diesen amerikanischen Traum, in dem sie als Arme und Unterprivilegierte immer noch besser leben als in ihrer Heimat - für den voreiligen "Tagesspiegel" nicht der Rede wert. (Nebenbei: Was ist eigentlich der "deutsche Traum" gewesen, wenn man schon den "amerikanischen" zu Grabe trägt? Auschwitz! Es gab nur einen "deutschen Traum": die Vernichtung der Juden.)

Hetzerisch nimmt das Blatt, das sich sonst so antifaschistisch gibt, die Finanzkrise zum Anlass für den deutschen Rundumschlag: "Das einzige Exportgut, das Amerika mit Erfolg vertreibt, ist die Folter."  Freilich kaufen deutsche USA-Touristen noch zusätzliche Koffer, bevor sie wieder heimfahren, um ihre Einkäufe der preiswerten US-Waren zu transportieren, und geraten oftmals mit dem deutschen Zoll in Konflikt, weil der den US-Import in die EU drastisch besteuert, um ihn einzuschränken -- der "Tagesspiegel", der aus der Berliner Potsdamer Straße provinzielle Urteile abgibt, weiß es wohl nicht besser. "Während sie zusehen, wie ihre Aktienpakete in den Keller gehen und die Regierung weitere Schulden aufnimmt, haben die Amerikaner das Gefühl, als würden sie finanziell vergewaltigt, als lebten sie in einem Dritte-Welt-Land." Wie viele Amerikaner gibt es denn in der Potsdamer Straße? Und "Dritte-Welt-Land": vielleicht drängen deshalb so viele Latinos in die USA? "Vergewaltigt" - aber das war doch bei "Jud Süss"! Das Blatt weiß noch mehr über die Gesetze des Kapitalismus: "Amerikaner und Europäer reagieren in der Finanzkrise verschieden." Das muss was Biologisches sein, oder? Einschränkend wird darauf hingewiesen, dass nur die "Kontinentaleuropäer" gemeint sind. Und die deutschen, polnischen, italienischen, russischen, griechischen, ukrainischen Einwanderer, die seit 150 Jahren die Bevölkerung der USA, also "die Amerikaner", darstellen? Doch nichts Biologisches, oder? Nach dem ganzen Zeitungsgeblubber, das keinen Boden hat noch findet, bleibt nur eines übrig: gefühlter Antiamerikanismus, weil man sich offenen Antisemitismus nicht erlauben kann.

"Weltweite Verheerungen"

Derart eingestimmt, machen andere die erweckte Volksseele richtig scharf. Ein Wolfgang Kaden zum Beispiel verkauft das folgende auf "Spiegel online" als "Analyse"; es ist ein Vorabdruck seines Buches, das im Dezember 2008 im FAZ-Verlag erscheint - die Lohnschreiber der Rackets sind schon gleichgeschaltet: "Geldgierige Banker und renditehungrige Aktionäre haben die amerikanische Finanzszene ins Chaos gestürzt", schrieb er neben zahlreichen blinkenden und dem "Spiegel"-Verlag gut bezahlten Werbeanzeigen, als die Krise noch nicht eine auch europäische war. "Spiegel online" (und auch die FAZ) gibt es nur wegen der Werbeanzeigen, die neben reißerischen Meldungen gierig und hungrig verkauft werden. Aber wer wollte Flagschiffen der kapitalistischen Medien vorwerfen, nach den Regeln des Kapitalismus Produkte zu verkaufen?

Der alte neue Feind ist Amerika. Die Wortwahl zeigt, wie nun auch ideologisch das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs noch gewendet werden kann. "Spiegel online" ist wie immer Vorreiter: "Die Wall-Street-Konzerne haben in den Gesellschaften verheerende Schäden angerichtet", und zwar "global", schrieb Kaden in dem Internetdienst am 23. September 2008. Wie bitte? Wer hat die Bewohner ganzer Dörfer, Frauen, Kinder und Greise, in Kirchen zusammen getrieben und diese dann angezündet? Guernica, Rotterdam, Warschau und Kiew in Schutt und Asche gelegt? In den letzten Kriegsmonaten Hunderte Geiseln auf einmal erschossen? Welche Bestien lebten hemmungslos ihre mörderischen Triebe aus? "Verheerung" ist ein Wort mit eindeutigen Assoziationen, Kaden und "Spiegel online" wählen es mit Bedacht: die deutsche Wehrmacht hat nur Europa verheert, "Amerika" aber verheere die ganze Welt, so ist die Größenordnung deutscher Schuld in Relation gebracht.

Welche Heere hat die Wall Street? Kaden verrät es nicht. Aber: der Ausdruck "verheerende Schäden" soll Schrecken wach rufen, die an Krieg erinnern. Doch mit den, global betrachtet, abscheulichsten Schrecken hat immer noch die deutsche Wehrmacht die Gesellschaften überzogen; das ist der Hintergrund, dem nun ein neuer Vordergrund gegeben werden kann: Die "Wirtschaftswelt" werde "vom Denken und von den Praktiken der angelsächsischen Investmentprofis beherrscht", heißt es hier weiter, mit der Assoziation der Heere im Kopf, und man müsse nun "weg von einer Wirtschaft, in der die Meister der Wall Street zum eigenen Vorteil die Regeln diktieren; in denen es offenkundig keine Hemmungen, keinen allgemein akzeptierten Rahmen mehr für das Ausleben des Erwerbstriebs gibt." Auch das Wort "Meister" scheint mit Bedacht gewählt, denn zu relativieren ist das Dichterwort gegen Auschwitz: "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Und die Wall Street liegt bekanntlich nicht in Deutschland. "Raff-Gemeinschaft", "Verrohung" und "Entmachtung" sind Kadens Stichworte bei "Spiegel online", Entmachtung des "angelsächsischen Finanzkapitalismus", der ein "Monster" sei und "die Wirtschaftswelt erobert und umgepflügt" habe. Freilich verhalf dem Monster auch die Schröder-Regierung zu Macht (und orher schon die britische Blair-Regierung), das fällt bei diesem Weltentwurf untern Modezeichnertisch.

"Mit undurchsichtigen Wertpapieren Milliardenvermögen geschaffen und vernichtet", "getrickst und getäuscht", "Anleger um ihr Erspartes gebracht", "Investmentbanker und Vorstände (haben) sich gänzlich ungeniert bereichert" -- auf sie mit Gebrüll! Nun mobilisiert "Spiegel online" die Volksseele, auf dass sie koche gegen die Verheerer-Meister von der amerikanischen Ostküste! (Und an "der Ostküste" sitzen ja bekanntlich ... -, nein, das darf man nicht aussprechen, das muss Subtext bleiben, damit der Mechanismus, der die Volksseele beheizt, nicht offenkundig und damit unwirksam werde!). Vergessen schon die Milliardenvernichtung durch einen Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp. "Ganz natürliche zivilisatorische Grenzen" führt "Spiegel online" ins Feld gegen die Verheerungen, sie seien "verloren gegangen", nicht bei Schrempp oder Ackermann, sondern an der Wall Street der "Lehman Brothers" und Konsorten. "Doch bei Ackermann!", ruft die losgelassene Lafontaine-Partei und will Ackermann  und andere ganz natürlich, aber ohne Rechtsgrundlage, verhaften lassen. Das sei eben "Volkes Stimme", verteidigt Gregor Gysi die Verhaftungs-Forderung seines Partei-Kommissars Peter Sodann, gerecht und gesund und natürlich, wie das deutsche Volk eben ist. Und auch terroristisch, wie damals die SA, aber das sagt Gysi natürlich nicht.

Der Weiße Ritter

Die angespitzte Volksseele bekommt noch ein Schmankerl mit auf die Straße: wegen des jüdischen Neujahrsfestes (!) seien die US-Abgeordneten mitten in der Krise einfach "in den Kurzurlaub" gefahren! "Spiegel online" entrüstet sich künstlich: "Anlass: das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana - in Washington ein Kongress-Feiertag. ... Schwer zu glauben: Am Tag nach dem Desaster - dem Tag, dem nicht nur die US-Börsianer voller Zweifel und Unsicherheit entgegenbangen, dem Tag, an dem die Welt auf Washington starrt, dem Tag, an dem Führungskraft gefordert ist oder wenigstens ein Zeichen, dass jemand hier die Dinge im Griff hat - macht der Kongress geschlossen dicht und vertagt sich seelenruhig ..., bei drei Milliarden Dollar Verlust pro Minute" an der Börse -- wegen eines jüdischen Feiertags! In der Tat: das wäre dem wirklichen Führer nicht passiert. "Spiegel online" macht klar: die Demokratie versagt, wenn sie gebraucht wird. Wie gut, dass man CNN zitieren kann statt Joseph Goebbels: "schockierend unverantwortlich"! Und "Spiegel online" zitiert: "Irgendeiner müsse doch die Zügel in der Hand behalten, um heute 'die totale Panik zu vermeiden'. Aber nein, die Börsen sind am Dienstag völlig auf sich gestellt." Des "Spiegels" gespiegelte Botschaft des Volkes ans Volk: Wenn da der Judenhass entzügelt wird, braucht man sich ja nicht zu wundern, oder! Wenigstens bringt das alles "eine Chance für Deutschland", wo ja bekanntlich die jüdischen Bankiers und Parlamentarier bereits vor langer Zeit verhaftet wurden und neue nicht gezeugt werden konnten, denn, so "Spiegel online" am Schreckenstag, der ein jüdischer Feiertag ist: "Fassungslos blickt die Welt nach Washington", "Untergangsstimmung macht sich breit", die Krise "droht weiter zu eskalieren", um dann erschöpft, aber beruhigt in den Gelsenkirchener Barocksessel zu sinken: "deutsche Konzerne und Banken sind stärker als viele glauben", und: Europas Autoindustrie werde gestärkt aus der Krise hervorgehen, während Ford und General Motors jetzt schon vor der Pleite stünden.

Das ist zwar alles Unsinn, weil es "deutsche" Konzerne und Banken gar nicht mehr gibt in der Welt der globalen Shareholder und arabischen, chinesischen und ex-sowjetischen Staatsfonds, aber für die Volksseele reicht es.

Und dann kam der "Verstaatlichungs"-Reigen, wie schon 1931. Und der Vergleich mit der Mafia, die Max Horkheimer den Einfall zum Begriff "Rackets" gab. Bekanntlich arbeiten heute in den Berliner Ministerien ja schon länger die von den Konzernen bezahlten Lobbyvertreter, die ihre Büros schon direkt hier neben dem Ministerbüro eingerichtet haben und die Gesetze gleich selbst entwerfen, die ihre Arbeitgeber und Kapialeigner betreffen. Jetzt können sie auch noch 500 Milliarden aus öffentlichen Töpfen zusätzlich verteilen, ohne öffentliche Kontrolle. Vorerst nur 500 Milliarden! Und plötzlich heißt es entgegen aller bisherigen Privatisierungs-Propaganda: Gesetzlich stünde einem Einstieg des Staates (dessen Bürgerkontrolle ausgeschaltet ist) bei Banken in Deutschland nichts im Wege, der Kauf und Betrieb von Unternehmen stehe dem Staat und seinen Gebietskörperschaften "frei" (wenn diese nur noch den Rackets verpflichtet sind). Und ein Hasnain Kazim schreibt auf "Spiegel online": "Gänzlich gegen eine Verstaatlichung, in welcher Form auch immer, ist kaum jemand in Deutschand." Ja, warum dann noch die Sozzen wählen?

Friedrich Merz, der Weiße Ritter aus dem letzten Karneval, hat ein Buch dazu geschrieben. "Neujustierung des Verhältnisses zwischen Bürgern und Staat" und "neue Verantwortung der Leistungseliten" nennt er die neuerliche Revolution der Rackets. Und er fordert die Entmachtung der amerikanischen Rackets. Merz, der immer schon im Leumund stand, weit rechts außen zu denken, lobte bei seiner Buchvorstellung die Rettungspolitik Merkels und Steinbrücks; "retten müssen wir den Kapitalismus" vor der "Schuld Einzelner", da kann man schließlich nicht zimperlich sein.

Wo verläuft wessen Front?

Die "New York Times" macht sich dieser Tage lustig über die Protesler von der "Socialist Party USA", die mit langen Pamphleten aus ihrem "national office", das downtown Manhattan liegt und von "Eat the Rich!"-Plakaten geschmückt sei, gegen den großen "bailout" agitiert: "There is, after all, a certain indignity in fighting the class war for 107 years only to find one's chosen style of governance employed on behalf of the other - which is to say, the very upper - class." Statt den Faschismus beim Namen zu nennen, den der New Yorker "Socialist Party"-Parteisekretär Zelig Stern in der NYT "corporate socialism" nennt, weil er den "Deutschen Sozialismus" innerhalb und außerhalb der NSDAP vielleicht nicht kennt, und den italienischen schon gar nicht, sieht die NYT nur einen "Hauch von sowjetischer Kommandowirtschaft" in die Chefetagen der Bankenhochhäuser einziehen, die nur eine U-Bahn-Station vom Büro der Sozialisten entfernt die Wolken der Renditeträume kratzen. "Eine Art Staatssozialismus für Reiche" nennt der Soziologe Ulrich Beck es; dieser Revolution fehle der "Austausch der Eliten", deshalb komme es "zur Personalunion von Verbrecher und Polizei", was ja bekanntlich das Wesen der Racket-Herrschaft ist; aber das Wort nimmt er nicht in den Mund. Naiv fordert er die Haftbarmachung von Bankmanagern und hofft, die jetzige "goldene Gelegenheit" führe dazu, "dass nicht die Wirtschaft die Demokratie, sondern die Demokratie die Wirtschaft dominiert". Für solch kritische Geister ist das Kapital dankbar!

"Die Finanzkrise beschert Antisemiten ein erstaunliches Comeback", schreibt die "Berliner Morgenpost"/"Die Welt". "Dass die radikal-islamistische Hamas die Finanzkrise als Folge eines 'von der jüdischen Lobby' kontrollierten 'schlechten Finanzsystems' erklären würde, war fast schon vorauszusehen. Doch auf einmal ist nicht nur auf einschlägigen rechtsextremistischen Webseiten sondern auch in den Foren der Main-Stream-Medien wieder vom 'jüdischen Geld' die Rede. Da wird über das 'internationale Finanzjudentum' gejammert und die 'allbekannte jüdische Gier' beklagt."

Und in Berlin, die Linke? In Kreuzberg wird Kristallnacht geübt, gegen "McDonald's"- oder "Subway"-Restaurants und "Gentrifizierungs"-Bauten, jüdische Geschäfte gibt es ja keine mehr. Nichts "Amerikanisches" soll im Kiezbezirk geduldet sein; allerdings tanzt man gerne zu amerikanischer Musik. So viel Logik braucht nicht zu sein, bekanntlich wurde die deutsche Wehrmacht ja auch mit Ford-Fahrzeugen für den Krieg ausgestattet. Bisher entstand nur Glas- und Blechschaden. Gezündelt wird auch wieder gegen die "Geldsäcke", bisher brannten vermutlich nur ein paar hundert Autos, Polizeisenator Erhart Körting zuckt dazu mit den Achseln und rät potentiellen Opfern, doch lieber in anderen Stadtteilen zu parken -- das heißt, vorbeugend die Gegend zu verlassen, das heißt: Säuberung Kreuzbergs von den unerwünschten Menschen. Und die Öffentlichkeit schweigt weitgehend dazu.

Und an der "Volksbühne" in Berlin Mitte lässt der Ernst-Jünger-Verehrer Frank Castorf, ein Fall für den Verfassungsschutz, mit dem Segen des Berliner Kultursenators Klaus Wowereit und seines Kultur-Staatssekretärs André Schmitz, einem erklärten Castorf-Verehrer, die Sau raus: "Die Rebellion darf niemals enden, denn: 'Ein gesundes, wildes Tier wehrt sich, wenn man es in den Käfig sperrt'", so Castorfs Ankündigungstext für seine Antwort auf die Krise, ein von ihm eigenhändig aus rechtsextremer Literatur zusammengebasteltes mitternächtliches Theaterstück namens "Fuck Off, Amerika".

(Oktober / Dezember 2008) 





















"DO NOT ENTER":



Die Wallstreet ist im Herbest 2008 eine Baustelle, und auch die Broad Street, an der die Schauseite der New York Stock Exchange liegt, die seit dem September 2001 mit der Fahne der USA verhüllt ist und die nur den Ausgang der Börse darstellt, ist gesperrt. 

Zwanzig Meter unter Null:





Ausstiegsanzeige in einem Wagen der größten Untergrundbahn-Flotte der Welt, "MTA Subway" von New York Ciy, am U-Bahnhof Wall Street.
Die "Metropolitan Transportation Authority MTA" mit ihren zahlreichen Transportsystemen im US-Bundesstaat New York ist ein ideologisches Vorbild: Privatanleger zeichnen Bonds ohne Stimmrechte, die Unternehmensentscheidungen fällen staatlich ernannte Gremien, City und State schießen Steuergelder zu. Die Ratings der Wertpapiere der durch die Finanzkrise schwer bedrängten MTA gehen zur Zeit von "A" bis "AA".








Mit Gott und Polizei:



Der schwarze Prediger (ganz rechts) heißt Reverent Basiru A. Gbadamosi und nennt sich "Pastor & Prophet". Er hat an den Tagen der ersten Crashs im Sepember seinen Auftritt an der Wall Street: "Jesus, Jesus kommt!", brüllt er in einem fort und verteilt Flyer der "Champions Church": "New Beginning! I know you agree with me that we all have enemies that's always want evil things to happen to us: bad luck, trouble, poverty, sickness, even death. Find out how you can win over them at all. To be successful in life you need to win over your enemies. Join us and you will win over them all in Jesus name."

Wenn Jesus nicht mehr helfen kann:



Schwer bewaffnete Polizeieinheiten mit Stahlhelmen, Maschinenpistolen und schusssicheren Westen bewachen in diesen Tagen die New York Stock Exchange an der Wall Street.





Nicht einer ...



... nicht zwei ...



..., an allen Seiten stehen zahlreiche Einsatzwagen in den engen Gassen des Bankenviertels von Manhattan, um das Zentrum des Kapitalismus absichern:



Groteske versenkbare Straßensperrren sind hochgefahren worden, damit niemand zum ökonomischen Zentrum durchbrechen kann:



Selbst kleine Seitenstraßen hinter der Börse können derart abgesperrt werden ...





... damit die bankrotten Broker ihre Akten und Anzüge sicher nach Hause bekommen, wenn sie denn noch ein Zuhause haben:





































































Protest mit Bibel und Workers Party:



Nicht nur Rev. Gbadamosi (links im Vordergrund) wird zur Attraktion für Touristen, die in Krisenzeiten zur Wall Street kommen im Glauben, Kapitalismus könne man sehen. Die beiden Figuren zu Füßen von George Washington vor der Federal Hall (deren Schauseite im Gegensatz zur Börse tatsächlich an der Wall Street liegt, wo Washington seinen Amtseid als erster Präsident der USA ablegte) mit ihren Protestschildern sind die meist fotografierten Personen dieser Tage:



Ihre Botschaft ist biblisch: "Gier tötet". Und sie scheinen von den Medien bestellt zu sein, die Bilder über einen Protest gegen den Kapitalismus brauchen; aber diesen Protest gibt es nicht wirklich.







Linke Splittergruppen versuchen sich mit Pamphleten gegen den "Bailout", die Kautionsrettungzahlung des Staates fürs Kapital, doch es ist mehr Folklore, wenn die Zeitung "Workers World" an Washingtons Denkmalssockel regennass wird: Keine Wirtschaftskrise ohne die Workers Party!



Protest im Stil der 20er Jahre auf den Stufen der Federal Hall:







Der Kapitalist als fettes Schwein.
In dem Flugblatt heißt es: "People say that Wall Street got 'too greedy' or that there was not enough 'government oversight' ignoring that the foundations of Wall Street and capitalism are based upon greed and that the Government, and politicians of all stripes, are the enablers of these bastards who profit at the expense of all of us."



Manchmal reicht ein einfaches Schild, um Washington gegen Bush ins Feld zu führen. Es nützt genauso viel wie der Jesus-Appell:



Was kümmert es die Schuhputzer an der Ecke Wall Street / Broadway mit ihrem selbst gebauten Equipment, solange die feinen Damen nur die Highheels herhalten!





























































Die berüchtigte "Heuschrecken"-Ausgabe der Mitgliederzeitung der Industriegewerkschaft Metall:























Marx macht mobil:



Das weit verbreitete TV-Programm-Heftchen "prisma. Wochenmagazin zur Zeitung", das vielen deutschen Tageszeitungen beiliegt, brachte diesen Marx-im-Doppelpack-Schnipsel in seiner Weihnachtsausgabe 2008 auf Seite 3.




























Keine Werbung für "Dabbeljuh" ...



 ... sondern alter symbolträchtiger Wandschmuck in der Subway-Station Wall Street downtown Manhattan.





So sähen die europäischen Rackets die USA gerne, zerfetzt:



Stars and Stripes im Strumgewitter auf einer Filiale der krisengeschüttelten US-Sparkasse "Washington Mutual" an der Grand Street in Williamsburg/Brooklyn.







































Monate, nachdem wir auf den verbreiteten Antisemitismus als "Erklärung" für die Krise, die in Wahrheit zu großen Teilen eine ganz normale Überproduktionskrise des Kapitalismus ist, hingewiesen hatten (siehe im Text oben: "Haltet den Dieb!"), traut sich Anfang März 2009 "Der Spiegel", der auch in der Vergangenheit schon durch antisemitisch konnotierte Titelbilder auffiel, die Welt und die Juden assoziativ auf den Titel zu bringen: 



Juden stecken die Welt in Brand: so perfide stellt "Der Spiegel" die vermeintliche Ursache einer Krise dar, die von den ganz normalen Gesetzen des kapitalistischen Wirtschaftens verursacht wurde.


Nicht ein Unternehmen, nicht viele Unternehmen, die als Unternehmen benannt werden, erst recht nicht die universalen Verwertungsgesetze des Kapitals, sondern jüdische Menschen,"die Lehman Brothers", sind für "Spiegel online" schuld an der weltweiten Krise: "
Seit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers im vergangenen September ist die polnische Währung auf Talfahrt, bisher ist kein Ende in Sicht", schreibt "Spiegel online" am 7. März 2009:




Zusammengebrochen ist nicht zum wiederholten Male ein System, das für den Profit der Reichen auch über Leichen geht, sondern zusammengebrochen sind, glaubt man dem "Spiegel", jüdische Individuen.



















Und in Deutschland wird wieder "Kultur" gemacht wie gehabt: Sprühkunst auf einer Kreuzberger Hauswand...



... sportliche Schlagball-Handgranaten-Pflastersteine- Weitwerfkunst gegen "Gentrifizierung" in Kreuzbergs Besetzer-Kiez ...



... und Theaterkunst in Mitte:



Für "Volksbühnen"-Chef Frank Castorf ist der "nationalbolschewistische" russische Autor Limonow gerade recht, um im Oktober und November 2008 seinen Hass auf "Amerika"  auszudrücken.
Screenshot von der Webseite der Berliner "Volksbühne".
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